Die Welt um mich wird immer grüner, die Sonne scheint jetzt 16 Stunden am Tag. Die große Zeit für alle Fahrten durchs Land. Rechtzeitig zur Sonnenwende habe ich Gelegenheit, in einem kleinen Programmkino im Aartal, den Film über die größte/älteste aller Fahrten zu zeigen. Zu unserem Glück hat einer der Protagonisten, Claus Czycholl auch in der neuesten Ausgabe der Tour ein wenig Werbung zum Thema gemacht. Vorschuß auf die Vorführung, wenn auch rein zufällig.
Brevet wurde schon im norddeutschen Fernsehen ausgestrahlt und die DVD ist seit Beginn des Jahres im Handel. Ein Filmteam machte sich (meines Wissens zum ersten mal) auf, Paris Brest Paris sozusagen abendfüllend und in hoher Auflösung live abzulichten. Drei Randonneure wurden dafür ausgesucht und ihre Reise in den äußersten Westen des Nachbarlandes nacherzählt.
Ich drehe indes weiter meine Runden, heute auf dem grünen Krautscheid, um mich endlich wieder der Herausforderung einer längeren Fahrt zu stellen. Auf mich wartet am nächsten Wochenende der Schwarzwald und Oberschwaben, eine Gegend, die ihre 400km allemal wert ist.
Krautscheid grün und Navi werden also wieder eingefahren, der Sattel zuvor mit Lederfett eingestrichen. 400km um den Bodensee erfordern zwar nicht allzuviel Gepäck, aber die Distanz ist eine Respektgröße, es ist der Brevet, bei dem fast traditionell am längsten ohne Schlafpause gefahren wird. Einige schaffen auch 600km ohne Schlaf, jedoch nicht, ohne im Jahr schon sehr viele km „auf der Uhr“ zu haben.
Für das Publikum des Films, das wahrscheinlich nur zum geringen Teil aus Randonneuren bestehen wird, ist der Schlaf, beziehungsweise die Schlaflosigkiet wahrscheinlich die eindrucksvollste Größe, neben der schieren Streckenleistung eines Brevets. Brevets aber sind Steigerungen des Möglichen. Denkt man anfangs, 200km seien schon ein endloses Stück Arbeit, ein Lebenswerk, belehrt einen der Körper irgendwann eines Besseren.
Schon der Randonneur-Urahn de Vivié, genannt Velocio, war der Ansicht, ein gesunder Mensch könne 300km täglich radfahren. Tatsächlich kann der Körper eines trainierten Erwachsenen das auch, er muß allerdings auf solche Ziele hinarbeiten. Vor allem muß er sich ein solches Ziel selbst vorher formulieren. Das ist die Grundbedingung. Dann, wenn es einmal über 200km gegangen ist und man erstaunt feststellt, daß man immer noch lebt, merkt sich der Körper diese biographische „Marke“ irgendwie. Es geht weiter.
Beim nächsten mal gibt es vielleicht nicht einmal ein physiologisches Tief und dann sagt man sich 200?, 300!, 400!!, und schon ist es geschehen. Einmal rund um die Uhr auf dem Rad, das ist schon ein Erlebnis für sich, fast immer ein sehr starkes, weil die Natur des Radfahrens den eigenen Biorhythmus verdrängt. Die stete Bewegung, Zufuhr mit neuem Sauerstoff und nicht zuletzt frischen Eindrücken von der Welt um uns hält auf Trab, hält wach.
Toskana, Ostsee, Schwarzwald oder Paris-Brest: Ich kommt als ein Anderer zurück
Grüße an das grüne Krautscheid!
Roll on, Danke!
Prinzipiell würde ich mir (als nicht gesundem Fahrer) auch noch zutrauen, 200 km am Stück zu fahren, aber neben den Beinen muss auch der Hintern wieder an längere Strecken gewöhnt werden. Da hatte ich zuletzt bei Strecken um die 100 km manchmal schon Probleme. Interessanterweise eher beim Zu-zweit-fahren, vielleicht lenkt mich das zu sehr ab von nötigen Sitzpositions- und Tempowechseln, die ich beim Alleinefahren unbewusst mache.