Bei den englischen Randonneuren gibt es eine schöne Sitte: viele ihrer Routen tragen charakteristische Namen: der Oxford poor student, Dunwich Dynamo! der Andy Chapman memorial, die Wild Atlantic Ways usw. . . .
Dem Koblenzer (ultra) Marathon beispielsweise stünde ein klangvoller Name gut. Wieviele Engländer auf europäischer Tour , der hier geschätzte William Mallord Turner voran, haben ein Leben lang von Ihren Erinnerungen an Rhein und Mosel gezehrt. …. (und bald wieder?)
Der Bund Deutscher Radfahrer hat die Kategorie Radmarathon entdeckt und einen schönen Leitspruch gefunden: Radeln, bis die Seele jubelt. Gerne ! Es ist erst 6 Uhr, das Wetter ist mild, vielleicht sogar kühl für einen Julibeginn, also bleiben die Ärmel lang. Stimmung :ruhig, freundlich, ein Hauch gedämpft; auch Radsportler dürften den gestrige Nationalsieg (in der Randsportart Fußball) gefeiert haben. Italien ist nun weit.
Nummer um den Rahmen und ab in die Felder. Sport frei. Die reifen Kirschen lasse ich schweren Herzens links hängen, sanft steigt es an, das Rauschen einer Autobahn ist zu vernehmen und dann geht es schon hinunter ins Moseltal. Allein viermal steigt die Strecke aus dem Flußtal wieder hinauf auf die Höhen ringsum
Oberfell, Boppard, Brodenbach, Burgen, die vier Anstiege des Vormittags. Bei Boppard wird der Rhein kurz gestreift und in diesmal nehme ich mir Zeit für das Aussichtsbild. Nur für den Sonnenstrahl hätte ich zu lange warten müssen.
Runter und wieder rauf.
Auch der dritte Anstieg von Broden aus geht in Ordnung, der Rhythmus stimmt und ich kann erneut nicht wiederstehen, die Gazelle vor dieser atemberaubenden Aussicht zu fotografieren, an der drei Bänke auf den Ansturm der Wanderer und des nächsten William Turner warten. Kein Geräusch dringt hinauf , – gleich werden die weichen Bremsbeläge ordentlich zubeißen: in in zwei, drei Serpentinen führt ein Wirtschaftsweg steil durch den Waldhang zur Mosel hinab, ohne Gefahr von Gegenverkehr, direkt in die Einfahrten der Weinwirtschaften ( die zum Glück noch geschlossen sind).
Im folgenden Anstieg erste Gruppen anderer Fahrer, Vereine und Solisten, die wie ich die Sonne im Tal genießen. Eine recht unvermittelte Rampe führt aus dem Wald hinaus zum ersten Dorf im Hunsrück. Macken, Altes Feuerwehrhaus. Zeit für die zweite Kontrolle.
Denn Anstieg vollenden, danach hat der Wind das Sagen und beginnt sein kräftezehrendes Werk auf dem Hunsrück-Höhenweg. Es riecht nach Heu und Getreide. Immer wieder Wellen und kleine Täler, nischen, in dem wir dem steifen West entkommen.
Auch von drüben, ultra Mosella, grüßen munter drehende Windräder. Heute nachmittag sehen wir uns!
Ruppige Ortsdurchfahrten, gekörnt, schrundig, löchrig. Eine federnde Stahlgabel und der gp-Classic von Conti sind hier von Vorteil.
Eine kleine Gruppe schließt zu mir auf und fragt nach einer vorausfahrenden jungen Dame. Warum habe ich niemanden gesehen? Bin ich schon so abgestumpft? Gemeinsam nehmen wir die Verfolgung auf und bleiben bis zum Bäckerbrunnen von Sosberg (3 Erdfalten weiter) zusammen.
„Da ist sie“ raunt mir mein Mifahrer zu, während er sich am Quellwasser labt.Nein, dieses Trikot, das von Ferne an Super U erinnert habe ich nicht wahrgenommen. Ich fahre dagegen Schmalzstullen und Käsebrote ein, als gäbe es bis ins Ziel keine Kontrolle mehr und staple Prinzenrollen zum Dessert. „Mein Pulsmesser hat eben 160 gezeigt!“. Von der Verfolgung erschöpft, und weil es Zeit für Regenjacken wurde, zerfällt die kleine Gruppe gleich nach der Rast und ich schließe mich
eine Art etixx-quickstep fanclub von drei weiteren Herren an. So sehen Profis in voller Teammontur aus.
Es ist 12h mittags. Regnerisches Showdown zur Mosel hinunter, nach Treis Kaden. Dann übersetzen auf die Nordseite des Flusses und weiter daran entlang. Die Gruppe lässt mich ziehen, dabei rollte es so schön: dankendes Nicken.
An der Mosel lang. Mittelkühl,feucht: Alle halten die Nase gern in den Wind.
