– habe Rüsselsheim nicht gesehen, nur gestreift. Der Startort für die Opel-Radtouristik ist eine Schule am Waldrand in einem Vorort von Rüsselshaim. Ein angenehmer Flachbau, in dessen Eingangshalle zwei Räder ihren festen Platz haben: ein Pinarello mit Tourenlenker und ein Hochrad. 7h08.
Zuvorkommend und hilfsbereit: der Opel-Club hilft mir sogar, die Startnummer anzuheften. Die 150km Runde führt südwestlich in den Odenwald, es ist mild und feucht, Gewitter liegen über Deutschland und der Wetterdienst hat im Grunde die gesamte Mitte zum Unwettergebiet erklärt. Wir gehen die Wette ein und wünschen den Veranstaltern alles Gute.
Gleich zu Beginn schließe ich mich einem Triathleten an, der etwas über meinem Tempo fährt. Einfach sehen, wie lange so etwas gut geht, denke ich mir. Es geht und es bleibt schön flach. Wir rollen ein.
Zum ersten mal sitze ich für eine Ü100 Runde auf meinem Billato/ Edi Strobl. Edi Strobl ist ein Radhändler aus München, der seit den 70ern den Radsport betreute und eine gut beleumdete Werkstatt unterhielt (immer noch).
Räder importierte er (u.A.) von Grandis oder ließ sie (wie in diesem Fall) von Meistern ihres Fachs löten. Billato aus Padua war ein solcher. Das Rad dürfte aus dem Jahre 1985/6 stammen und hat alle für seine Zeit wichtigen Neuerungen: Aerozugführungen und gerasterte Schaltung und den steifen SLX Rohrsatz von Cinelli. Sogar der Schaltzug geht durch die Kettenstrebe. Das Rad ist tiptop und aus erster Hand, Zeit also, es richtig zu bewegen.
Am Ende der Ebene liegt Darmstadt. Wir streifen den Park der Mathildenhöhe , die Villen der Kolonie erinnern mich stark an Berlin-Dahlem, Dividenden der Gründerzeit. Ich verstehe die Hanglage: hier ist die Luft besser als tiefer unten im Rhein/Mainbecken, dem Kessel von Frankfurt, einem Ruhrgebiet ohne Stahl und Kohle – dafür aber mit viel Kerosin in der Luft. Für uns geht es aufwärts.
Nach den ersten Kontrollen geht es wellig weiter und wird ländlich, der Odenwald gefällt. in den Ortskernen ist das Fachwerk häufig noch erhalten, wo es ja häufig aus Feuerversicherungsgründen, vielleicht auch wegen des Erhaltungsaufwands nach dem Krieg verputzt wurde. Nette Kontrolleure lächeln uns an .
Inzwischen bin ich wieder mit dem Triathleten vom Beginn zusammen, mal lasse ich ihn ziehen, mal er mich. Falte um Falte arbeiten wir uns vor, die Bremsen haben einiges zu tun. Team -Building.
Das Publikum ist eher spärlich verstreut an diesem Sonntagmorgen. Die Anstiege führen in angenehme Wälder, deren Terpene würzige Luft spenden. Der Atem geht tiefer, ich spüre in den Beinen das Tempo aus den Flachstücken, aber so bis zum 80. km ist alles harmlos.
Nach der dritten Kontrolle (Brensbach) , an der die reichlich vorhandenen Tuc -Kekse den Salzverlust ausgleichen, wird es dann kernig. In mehreren Etappen wird die „difficulté du jour“ angegangen. Neunkirchener Höhe wird sie (glaube ich) genannt.
Erst geht es durch üppige Wiesen zwischen Obstbäumen über kleine Wege hinauf, die Gesichter werden langsam rot, hin und wieder kann ich die Muskeln auf kurzen Abfahrten noch lockern. Die Luft ist schwül geworden.
Ganz deutlich erinnere ich mich an ein kühleres Waldstück, in der die Stinkmorchel den willkommenen Schatten negativ besetzt. Dann die Sensation des Tages. Ein gelbes Trikot begleitet uns kurz und dann fährt der ältere Herr aus unserer Gesellschaft locker hinaus. Für ein kleines Andenken schaffe ich es gerade noch, an ihn heranzufahren:
Das Paket aus Muskeln und Sehnen fährt einfach davon, während wir immer wieder unseren kleinsten Gang suchen. Als dann endlich die Höhe im Wald erreicht ist, bin ich sehr sehr dankbar.
An der nächsten Kreuzung plötzlich die Fahrer der 100er Runde, im nächsten Dorf die ersehnte Kontrolle an der Tankstelle. Wasser! Eine Menge Triathleten; die top models des Radsports, geben sich ihr Stelldichein. Perfekte Räder, maßgeschneiderte Trikots und makellos rasierte Beine werden im Bild festgehalten.
Aber dort erkenne ich noch den kernigen Kletterer von eben. „Wie lange treiben sie schon Radsport?“ frage ich ihn.
Seine Antwort: „50 Jahre.“ Ein Mittsechziger zeigt mir, wo der Hammer hängt.
Erst geht es bergab, hinunter ins Ried und dann endlos in der Hitze geradeaus, immer auf dem Randstreifen, bis die nächste Ampel kommt. Für Triathleten in ihrer merkwürdig embryonalen Haltung ist das offenbar das natürliche Umfeld, sie scheinen mit dem heißen Asphalt verschmelzen zu wollen und verschwinden im Hitzeflirren der Landstraße als verflüssigte Spiegelungen. Bald ist der Frankfurt-Triathlon, erklärt mein Vormann. Und der dient als Qualifier für Hawaii, darum fahren hier so viele mit.
Wie gut es ist, sich mit jemandem abwechseln zu können.
Noch einmal Wasser fassen, schon wird die Häuserlinie der Opelstadt sichtbar. einmal sehen wir das gelbe Trikot noch (von weitem). Zurück in den Wald, zur Schule, Händedruck.
einen letzten Stempel abholen, Rückennummer abgeben und froh sein, daß es so geklappt hat. Alle sind erleichtert über den gewitterfreien Ritt, die Fahrer, die netten Veranstalter, mehr will man dann nicht – doch: noch 1 gutes Bier und nen vollen Teller.
Notiz von der Rückreise:
Ohne einen Opel bemerkt zu haben verlasse ich Rüsselsheim, aber auch ohne wirklich Rüsselsheim gesehen zu haben – nur die Freundlichkeit der Opel Gastgeber.
Kurz vor dem Gewitter des Tages bei Idstein, (3 ICEs stehn im Gleis) überhole ich diesen antiken Bus, auf dem Porsche Renndienst geschrieben steht. Nur zwei Tage später sehe ich ihn an der Ecke beim Luxusgebrauchten-Händler. Er trägt bereits ein holländisches Nummernschild und wird den Lahnkreis verlassen . . .