150615 Koga taufe an der Mosel – 200km rund um Mayen

150615  Koga-Taufe an der Mosel – 200km rund  um Mayen  –

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Rare as a day in June:  morgens vor 5 auf den Beinen sein lohnt sich . Der Himmel hat sich lange schon verfärbt – graugelb , neapelgelb, Eierschale mit rosa Rand – , das Morgenkonzert der Vögel geht in den 2. Satz und hinter mir liegt mein 3 Tage altes Koga von 1980 auf der Ladefläche. Heute geht es zur Taufe an die Mosel und bis auf die Hohe 8, mal sehen, wie es sich anfühlt, das alte Fullpro . . .

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Mayen ist eins der Kleinode der (Vor)Eifel, das sich abseits von urbaner Dramatik hinter einer fruchtbaren Hochebene namens Maifeld verbirgt. Von Ferne künden weiß rauchende Schornsteine den Ort an. Die gut erhaltene Schule ist schnell gefunden, selbstgemachter Kuchen liegt bereit.

Um 6h30 unterquere ich das Start/Ziel- Banner und mache mich auf den Weg hinauf ins Maifeld ,der fruchtbaren Ebene südlich der Basaltlandschaft der Vulkaneifel.

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Diese Hochebene rundet die Eifel nach Süden ab und endet in einem Steilhang mit unvergesslichen Aussichten auf die Mosel.

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Genau dort halte ich nach ca 25km, während die Mitfahrer des Mayener Marathons , es sind so um die 80, unverdrossen in die Tiefe nach Müden stürzen. Das Rad, mit dem ich diese alpine Trainingsrunde von 206km und 3900 Höhenmetern fahre, stammt aus dem Offenbacher Radsporthaus Mosebach, das es immer noch geben soll. Ich brauchte es nur zu putzen, ersetze einen Schaltzug, montierte einen vertrauten Sattel, sowie (sicher ist sicher) die Allwetterreifen von Conti, die den Namen 4seasons tragen.

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Viel Nässe werden sie heute nicht spüren, es wird ein phänomenaler Sonnentag, der genau die Balance zwischer warmer Sonne und kühler Luft hält. Das Moseltal durchfährt man an einem freien Tag unbedingt vor 9 Uhr, nur dann hat man es für sich:

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Lediglich Angler stehen schon am Ufer des Stroms, dessen glatte Fläche noch unberührt von Motorbooten, Autofenster- entsorgten RedBull Büchsen, Weinfässern und Bierflaschen ist. Dann hinauf in den Südhang. Ringsum gibt die Steigung Aus-Blicke auf von milchigen Sonnenstrahlen durchbrochene, waldige Hügel frei. Der Schweiß rinnt, aber er rinnt gut.

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Der Rhythmus ist gefunden, die schnelle Gruppe vom Radsportverein lasse ich gern ziehen und tausche den Geruch der Waschmittelwolke gegen den echten Grüns (Krauseminze!) ein.

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Auf der Höhe die erste Kontrolle, die Vorratskammern sind gefüllt, es reicht für ein zweites Frühstück. Und wieder hinunter zur Mosel.

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Die Abfahrt ist atemberaubend schön – und dann den Fluß entlang Richtung Cochem, dessen porphyrige Burg im Morgenlicht noch märchenbuchiger wirkt. Dort hinüber aufs Nordufer und ab hier flach daran entlang auf einem eingefärbten Randstreifen, der sich Moselradweg nennt.; bis Pommern: nächster Anstieg.

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Ein früher Zug bremst meinen Höhendrang; noch mal Luft holen, dehnen und dann wieder frisch in den Berg. Durchtrainierte Teams geben den Takt vor, bringen die Lunge auf volle Kapazität. Der schöne Fluß liegt als Geschichte der Tour unter uns – wieder ins Maifeld.

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Das „kleine“ Koga hat seine Taufe bestanden: Bremsleistung gut, Flatterneigung sehr gering und die Arabesque Schaltung, die hinten eben ihre 28 Zähne schafft, „hält“ die Gänge im Wiegetritt. Bei dem kurzen Oberrohr kann ich an den Steigungen gut am Lenker ziehen und das Rad fährt sich wendiger als der 63cm großer Bruder. Nur den Vorbau werde ich tauschen: +1cm.

