050715 – 1 Hitze Hoch an der Mosel

 

 

 

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Nach der Somerrunde ist vor der Sommerrunde. Das stabile Schönwetter ist ein idealer Trainingspartner und die Angebote verlockend und vielfältig.

Manchmal ist es nicht leicht, sich zwischen zwei Extremen zu entscheiden. Am einen Ende wartet die Schicke Mütze in Düsseldorf mit einer schicken kleinen Runde, schicken Menschen und schicken Rädern, am anderen ruft der Koblenzer Mosel Marathon mit seinen 2600hm auf bekannter Strecke mit bekannten Anstiegen.

Das Wetter wird auf beiden Strecken heiß, möglicherweise gewittrig. Beide Veranstaltungen fordern mich ab 5h15. Ich entscheide mich gegen die abenteuerliche Fahrt ins sauerstoffarme, schwüle Köln/Düsseldorfer Becken und fahre an die liebliche Mosel . . . .Höhenmeter machen.

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Am alten Koga sind jetzt 28Zähne am Hinterrad, denn Anstiege jenseits von 10% bei über 30 Grad kann man nicht ernst genug nehmen. Das originale Benottoplastik band lasse ich einstweilen am Lenker, die Zeit drängte.  An der Berufsschule Wegeler in Koblenz sind um 6h10 die Schattenparkplätze schon verteilt, Heckklappen geöffnet ; montierte und teilmontierte Räder warten auf ihre Abfahrt.

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Ein dutzend Marathonfahrer sind bereits auf der Strecke, als ich mich einschreibe, ich reihe mich also weit hinten ein . . .

Dann kommt doch noch einer: gleich am ersten Anstieg überholt er mich. Nach der Abfahrt zur Mosel (schattig, ruhig, nur vereinzelte Jogger)- : hänge ich mich an ein rotes Shirt, daß mir diesen Monat vage bekannt vorkommt und ein kräftiges Tempo vorlegt. Mein Vordermann biegt zum Ultramarathon (auf dessen 1000+ Höhenmeter ich gerne verzichte) ab.

Ouvertüre

ich selbst dringe kurz später bei 24 grad Celsius in ein kühles Tal ein, zum ersten Anstieg dieser nur 200km.

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im milchigen Blau rauscht ein großer Airbus majestätisch über die Burgsilhouette. Die Sonne kommt über den Kamm. Der Anstieg rollt gut, die Kräfte sind frisch, der Asphalt kühl.

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Oben der Hunsrück, aber nur kurze Zeit, denn gleich geht es wieder zur Mosel hin. Noch fühlt  es sich an, als könne es ewig so weitergehen. Nun die kleine Abfahrt, nicht mehr als ein Feldweg: ich erinnere mich: es geht sehr „technisch“  den Waldhang nach Treis Kaden hinunter.

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Vorher noch diese Erinnnerung; Hoch über der Mosel.

tief unten steht ein blauer Bus, sehr klein.  Immer wieder : TreisKaden – ein Mantra dieser Fahrt. Minuten später passiere ich den blauen Bus aus Schwerin, seine Insassen vermutlich auf eines der vielen Hotels hier verteilt und schlafen sich fit für den letzten Schoppen.

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Ein weiteres kühles Tal, das Letzte heute. Eine Reiterin, ein Angler am Weiher, Stille. Oben (in Macken) wartet am Ortsschild der Besenwagen. Ich werde abgelichtet, nicht aus dem Rennen genommen. . .

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Kontrolle . Zum ersten mal mache ich mir Mütze und Handschuhe naß, lange bei Tuc Keksen und Mineralwasser Rhodius! Vulkaneifel! zu und stecke eine Banane ins Snel-Trikot. Mit den Fahrern der RTF weiter durch den Hunsrück.

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Diese Gegend, fernsehlich ausführlich beschgrieben von Edgar Reitz, wirkt mit den Weizenfeldern und reifenden Kirschen gar nicht wie ein Land, aus dem ganze Dörfer in die Vereinigten Staaten auswanderten. Dieser Vielteiler („Heimat“) kann stellvertretend für so viele, arme Mittelgebirgsgegenden in Deutschland gesehen werden. Historisch ist Schabbach heute weit und einer der Urenkel kam mit dem Longboard zurück.

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Hier und da liegen Zweige am Boden, Spuren des nächtlichen Gewitters, das in intensiv übers Land gezogen ist. Das Terrain bleibt wellig. Fortschritte –  an Stellen, an denen ich vor zwei Jahren schon am Limit war, geht es hier mit gutem Tritt. Die kleinen Abfahrten in die Bachtäler machen Spaß, mit einem Cucuma „Soleil“ (in Sonnenblumengelb) teile ich mir ein Stück Strecke;

Und irgendwann hat mich auch das rote Trikot wieder überholt. Jetzt weiß ichs: es die 95 aus Mayen und Rodenkirchen ist es. Wir beginnen einen herzhaften Anstieg. 15km hat der Mann mir bereits abgenommen. Ich folge kurz dem roten Faden. Dann ist klar ,wir fahren definitiv nicht in derselben Liga.

