April 2016 Col du Soulor, von der Nordseite
Der Soulor ist kein Unbekannter, in den Pyrenäendurchquerungen der Tour de France kommt er seit Beginn der Zeitrechnung vor. Der Soulor ist ein Paß, auf den drei Wege führen . Da die bekannten zwei Wege entweder als Vorspeise oder Nachspeise zum Aubisque gefahren werden, bleibt der schöne Paß ein wenig im Schatten seines großen Bruders. Die Nordseite wird seltener befahren, auf dem Programm der Tour ist sie seit 1910. Mal sehen, ob sie bei quäldich zu finden ist.
Aha: hier. https://www.quaeldich.de/paesse/col-du-soulor/
Die Zahlen sind deutlich: die Variante von Norden befährt nur jeder Siebte . Das ist schade, denn sie ist einfach wunderschön. Es sollte natürlich ein schöner Tag sein, so ein richtiger Sonnentag im April. Denn im Frühjahr es schneit noch oft in diesem Gebirge-und dann geht oberhalb von 1000m nichts mehr.
und so kam es: ein Tag, an dem die Sonne ein Loch in den Himmel brannte und ich in Louvie-Juzon eine frische Tube 50+ Sonnencrème öffnete. In Gan hatte ich mir noch ein kräftiges Baguette gegönnt, die Wasserflasche würde ich unterwegs nachfüllen und nun,
so 13hGMT stand das Snel in Sichtweite der Kirchturmuhr. Zum Glockenschlag auf!
Bis Asson 17 wellige km über eine schöne, sparsam befahrene Departementale, die weiter nach Lourdes führt. Nach einem kurzen Anstieg verläuft sie zwischen Wiesen und Höfen sehr angenehm, überrascht hat mich ein Hof, der Pyrenäen-Mohair anbietet.
Mitten in Asson (eine Kreuzung) dann geht es rechts ab ins Tal nach Ferrières, die Bergwand am Horizont baut sich eindrucksvoll auf, der Schnee auf der obersten Galerie glänzt eisig. Es ist klar, wohin die Reise geht. Auf den folgenden 15km weht ein frisches Lüftchen – unten rauscht – mal näher mal ferner – der Fluß, der das Tal geschaffen hat. Spätestens am Anstieg werden die Muskeln warm sein. Ich lasse ihn in Ruhe auf mich zukommen, genieße das neue Licht.
Das Tal schnürt sich allmählich zu, einige Sportler kommen mir entgegen: der Paß ist also offen. Zu sehen ist er nicht, nur der Höhenkamm dahinter, der Soum de Grum, zeigt sein kristallines Zuckerhaupt.
Ein grünes und waldiges Tal, durch das einmal eine kleine Bahnstrecke führte, die jetzt teilweise als Gabelung überteert ist. Heute , am 2. April 2016 sind die Sträucher noch kahl; nur die Felswände, die jetzt näher rücken spenden Schatten. Verstreute Höfe, kleine Dörfer. Keine Skilifte oder Massenunterkünfte : fast wie 1910.
Ganz selten rauscht ein ungefilterter Diesel Pickup oder Fourgeon vorbei, Autos, die man braucht, wenn man dort oben ein paar Weiden hat und nach seinen Eseln oder Schafen sehen muß.
In Ferrières nimmt die allerletzte Nische des Tals ein. In Kilometern gerechnet ist über die Hälfte geschafft. Mit einer Rechtskehre beginnt der wirkliche Anstieg und wer sich umsieht, wird Ferrières langsam kleiner werden sehen.
Es geht durch einen dichten Wald, der steile Abhang rechts ist von kleinen Pollern „gesichert“. Anstieg: mal mehr, mal weniger, aber immer unter den bösen 10%. Die Luft ist wunderbar frisch, der Blick schweift frei durch den Wald und über die Schlucht. Der Sauerstoff wird gebraucht. Dann dreht die Strecke südwärts um den Hang und gibt den Blick auf die Höhenzüge Stück für Stück frei.
Schräg vorne der Soum de Grum, daran anschließend den Grat, der den Cirque du Litor einfaßt. Er strahlt heute überirdisch weiß in einer Sonne, wie ich sie selten erlebt habe: ungefiltert gleißt sie in alle Richtungen, legt wirre Muster über den Weg. Der Himmel ist ein blass leuchtendes blau, eine gigantische, ultraviolette Kuppel. Der Wald wird dünner, die Straße führt langsam auf Arbéost zu, einem Weiler von einem dutzend Häusern.