Mein Magen hat die morgendlichen Unwillen überwunden, richtig leicht fühlt er sich immer noch nicht an. Ganz anders das Wetter in dieser Ecke des Maifelds: leicht und kühl fächelt der Wind über die Roggen- und Weizenfelder, die morgen ins Gelbe überwechseln. Zwischen Getreideflächen reihen sich die Fahrer bis zum Horizont in einer Schnur: was da hinten so elendig langsam vorankriecht, bist gleich Du.

Und den großen Gang mit einem kräftigen Ruck reinhauen, bergab leichtere Fahrer aufrollen, rechtzeitig die Hebel ziehen: der Schuß endet in einer Haarnadelkurve – und gleich wieder in den Anstieg: die zweite Kontrolle ist erreicht, Fahrer der Marathonstrecke mischen sich jetzt mit denen der kürzeren Runden, an den Nummern zu erkennen.

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Hier rieche ich ein letztes mal die Trikotballungen der Vereins-Amateure, die ihr eigenes, verdecktes Rennen fahren oder um den vorgegebenen Schnitt kämpfen. Räder, die man sonst nur in Zeitungen sieht, sind hier im Display und werden anerkennend gemustert. Mattschwarz in glanzschwarz ist eine der dynamischsten Varianten im Farbdesign, dazu mattierte Laufräder mit sehr hohen Felgen. Wenn man dagegen klopft kann man sich gar nicht vorstellen, daß dieses Material Monatsgehälter verschlingt.

Die Dörfer erwachen langsam , Autos sind noch selten, erste Motorsegler haben uns überholt.

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Der Parcours genehmigt sich eine Schotterpassage, die natürlich für diese Testfahrt wie gerufen kommt. Steuersatz hält, Sattelstütze rutscht nicht Lagerschale bleibt an ihrem Platz. Koga gibt Vertrauen. Mit Rückenwind geht es Ost-Nordost, auf den Feldern segle ich nur so dahin, kann freihändig mittlerweile weichgebackene Müsliriegel kauen und  in (gefühlten ) 40kmh dahinschweben. Ab und zu sehe ich einen bunten Punkt auf zwei Rädern vor mir, hinter mir nichts. Zur Halbzeit fühle ich mich schwerelos, der Wind trägt  -aber nur in eine Richtung.

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Wir müssen uns über 300m befinden, Nadelwälder nehmen zu und strömen ihren balsamischen Duft herüber, bevor Roggen und Gerste wieder herb dominiert. Immer neue Wellen und Anstiege nach Brücken und Dörfern. Hinter einer kleinen Kapelle plätschert es. Ein Trog mit einem Brunnen.

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Frisches Wasser : kein Trinkwasser steht auf dem kleinen Schild, was nur bedeutet, daß es nicht aus dem Klärwerk aufbereitet wurde. Die Plastikflasche ist wieder voller Kühlung, ihre klebrige Außenseite jetzt sauber und glatt. Und noch ein Anstieg und wieder eine Abfahrt ins nächste Dorf und da das leuchtorangene Schild : Kontrolle 3 auf dem Bauernhof. Voller Hof, verstreute Räder. Ich verschlinge Graubrot mit salzigem Schmalz, trinke Mineralwasser und helfe, die großen Kanister an einem Trog aufzufüllen, der genauso aussieht, wie der im Dorf davor.

Die Sonne steht senkrecht über uns, weiß und hell. Zwei Fahrer wollen von mir abgelichtet werden. Es ist ein Kommen und Gehen mit rustikalem Charme. Das Versorgungsauto liefert Tuc-Kekse nach. Der morgendliche Ehrgeiz ist einer entspannten Stimmung heiterer Freizeit gewichen. Ich entdecke ein weiteres klassisches Rennrad, sandfarben, italienisch und ohne Namensaufkleber – das Rad seines Vaters. Ich gratuliere zum guten Zustand.

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An jeder Kontrollstation ist das Höhenprofil für den nächsten Abschnitt zu sehen. Zweimal, dreimal geht es noch einmal richtig hoch, eine dunkelrote Stelle markiert über 10% . Die Beine tun schon weh, als ich sie wieder über die Stange hebe, die Muskeln sind hart. So locker wie möglich lasse ich mich aus der Dorfgasse rollen und blicke noch einmal auf die kleine weißgetünchte Kirche von Trittscheid .

