4015 Baskisches Tagebuch
Langsam wird es hinter der großen Eiche heller, gegen 7h30 der neuen Zeit dringt dieSonne durch und färbt die Felder neu ein. Ganz kleine Blütenstände sind auszumachen, Vom Nachbarn her schimmern die Wildkirschen durch. Zeit für einen Streifzug durchs Baskenland, bis an die Küste.
Die Pyrenäen sind schwach zu sehen, wie eine schmelzende Sahnehaube wirkt der Schnee, der die Pässe über 1200m sperrt. Ich will ins Grüne.
Um ins Baskenland zu kommen, muß ich den Béarn verlassen, ein eigener Landstrich der sich um die Hauptflüsse, Gaves genannt, erstreckt und an der Dachform der verstreut liegenden Gehöfte zu erkennen ist.
Die meisten Straßen, die ich befahre haben keine Markierungen, was einiges über die Verkehrsdichte verrät. Ich durchquere Salies, ein hübsches Städtchen, das Salzquellen und Thermalbäder im Namen trägt. Auch hier stehen Geschäfte leer, werden hübsche Villen verkauft und das Schloßhotel brannte schon vor Jahren ab. Die Palmen wachsen weiter.
Dann den Gave bei Auterive überqueren, auf einer eisernen, schmalen Brückenkonstruktion. Hier hatte der entfernte Onkel Paul seine Mühle,
hier trank ich zum ersten Mal Grenadinesirup und mein Großvater malte Bootspartien im Ferienidyll 1941: France – zone libre.
Dann ändern sich die Dachformen, die Häuser sind weiß getüncht und das Land steigt an. Wellig sanfte Hügel und in der ferne baumlose Berge, die eigenartig rostrot und grünlich gefärbt sind – wie die jetzt überall vorhandene Landesfahne.
Ich überhole ein Tandem, Radler tauchen im strahlenden Sonnenschein auf. Die Straßen zwischen Labastide, Hasparren und Briscous sind ein gutes Terrain, ich fühle mich wie im Traum: kurze Hose, Sonne und ein sehr milder Wind. Am Weg duftet es immer wieder nach wildem Lorbeer.
Pause in Hasparren – Birnentorte ist noch übrig, die Zeitung kann studiert werden. Rugby, seitenweise. Dann betreten die Tandemfahrer das Lokal, ein Ehepaar. Sie geht hinter ihm an den Tresen und ich sehe, wie sie sich an seinen Schultern festhält. Sie ist blind. In Cambo, einem stolzen kleinen Kurstädtchen mit aufgereihten Villen tanke ich kurz auf und sehe nach dem Laden von Herrn Breuillé, einem fahrradsammler aus der Gegend. Jetzt noch ein paar kleine Anstiege ins Herz des Landes, Richtung Ainoha . Hinter einem Berg taucht eine Rauchwolke auf – die Bauern verbrennen das alte Holz. Schafe als weiße Punkte auf schrägen Flächen.
Erste Wohnmobile in den variantenarmen Farbtönen weiß bis Eierschale – die küste naht. Zwar gibt es hin und wieder Anstiege, aber das Vorland ist sehr gut fahrbar. Im Sommer müssen sich die Radfahrer etwas zurückziehen, aber dann ist sogar in den Bergen Kolonnenfahren auf den kleinen Routen angesagt und es ist nicht sehr lustig, hinter einem Wohnmobil hinabzurollen. Da vermisse ich beinahe Motorräder aus dem Ruhrgebiet…
Doch jetzt ist das Tal nach Sare frei und ich fliege dahin. Ein paar Kühe genießen die Freiheit, eine Frau bringt ihre Schafe auf eine Nachbarweide und ruft „Adio“.
St Jean naht und das Meer und der Buchhändler meines Vertrauens. Unter den drei Werken wähle ich das Linke. Daneben wird weiter an der Verklärung des letzten Jahrhunderts gearbeitet.
Vielleicht steht das KodakBuch in einer Reihe mit „humoristischen Zeichnungen“? . Zeitzeugen empfanden es schon seinerzeit als gnadenlos unrealistisch. — Sprung auf einen Berliner Flohmarkt: ein Verkäufer stellt mir das Kodak Buch über Amerikaner vor – Amerikaner sehen Amerikaner – oder ähnlich. „Was fällt ihnen auf?“, fragt er, nachdem wir gemeinsam durchgeblättert haben. Mir fiel nichts auf. „Sie sehen es auch nicht: es gibt keine Schwarzen in diesem Buch…“.
Mit Poulidor am Strand tauche ich kurz in die wirklichen 50er Jahre ein. Ein Leben auf dem Lande, ohne Traktoren und voller Kinderarbeit – Wie Coppi kauft PouPou seinen Eltern dann von den Preisgeldern die unerreichbare Grundausstattung fürs Haus. Das wäre heute, als würde man als Preisgeld eine Eigentumswohnung in Berlin Mitte bekommen.
Der Strand von Socoa ist ruhig, die Wellen niedrig und die Sonne wärmt. Ein Ruderer zieht durch die Bucht und wir gehen jetzt Schokoeier für den Osterhasen kaufen . . .
Ein sehr schöner Bericht der zum gedanklichen Dasein einlädt. Danke.
literarisch wertvoll! Da bin ich in Gedanken auch wieder im Baskenland. 2007 fuhr ich von St.Jean Pied de Port rüber nach Pamplona und auf dem Jakobsweg weiter. Du hast die Nase auch aufs Meer hinaus gerichtet. Herrlich!
Meiner Familie den Strand und mir die Berge . .