020414
Opfer müssen gebracht werden (Otto Lilienthal)
Es gibt da gewisse Werke, die es nie so richtig bis zur Hintergrundbeschallung
der Einkaufszentren und Klassikradios gebracht haben. Das ist kein Verlust und spricht auch nicht gegen Bachs „air“ sondern eher für den sacre, ein Stück, das jetzt über 100 Jahre auf dem Buckel hat. Im Parterre der Oper warfen sie mit schweren Brokatkissen aufeinander ein, distinguierte Herren tauschten Beleidigungen, nachdem Sie diesen musikalischen Orkan erlebt hatten. man nennt es Uraufführung.
(die hier gezeigte Aufnahme ist eine Billig-Ausgabe von ehemals bei EMI erschienenen Platten. EMI verramscht ja inzwischen sein gesamtes Archiv, macht sich zur Tauschbörse seines ehemals ehernen Bestandes. Riccardo Muti liefert hier 1979 eine rhythmisch perfekte, temporeiche Aufnahme, strahlend hell und phantastisch aufgenommen).
Natürlich kann das heidnische Skandalthema des Menschenopfers 1905 auch als geniale Eingebung gesehen werden, die die größeren Opfer des jahres 1914 visionär vorwegnimmt. Es gibt zwischen alten Sakralhandlungen und einem KriegsPandemonium jedenfalls gemeinsame Deutungslinien. Denn in einen Krieg ziehen, für Volk und Vaterland, war durchweg im Geist der Selbst-Aufopferung. Es war common-sense bevor er sich als fatale, große Illusion erwies.
Der Schock der Bläsereinsätze sitzt mir jedes Mal in den Knochen und die Dynamik der Frühlingsbotschaft Strawinskys stellt die meisten Rock-Inszenierungen in den Schatten der Bedeutungslosigkeit. Stadionlautstärke ist eben etwas anderes als Dynamik, Tragik kann auch ohne Pathos vermittelt werden.
Mit dem Sacre kommen in einer ungekannten Wucht Tanzrhythemen zum Einsatz, Synkopen und Schreie der Blechbläser, die den höfisch bis ländlichen Gewohnheiten als ein unvermitteltes Auftauchen barbarischer Sitten vorgekommen sein müssen.Interessanterweise Elemente, die durchaus aber zur Empfindung der Moderne passten. Eription, Dissonanz und Polyphonie sind ja alles Assoziationen ,die bei der Beschleunigung der Welt nachempfunden werden konnten.
Unsere Frühlingsopfer dagegenwerden unvermindert auf dem Asphalt gebracht und da ich an dieser Stelle sehr regelmäßig vorbeiradle, kann ich versichern: Blutflecken verschwinden binnen einer Woche rückstandslos.
Nach Forsythien, Prunus und Zierkirsche sind jetzt Äpfel, Birnen und Wildkirschen dran und an den Hängen und Straßenrändern wirkt es, als hätte jemand einen auserwählten Baum oder eine Strauchreihe weiß gezuckert. Auf dem Rad inspiziere ich die Fortschritte, suche die Farben und genieße das, was man nicht wiedergeben kann: Duft. Hawthorne.
Es gab keine strengen Fröste, die Hummeln und wilden Bienen sind seit einer Woche unterwegs, somit kann auch nördlich des Mains mit einem fruchtbaren Jahr gerechnet werden. Freunde des Straßenapfels frohlockt!.
Das perlmuttene weiß der Gazelle paßt gut in dei Reiheder fein abgestuften Blütentöne. Die Luft beißt nicht mehr in der Lunge, die ersten Insekten verlieren sich in den Augenwinkeln – ein Reflex, den der Brillenverweigerer unter den Radfahrern wieder trainieren muß. (Wobei eine tiefgezogene Kappe einiges verhindert.)
Am Samstag findet eine kleine Reise in den Vorfrühling statt, wenn es über die 200km durch Bergisches Land/ Sauerland geht. Eine Premiere bei den Randonneurs. Ich werde pünktlich sein.
Gibts noch einen Nachbericht von der Randonneur-Premiere? 😉
sicher, nur geduld, es gibt sogar Bilder.
Erst aber hier den Milchreis auftischen……………