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Zwei Zähne mehr nutze ich bei gleichem Takt: das sind 200, 400 dann 500m Langsam zieht er davon, über die Felder sehe ich ihn am Horizont verschwinden. Nur einmal noch sehen wir uns kurz am nächsten Dorfbrunnen, der auch die Labe ist. Jetzt schnell Schmalzbrot fassen, Käse, Wurst, Banane, alles was geht, die Kohlehydrate und Mineralien sind nach 65km aufgebraucht.

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Durch ein langes Tal geht es sanft hinunter, wieder nach Treis Kaden an die Mosel. Mit einer kleinen Gruppe wäre hier richtig Tempo drin, so kämpfe ich allein gegen anschwellende Hitze, die unausweichliche. Um 11h läuten mir in Engelport, einem Kloster im Tal, die Glocken. Das Gras wiegt sich im Wind.

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Die Caféterrasssen sind ausgebucht, doch den Augenwinkeln erspähe ich ein menschenleeres Eiscafé: es liegt im Schatten. Ein schöner Alfredo Espresso ist Gold wert, auch wenn nur wenige km später die nächste Kontrolle wartet. Der Himmel schlägt in dunstiges graublau um.

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Auf einem Lasterparkplatz an der Mosel erfrischen sich die eingetrudelten Radsportler. Man macht mir ein Schmalzbrot, das ich gern mit 1l Selters abspüle. Noch eine Banane und schnell in den Anstieg: das TreisKadener Koffein nutzen. Die Mittagshitze hat begonnen, aber noch lassen sich diese wundervollen Serpentinen im Weinberg ertragen. In stetigem Rhythmus schraube ich mich den Steilhang hinauf und sehe mich immer wieder nach der Mosel um. Du weißt die Form stimmt, wenn Du diese wonderfullen Ansichten mit Rebengeruch genießt.

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Vor zwei Wochen schoß ich von hier aus dem Morgennebel auf die Mosel hinab, jetzt liegen die reifen Getreidefelder des Maifelds in der Mittagshitze vor mir. Dünfus, Wirfus – vertraute Namen. Ein Stück blühender Lindenallee duftet mir zu und wird mir das seltene Privileg seines Schattens gönnen. An Alleebäumen hat dieser Landstrich gespart. Die Kornfelder der Hochebene stehen in voller Reife, Bäume sind hier nur zufällig übriggeblieben oder finden sich in den Kerben der Bachtäler, (aus denen es dann mühsam wieder hinausgeht).

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Die ersten Mähdrescher des Jahres ziehen ihre Runden, Anhänger warten auf eine frische Kornfüllung, während mir langsam aber sicher die Körner ausgehen. In der Hitze sehe ich von weitem die Richtungspfeile in Leuchtfarben tanzen. Der Himmel ist hell, am horizont bleiweiß.

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Endlich ein Brunnen. Eulgem heißt diese Oase der Kornsteppe. Die Austrägerin der Wochenendzeitungen bestätigt die Trinkbarkeit des Wassers. 1l für den Kopf, noch 1l für die Mütze, dann 1l für den Bauch und 1 l in die Flasche. Zur Sicherheit noch ein Schluck direkt aus der Quelle.

c1 Weiter durch die die Kornsteppe der Eifel. Auf der Suche nach Schatten kann ich mir die Straßenseite aussuchen. Im Nu bin ich wieder trocken,

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und dann erbarmt sich die Kontrolle 5 meiner Not. Diese Friedhofsmauer kenne ich, 2013 war es nur ein Wasserhahn -. Eine Strichliste: 5 ultramarathonisti und 10 marathonisti sind schon vorbei. Die Glücklichen.

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Mittagsstille, Sonntags. Ein warmer Westwind kommt hart Steuerbord. Ein Windpark, wie ein riesiger Finger: der erste Schatten seit langem.

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Ich grüße Mähdrescherpiloten und wirble die Spreu auf dem Weg auf . Vor mir niemand, hinter mir niemand, so weit ich auch sehe. Die Welt dreht sich sehr langsam.

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Kleine bachläufe durchfurchen die Ebene: das Eltztal. Auf schmalem Weg geht es riskant hinunter in der süßen Frische des Waldes, um dann, nach der Brücke trocken wieder anzusteigen. Ein harter rechter Haken. Sehr trocken, mit Wiegetritt, aus lauter Angst von 2 in die Speichen zu schalten, aber geschafft. Jetzt den Rhythmus wahren.

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Eine Melodie fliegt mir zu, das Intro zu „come rain or come shine „, Sara Vaughan singt für mich. COo-me rain or COo-me shine!