Von dort erkenne ich ganz hoch und klein in 3Uhr die Paß-Hütte des Aubisque und Schneeschleier, die der Wind über den Kamm bläst. Darunter als weiße Linie die Straße zwischen Soulor und Aubisque, die auf Geheiß von Kaiserin Eugenie in den Fels gesprengt wurde. Dort liegt also Schnee.
Hinter Arbeost geht es spürbar steiler hinauf , um den Hang herum zu einer Alm über 1000m mit verstreuten Hütten. Die leere Hülle eines Peugeot 205 blickt über die grünen Matten auf den Aubisque gegenüber, solange, bis seine letzten Rostkrümel vom Regen ins Tal gewaschen worden sind .
Noch immer 5 oder 6km, es fühlt sich steiler an jetzt. Luft habe ich genug, aber die Kraft will ausgehen. Ein langer Anstieg läßt sich nicht simulieren, dazu noch der erte im Jahr.
Der Firn ist erreicht, zur Abwechslung Wiegetritt, Hin- und her schalten, Rhythmus ändern. Die Baumgrenze liegt hinter mir, nur noch Gras, Geröll, Schnee und das Gurgeln des Schmelzwassers. Der Cirque du Litor rechterhand ist eine majestätische Ablenkung von der steinigen Öde, die ich hinaufkrieche. Geier sehen mich kreisend von oben an.
Ein letzter Vorsprung und der Soulor zeigt sich, nachdem er so lange Verstecken gespielt hatte. Und nach über zehn Kilometern ohne Motorklang ruft mich das Geräusch eines luftgekühlten Boxers. Da ! ein makellos restaurierter 912er Porsche rollt ab.
Nur wenige Wohnmobile auf dem Paß, daneben Frauen und Kinder, die ihren radsportelnden Vätern entgegenlaufen um sie ehrenvoll zu empfangen. Dafür machen wir das!
Auf mich wartet außer dem Schild : „Col d‘ Aubisque -fermé“ vor allem ein heißer Kakao in der kaminwarmen Stube. Dann noch ein Café, nur das Brot ist leider alle. Ich zücke meine letzte Honigwaffel und spüre, daß ich langsam wieder warm werde. Da war nicht mehr viel im Tank.
Die Handvoll Radfahrer hier haben fast ausnahmslos den Ost-Anstieg aus Argelès Gazost genommen und werden nun „meine“ Nordseite (D 126) hinunterfahren und dann nach Lourdes abzweigen. Einen solchen Paß früh im Jahr bei angenehmen Bedigungen zu fahren ist schon großes Glück, rein sportlich gesehen. Landscape-weise ist es die Ursprünglichkeit der schmalen Straße, die man dem Berg abgerungen hat, die kleinen Dörfer und Gehöfte… das Bild einer Zivilisation vor der Wegwerfgesellschaft.
Mit dem gesperrten Aubisque bleibt für die Weiterfahrt keine Alternative. Ich kehre um und folge in einigen Minuten Abstand einem Paar auf Carbonrädern. Die schlichte Eingelenker Bremse meines Snel reicht für mein Tempo aus und dem Stahlrahmen (vor allem der Gabel)! habe ich zu verdanken, daß mir auf dem rütteligen Geschwindigkeitspassagen nicht der Lenker aus der Hand geschlagen wird. Nicht unwichtig, so ein Detail.
Bei Ferrières errecihe ich das Paar wieder und werde den Rest des Tals mit zwei Provencalen im flotten Tempo durchziehen. Die letzte Stunde hat geschlagen, es ist angenehm hier unten und die ersten Sträucher blühen. Jetzt bin ich leer, so richtig leer, aber auch am einladenden Marktplatz von Bruges raste ich nicht, denn vielleicht ist das kleine Radmuseum noch geöffnet, was ich mir aufgehoben hatte für zuletzt.
Traurig aber wahr: Geschlossen und fort; die Eigentümer haben den Mietverrag für die schlichte Hall of fame der Tour de France Räder nicht verlängert. Die kleineStelle, wo der Eingang war, ist zugemauert.
35km später betrete ich den Super U- markt von Gan. Kurz vor der Schließung (20h) bin ich nicht der letzte, der hier schnell noch Kalorien sucht. Ich finde meine liebste Kalorie: das blaue Chimay. Die Leut‘ hier wissen schon was schmeckt
Na das war wohl ein schöner Tag!