Manchmal fährt man auch los, weil es viel nachzudenken gibt. Nachdenken über die Welt dort draußen, und die ungeheuren Dinge, die in ihr geschehen. Im Zickzack kämpfe ich mich gegen den Wind vor, der plötzlich zugenommen hat und über die nackten Höhen streicht.
… es war im April, ich stand im Stau auf der gesperrten A3 und las in der Sonne die Zeitung. Irgendwo lag ein Laster quer…. „Und wo müssen Sie hin“?, fragte mich der Hintermann..
„Richtung Montabaur.“
Da wollte er auch hin, denn es galt ein Outlet Center fertigzustellen. Fragte mich nach den Erfolgsaussichten. Der Landstrich ist eher karg, dörflich strukturiert, das Einzugsgebiet groß und mit Autobahn+ ICE Bahnhof ist Montabaur logistisches Zentrum . Das sagte ich ihm und schätzte gute Käuferzahlen.
Nun sehe ich: das Center ist eröffnet, Es nennt sich FOC. Sie strömen ein und ich rolle an ihnen vorbei. Die Fußgängerbrücke verbindet den Parkplatz mit den Geschäften von Bekleidungsfirmen im sub -150 Euro Segment. Ich tauche unter sie hindurch und erreiche die Tankstelle, an der ich mich aufwärme.
Seit gestern abend ist Krieg.
Diesel kostet 110cent per liter. Mein Nußnougatcroissant 140cent, mein Café250. Der junge Mann an der Kasse könnte mit seiner runden Hornbrille, dem Vollbart und dem hellblauen V-Neck Pullover auch im FOC arbeiten.
Ich erwähne kurz das Länderspiel im Stade de France. Daß man auf den Tribünen die Erschütterung der Bomben wahrgenommen habe. Vor allem, daß es nochmal gutgegangen sei .
„Ja, das Spiel habe ich auch gesehen . . „, sagt der junge Mann.
Und er schaut ungläubig , als ich ihm sage, die Katastrophe sei ja gerade noch vermieden worden.
„Die Männer mit den Sprengstoffgürteln wollten doch ins Stadion rein . . .“
…???“.
Schön, daß wir drüber gesprochen haben.
Ich will seine Tätigkeit im Dienste der Phillips Conoco nicht weiter stören, denn der Durst der Autos, die ihre Fahrer zum FOC bringen ist heute groß.
Die Wolkendecke ist jetzt geschlossen. An Kreisverkehren und links und rechts am Straßenrand verstreut stehen meterhohe Damenpumps, verspielt bemalt, als hätte eine Schulklasse versucht, Claes Oldenburg und Jeff Koons zu übertreffen.
Vielleicht hat ihre Aufstellung der Mann angeordnet, den ich im Stau sprach. Vielleicht war es ein Geschenk von Jeff Koons ? Denkbar ist alles.
ich ziehe weiter über die windigen und nun endgültig novembernassen Höhen des Westerwalds. Ich denke an die Flüchtlinge im Auffanlager Limburg, für die man hier Fahrräder sammelt, ich denke über eine Möglichkeit nach.
Eine Möglichkeit, an die nicht einmal Frau Merkel gedacht hat.
Die Möglichkeit, daß die willkommenen Flüchtlinge einen cordon sanitaire bilden, der uns in unseren Einkaufszentren davor bewahrt, weiche Ziele in einem neuen Krieg zu werden.