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Der zweite Anstieg ist bewältigt, Asphalt strahlt Wärme ab, durch die Bäume schimmert es tiefblau: ein Maar, ein angefüllter Vulkankrater – sein dunkles Blau lockt: Dein Weg ist so weit. Im gleichmäßigen Rhythmus folge ich mein Schattenbild in der Mittagssonne. Bäume wären jetzt willkommen. Ich bemühe mich, die Schultern schön parallel zum Lenker zu halten und nicht zu bewegen. Das schmale Band des Vorderrads zerteilt meinen Schatten. 12h Mittags streicht über.

An Höfen vorbei, immer wieder mit kleinen Waldabschnitten, Steigungen, Wellen. Blau Weiß Grün akkumulieren sich zu einem Kontinuum: zwischendurch glaube ich Wege wiederzuerkennen. Aber nein, hier war ich noch nie, die Ruhe ist groß- Ich halte doch besser haus mit den Kräften, die Sonne setzt mir zu,…..

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50km später; das kleine Rondell neben einer Dorfbasilika aus Vulkanstein spendet Schatten. Mein Koga grüßt ein Faggin, daß ich schon im vorigen Frühjahr sah. Wir sind die einzigen alten Eisen hier.

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Die letzte Verpflegungsstelle spendiert Cola, eine gute Idee. Prickelnde 300 Höhenmeter erwarten uns. Direkt nach der Kirche beginnt der Aufstieg aufs Dach der Tour. Noch einen Milchreis probieren? Zu klebrig. Trinken, trinken! Keine Zeit verlieren und ab ! Am Ende des Dorfes mache ich kehrt: ohne diesen Stempel auf der Kontrollkarte ist meine Anwesenheit hier wertlos. Kehrtum und allen zuwinken, die sich nach mir auf den Weg machten; schweigend reiche ich meine Dokument den fragenden Gesichtern -dankeschön: der Stempel ist ein grinsender Frosch.

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667m sind erreicht, das Dach der Tour Der alte Kanzler ist als dunkles Relief schwach von der Straße aus zu erkennen. Die strukturschwache (abstraktdeutsch für arm) Region verdankt ihm Straßenbauprogramme internationaler Dimension. Hin und wieder das Geräusch von Rennmotoren – hinter dem Gipfelmast der Hohen Acht und den Krüppelkiefern liegt der Nürburgring. An dieser Stelle stürzen die Boliden den Berg hinab, genau wie ich es jetzt mache, müde und der Anstiege satt.

Motoren im Wald – Serpentinen , Wohnmobile, im Vorbeirauschen gerade noch gelesen: noch 6km bis Mayen. Und es geht immer noch bergab – das sind keine 10Minuten mehr.

Pfft pfft pfft pfft . ich bremse sachte, lasse ausrollen und schiebe das Rad zum Schlauchwechsel in den nächsten Baumschatten an der Leitplanke. Conti 4 seasons an einem Sonnentag auf einer Bundesstraße. Ich sortiere meine Sachen, das besteck ist da, der Schlauch auch. Radsportler, die ich lange nicht mehr gesehen hatte grüßen im Vorbeifahren. Jetzt der Pumpentest: wie weit schaffts die Zefal hp9? Alle 10 Hübe eine kleine Pause. Daumendruck, noch mal zehn. OK.

Fehlt nur, daß die Bolognese alle ist  –  und sie war es. die Teilnehmer der kurzen Runden hatten zuviel bedarf . Bis die neue Fuhre eintrifft, gehe ich den Tag durch. Als Training für meinen Brevet war es gut. Die Beschilderung einer solchen Runde erlaubt sorgenfreien Landschaftsgenuß, die vielen Anstiege machen den Trainingsreiz ebenso wie der immer vorhanden Strom an mitfahrern motiviert. Man ist wirklich nie länger als ein paar Minuten allein und das hält das Tempo von selbst hoch . . . Zwei oder drei solcher Veranstaltungen sollte ich noch machen.

Ein Paulaner Hefeweizen, eiskalt, stellt mich wieder her.

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Held des Tages.