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Im Schuß auf Polch zu Polch, Doppelkirchturmspitze aus der Tiefe. Das Lied der Landstraße, die nächste Tankstelle, der nächste Brunnen. Die Parkplätze vor den Freibädern sind voll, der Asphalt ist heiß;  ich werde gebacken, dann geröstet und im Wind gedörrt.

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Koga, Du machst Deine Sache gut. Wie halten es nur die Transcontinental Racer aus, wenn sie bei 40grad durch die bulgarische Ebene rollen? Tanzen da auch kleine Punkte in der Luft? Alles Irre, alles Helden.

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Mit einem Versprengten, der auf einmal neben mir rollt, erreiche ich die letzte Kontrolle. K6 ist ein schattiges Bushäuschen in einem Dorf, drei oder vier Gezeichnete warten schon. Schnell trinken, kühles Wasser suchen ein kurzer Plausch: noch 28km – also nichts. Hier  nicht versacken, die Muskeln müssen weitermachen, wenn der Wille schwach wird.

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Finale

Hinaus und sanft hinab ins Tal der Mosella, nach Kobern Gondorf. Der Morgenkreis ist geschlossen.  Der Wind kommt von West, die Reise geht nach Ost, also ein guter Wind. Trotzdem ist mir alles andere als wohl, als ich an der Mosel das schöne Torhaus durchfahre,: 18km bis Koblenz,. Das Trinkwasser ist inzwischen wieder lauwarm, heiß bläst es von hinten, der Asphalt glüht und dörrt meine Augäpfel. Menschen am Wasser, Motorboot ziehen ihre Kreise, Kinder im Schlepp. Ein riesenhafter Kahn nennt sich Love Boat, zwei Autos passen auf sein Achterdeck. Dümpelnd.

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Ich rolle an einer gruppe junger Holländer vorbei – der Wind schiebt mich.

Immer wieder rolle ich, trete ich, rolle wieder. , aber auch das ist schon zuviel. Ein kleiner Schluck noch, hier die Tankstelle als Nothalt für ein kühles Karamalz? Jetzt stark bleiben, die letzen 20 min müssen auch ohne Mineralien und Zucker gehen.

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Dann sehe ich die Vorboten der Stadt, erinnere mich an die Brücke, die ich heute im ersten Sonnenlicht überquerte – wie neu war die Welt!

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An der Brücke verpasse ich den Radweg: es dauert eine Minute, bevor ich wieder auf dem Rad sitze und losrolle. Ich zähle die Meter, ich sehe sie genau vor mir, die letzten kleinen Knicks, Unterführungen, Borsteinkanten, Bushaltestellen. Ein allerletztes mal unter der Bahn durch dann die Edelstahlplastik, die das Schulgebäude ziert.

„Halbtrocken oder trocken“? fragen die Damen im Foyer. „Mir wäre ein Mineralwasser lieber.“ antworte ich. Ich hatte ganz vergessen, daß es in Koblenz als Belohnung eine Flasche Riesling (von der Mosel) gibt.

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„Trocken.“ sage ich dann und setze ich mich in die Chillout-Zone. Nach dem Wasser das Weizen.

Nachsatz

Es muß eine der wärmeren Augaben des marathons gewesen sein, so fürsorglich gingen die Veranstalter mit jedem um, der noch eintraf. Es war hart, aber gut vorbereitet ,mit richtigen pausen, mit genug kalorien und vor allem Flüssigkeit machbar. Der Ultramarathon nur für die wirklich austrainierten zu empfehlen. Leute, die dies hier als vorbereitung auf ein Transcontinental  sehen, liegen ganz gut. Es ist wirklihceine frage des Trainings, nicht der blossen Power. Die Ausdauer machts, der sparsame Verbrauch des eigenen Organismus. More than ever.

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3 Antworten zu 050715 – 1 Hitze Hoch an der Mosel

  1. mark793 schreibt:

    Die Mützenrunde hättest Du zwar weitgehend trockenen Fußes fahren können, nicht aber Dein geplantes Programm drumherum. Insofern war es wohl schon die bessere Wahl, Dich backen und rösten zu lassen als regenbedingt eine Erkältung zu riskieren. Zumal es hier am Sonntag auch nicht sonderlich warm war.

    • crispsanders schreibt:

      Ich sammle ja immer weitere Erfahrungen, in der Hoffnung, sie mögen auf dem Weg nach Brest (und zurück) auch nutzen. Hitze, Dehydrierung und Demineralisierung waren so eine Erfahrung. Wissen, wo der point of no return liegt. Die Spaßrunde zu den Mützen könne ja der 2.8. sein….

  2. timha1982 schreibt:

    Sehr schöner Bericht. Ich bin an dem Tag die 150 km Runde gefahren und wurde ab Müden gegrillt. Bin noch nie in einer solchen Hitze gefahren…

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