Ein (unbewußter) Grund diesen Blog rund um -s Radfahren zu beginnen und fortzuschreiben war vielleicht die Unzufriedenheit darüber, was an gedruckter Information zum Thema zu haben ist.
In Deutschland und ganz Europa gibt es eine Unzahl von special Interest-Magazinen, die allmonatlich so um die 3te Woche erscheinen. Sie behandeln die Seiten unseres Lebens, die im Lebenslauf früher als „Hobby“ bezeichnet wurden . Noch weiter zuvor „Steckenpferd“. Dabei scheint jedes verwertbare Areal gut abgedeckt. vom Modellflug bis zur Origamifaltung, alles ist in wundervoller Farbigkeit hochglänzend präsentiert.
Um mein kleines Problem zu erläutern, gehe ich einfach 25 Jahre zurück. Das ist einerseits schon fast eine Generation her, andererseits folgt die Welt der Medien doch stabilen Gesetzmäßigkeiten, selbst ohne digitale Geräte .
damals also, auf der Suche nach einer ordentlichen Ausrüstung für meinen Gestaltungswillen, begann ich in Bibliotheken, Bahnhöfen und Supermärkten alles zu lesen, was die drei oder vier maßgeblichen Magazine zum Thema Photographie zu schreiben hatten. Begierig verschlang ich sämtliche Artikel zu Weitwinkeln, Teles und Superzooms, Kamerasystemen und Filmmaterialien.
Es wurde sehr systematisch geprüft, auf dutzenden Seiten konnte man Abhandlungen zur Abbildungsleistung oder Zeitendiagramme sehen.
Zwei Dinge allerdings fielen mir bald auf: 1° die Unterschiede vom Besten zum schlechtesten Material bewegten sich innerhalb von 5 Prozentpunkten und
2° über Bilder, dem eigentlichen Ziel, wurde nur sehr spärlich geredet. Bilder waren beispielsweise Kirchtürme, deren Uhr man unter der Lupe ablesen konnte, oder auch nicht.
Der Rest waren stilisierte Landschafts – Architektur oder Portraitbilder, deren Austauschbarkeit offensichtlich war. Leser durften in Wettbewerben Aufnahmen einreichen, bei denen sie dann alle Rechte abzutreten hatten, und eine redaktionelle Jury prämierte in regelmäßigkeit Exponate, deren Qualitätssiegel eine vermeintliche „Professionalität“ war. Blasse Kopien der auf der Seite zuvor gezeigten Werbung.
Professionell, das war die Ehrenbezeichnung. Wenn eine Kamera professionell war, dann ging es nicht mehr besser, wer eine professionelle Kamera besaß, konnte Bilder „wie ein Profi“ machen. Er hatte die Materialschlacht für sich entschieden.
Ich hoffe, die Parallele zu den Rennrädern, über die ich eigentliche schreibe, kann schon erahnt werden.
Allerdings waren Bilder von wirklichen Profis eben Werbe – Mode- und Zeitungsbilder, und in allen übrigen Magazinen ohnehin zu sehen. In den seltensten Fällen erfuhr der Leser aber, was denn Kriterien für die Bilder-Auswahl für Werbekampagnen, Modestrecken oder einem Porträt Alfried Krupp gewesen waren. Denn die mußte ja stattgefunden haben.
Dabei spielten nämlich weder Objektive noch Filme eine Rolle – soviel ahnte man schon. Aber zu den Betriebs“geheimnissen“ der Vorbilder,(geschweige denn zu künstlerischen Kriterien) war nichts zu lesen
Über die eigentliche Aufgabe der Photographie, nämlich Bilder zu erschaffen, wurde also kümmerlich wenig bekannt, es beschränkte sich auf ein wenig Proportionslehre, eine fast mechanistische Farbenlehre, sehr viel Geometrie (gerade Linien!) und eigentlich so gut wie nichts, was nicht schon 40 jahre vorher in den Kalendern zu sehen war, die Tankstellen zu Jahresbeginn verteilten. Vielleicht ein wenig mehr Haut, immerhin.
Wenig zum Zweck, umso mehr aber über die Mittel. Die Redakteure hatten den McLuhan Satz verinnerlicht: das Medium ist die Botschaft ….