Das Koga Miyata Fullpro war ab 1980 das Teamrad des Ijsboerke Teams, das dann zum Koga-Capri Sonne Team wurde. Die Bergetappen wurden auf dem fullpro-L gefahren, für den Alltag reicht die Normale Ausführung aus Tange champion 2 Rohr. Das fullpro ist sehr aufwendig verarbeitet, die teamblau Lackierung wurde in 5 Schichten aufgetragen. Erkennbar sind die Modelle an den spitz zulaufenden abgefeilten Muffen, durchbrochen mit goldener Krone, der ProM Gravur am Ende der Sitzstreben und dem doppelt von der „MIyata“ Krone durchbrochenen Tretlager. Die Gabel ist handgebogen, ihre gerade Schulter mit einem M im Zahnkranz geprägt. Die Ausfallenden sind verchromt. Da es nur das Fullpro in der Rahmengröße 61 gab, die für meine Beine optimal ist, konnte ich das Angebot nicht ablehnen. Ich bereue es nicht, nach dieser Fahrt noch weniger.. .

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6 Antworten zu 150615 Koga taufe an der Mosel – 200km rund um Mayen

  1. randonneurdidier schreibt:

    Du hast mich mitgenommen in die Landschaft, zu den Menschen, in den Marathon… Wunderbar beschrieben, schöne Fotos! Alle Achtung. So macht es Freude, zu lesen und mit zu erleben.
    Mein erstes echtes Rennrad war auch ein Koga. Gekauft bei Mücke Großimlinghaus in Krefeld. Zwei Jahre bin ich es gefahren – bis es mir ein fieser Zeitgenosse in Bergheim aus dem Keller geklaut hat. Dann kam das Colnago Mexico von Andre Rost in Venlo: Noch eine Tacke besser, direkter. Und das fahre ich auch heute noch mit Genuss.
    all the best

    Dietmar

  2. crispsanders schreibt:

    Danke Dietmar,

    ja, dein Mohnblumen-Colnago ist „forever“. Ich sehe jede Woche hier einen bedingungslosen ColnagoFan, der sich seine Räder in Cambiago abholte. Ich halte Colnago für einen seriösen Italiener. Als großer und eher schwerer Fahrer vertraue ich natürlich mehr auf die holländisch-flämische Schule!
    Die Erinnerung an Radsport-Häuser ist ja mittlerweile auch ein Kapitel für sich, denn das Aufkommen erfolgreicher Bike-Versender hat einiges umgekrempelt. Die kleinen radläden in meiner Reichweite haben das Geschäft mit dem teuren Material, das alle Saisons die Standards wechselt und immens kapital bindet, aufgegeben.
    Aber die RTFs zeigen: wir wollen es so und sind allemal zufrieden.

    ein 200er fühlt sich übrigens (in entsprechender gangart) härter als ein Brevet an

  3. mark793 schreibt:

    Oh, ein Neuzugang – und was für ein Klassiker! Hätte es aber nur schwer mit bloßem Auge unterscheiden können, dass dass full pro kleiner ist als Dein pro am. Die hätte ich einfach beide als „bisschen zu groß für mich“ eingeschätzt.

  4. crispsanders schreibt:

    Koga Räder bauen oben kurz und die Muffen sind zu schön! . Wenn ich eine Sattelstütze bei 61RH knapp unter Max ausziehen muß, ist die Höhe schon richtig. Die 1cm weniger Radstand (Kurbelachse – Gabelvorne 58,5) spüre ich schon eher: nicht am Geradeauslauf, sondern am Kurvenverhalten. Jobst Brandt war seinerzeit sogar der Meinung, je mehr Sattelstützenauszug, desto instabiler das Gesamtsystem, weil sich ja der Fahrerschwerpunkt nach obern verlagert. Anderes kapitel, sehr technisch . Die Mosel ist wundervoll, am 5.Juli gehts nach Koblenz, ganz ähnliche Strecke.

  5. Andreas Kratz schreibt:

    Hallo & guten Abend! Ein toller Bericht …. Macht Laune auf die warme Jahreszeit 🙂
    Falls dir das große Fullpro zu groß sein sollte: ich suche schon länger eines in RH 63. Fahre ein Fullpro-S in DD 60, das ist wunderschön aber zu klein. Vielleicht kommen wir ins Geschäft?
    Viele Grüße
    Andreas

    • crispsanders schreibt:

      Schön, daß dieser Bericht Dir Lust macht ! Ein Rad, das über 200km bewegt wird sollte in jedem falle passen, sonst geht es böse aus. DD60 bedeutet reell 58cm/56cm und das wird mit Sicherheit zu klein sein. Recht häufig sind die Roadracer oder GentsRacer der 80er in 63RH, wenn Du nichts Blaues findest und wirklich diese Höhe brauchst. Danke jedenfalls für Dein Angebot .

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