Ähnliche Informationsprobleme tauchen dann, wie gesagt : 25 Jahre später, beim Studium der beinahe zehn! Fahrradmagazine auf, die sich allmonatlich oft wie ein schlecht getarnter Katalog von Neuerscheinungen und Zubehörlisten präsentieren. Was nachgelassen hat, ist die Urteilsfähigkeit der Untersuchungen. In unserer heutigen Welt gibt es nur gutes, sehr gutes oder überragendes. Trekkingradler sind fröhliche Touristen , Rennfahrer bewegen sich heldenhaft im Wiegetritt über die Alpen und bei „den bikern“ werden Schlammspritzer auf die Haut fotogeshopt.
Es ist also inhaltlich die gleiche phantasielose Mimikry von professionellen Idolen, Logos und Equipment, Nanodifferenzen, ähnlich relevant wie seinerzeit Aussagen, ob mit Canon oder Pentax die besseren Bilder von Sonnenuntergängen gelangen.
Um den Kosmos des Radfahrens, der Radfahrer und der Fahrräder jenseits dieser geschlossenen Welt der Werbekunden und ihrer vorauseilend willigen Helfer abzubilden, wurde zu unserem (potentiell unendlichen) Glück das internet erfunden.
Was ich von diesem Medium erwarten kann und warum ich es so nutze, wie ich es nutze, beruht auf der phantastischen Möglichkeit, jeden in gleicher Weise (oder beinahe) zum Teilhaber seiner Erfahrung zu machen. Hier ist es wordpress, dort blogspot – die Wand der trivialen Desinformation ist durchbrochen. Potentiell zumindest.
Die Poesie des Radfahrens, ob schnell oder langsam, nah oder fern – wir müssen davon erzählen, wenn es die anderen nicht tun. Das ist nicht mit Lyrik zu verwechseln, selbst wenn Lyrik auch eine Möglichkeit wäre, an das Thema heranzugehen.
Gemeint ist eine( individuelle) Erlebniswelt, die das Fahrrad erzeugt. Die Dinge die man so und nur so auf dem Fahrrad oder vom Fahrrad aus wahrnimmt. Ich glaube nämlich, unsere Welt wartet immer noch darauf, entdeckt zu werden . . . . .
PS- ein Magazin wie „fahrstil“ möchte ich von meinen Betrachtungen ausnehmen. Noch.
Uff! Was Du da so intellektuell absonderst, ist schon sehr beachtenswert. Ich bin beeindruckt!. Ich werde trotzdem auf konkrete, weniger wertende und eher herabsetzende Art versuchen, Radentusiasten, einfache Lustradler und lebensfrohe Menschen zu erreichen – auf direkte einfache Weise, ohne das Ganze immer zu verbrämen mit dem eigenen überlegenen Intellekt. Der scheinbaren Überlegenheit…Je mehr ich von Dir lese, umso mehr entfernst Du dich…
Entfernen? Vom einfachen Radeln und seinen Voraussetzungen und Genüssen sicher nicht. Eher entfernen sich die medialen Darstellungen davon, sei es in Zeitschriften, Illustrierten und sonstigen Berichterstattungen.
Ich hege keinen sehnlicheren Wunsch, wie seinerzeit in der Photographie, gute und elementare Geschichten zum Thema zu lesen, ein Wunsch, der mir von der „embeddeten“ Fachpresse selten erfüllt wird. ich verbinde das nicht mit einem intelektuellen Überlegenheitsgefühl, sondern bedaure die Sachzwänge, die die Technikredakteure dazu führen, sich derart instrumentalisieren zu lassen, statt, wie beispielsweise bei Fahrstil, der Sache an sich nahe, oder wenigstens näher zu kommen.
Seitenlange Darstellungen von Rennradradklonen finde ich nicht unbedingt lebensfroh: die meisten Zahlenfriedhöfe der Fachpresse sind durchweg depressiv. Wunderbar dagegen, wenn ein Novize (wie in fahrstil) über seinen ersten 300km brevet durchs vereiste Brandenburg berichtet.
Wenn das aber die Ausnahme ist, dann sehne ich mich umso stärker nach entsprechenden blogs – ganz unverbrämt.
Ja! Das sehe ich auch so. Übrigens war ich bei dem beschriebenen 300er mit dem Novizen Lennart dabei und habe ihn nach Berlin reingeführt. Und Roadbike etc. Sind genauso gesteuert wie im Automobilbereich AMS,mot…Da lobe auch ich mir fahrstil. In der Hoffnung, dass sie überleben in der kommerziell gesteuerten Landschaft. Nix für ungut! Bleib munter und kritisch!
Wird in dem Sinne fortgesetzt – danke! Demnächst mal in die tägliche Vorbereitung.