Etwas über Halbzeit . Nach der nächsten Kontrolle, direkt auf einem Lastwagenparkplatz an der Mosel, wartet der Formtest: der Müdener Berg. Nur ist heute die Luft frisch und reich an Sauerstoff und vor allem gerne 20 Grad kühler als im Vorjahr und im Jahr vor dem Vorjahr. In einem Steilhang zählt das. Dieser Berg ist das Muster eines Weinbergs: volle Südlage, anfangs steil und vom Ortsausgang Müden bis zur Kante bebaut.
Nach dem recht strammen Ortsdurchgang sinken die Steigungsprozente wieder unter 10, das Problem liegt eher im Rhythmuswechsel, denn die letzten 20km verliefen flach bei vmax. Aber es geht, ich platze nicht, fahre fast locker und bedanke mich bei der Wolkendecke. Der wirkliche Kampf beginnt oben, wenn es ins Maifeld geht.
Die Beauce ist ein beinahe baumlose Fläche zwischen Chartres und Chateaudun. Die Kornkammer Frankreichs ist hunderttausende Hektar groß, aber der TGV braucht zwischen Orleans und Paris nur eine halbe Stunde , um sie zu durchqueren. Das Maifeld ist die Beauce der Eifel – ebenso körnig. Leider aber nicht so flach und vielleicht etwas windiger, kälter sowieso. Eine Bahnstrecke gibt es nicht, es ist ein einsamer Kampf: oben gegen den Wind, dann der Absturz in namenlose Bachtäler und gleich hinauf durch die kleinen Dörfer am Hang. Dünfus, Wirfus, Landkern, soweit erinnere ich mich, von Windrädern umstellt, am Unterlenker. Einzige farbige Kleckse : Pfeile der Streckenführung.
Der Horizont gibt unmißverständliche Zeichen. Schnell hinab in die Deckung. Schotterpassagen, enge Knicks, der Pommersbach, 1mal steil hinauf und dann , kaum wieder oben, eine ordentliche Prise; es prasselt so hart auf den dünnen Windbreaker, daß ich erst an Hagel glaube. Mit der nächsten Kurve drehe ich aus dem Wind. Der Regen hat plötzlich nachgelassen – .oder verfolgt er mich nur? Beißen also .
Ich versuche, schneller als der nächste graue Wolkenwolf zu sein. Conti, der Regenreifen. Die nächste Kontrolle ist ein Friedhof, ich erinnere mich noch genau an den Wasserhahn neben der Mauer, den Schatten und die erbarmungslose, marternde Hitze im letzten Jahr – das hilft jetzt. Heute stehen die beiden Kontrolleure im Lieferwagen und bedienen mich leicht besorgten Blicks von der Ladefläche aus mit Cola. Der nächste Fahrer kommt, ihm ist kalt. Sie haben noch Brote und Waffeln:gebt sie ihm!
Mir ist nicht kalt, die Wolle hilft; ein gutes Zeichen – Weiter!
Aus dem Dorf (freundlich grüßt blauäugig hinter der Brille die Oma im blauen Strick) über die Höhe ins freie Feld, Wind von halbrechts, feucht. Das Summen der Rotoren, die gelbe Gerste, die im letzten Jahr schon geerntet wurde. Feldwege: ein kleiner Wagen überholt und besprüht mich bräunlich. Die Aussicht geht über die weiten Felder bis Münstermaifeld und dahinter liegt irgendwo die letzte Kontrolle, in 30 km. Das Elzbachtal wartet.
wenn ich denn das Elzbachtal geschafft habe. Schilder warnen. erstmal hinab ins Gestrüpp – Dangerous bends ahead! Das Regenwasser strömt aus den Feldern, Erde wird mitgespült. Die Bremsen. Erst nichts, null Druck, nur Wasser, dann schleift das Gummi die Felgen langsam trocken und schließlich, wenn es leise quietscht ist die Bremsleistung da. Seit heute morgen sind sie ganz schön runtergeschliffen, die schwarzen Gummiklötze.
Das Wetter arbeitet am Waldweg, die Wurzeln von unten, Frost von oben. = holprig; lauter kleine Aststücke, ich lasse die Bremse nicht mehr los, irgendwo hinter der Ecke wartet die schmale Brücke mit dem Eisengeländer Überall Schlamm auf der Brücke: das, was von der letzten Flut übrig ist.. Noch auf der Brücke Umwerfer vor!, Schalthebel langsam zurück, zäh, der Regen hat die Züge blankgespült, 3,2,1, jetzt liegen die 25 Zähne auf. Und Wiegetritt. Der Gang bleibt drin, die erste Rampe ist scharf und die Oberschenkel vom Regen kaltgepeitscht. Als ich mich setze spüre ich es. An der ersten Kehre ist der Schmerz bezwungen, ich denke an die Pyrenäen, an zwei, vielleicht drei Pässe pro Tag und das die Osteifel nur ein Übungsgelände ist. Ich rolle also existiere ich!
Penultimo: nach der allerletzten Kontrolle: Die Wolken bleiben hinter mir und vor mir und lassen ein herrliches Sonnenloch übrig. Allmählich senkt sich die Hochebene auf den Rhein zu, vorebei am Goloring. Jetzt mit Rückenwind im höchsten Gang das dramatische Panorama von Starkregen über dem Westerwald genießen.
Und bei der Prämie haben die Koblenzer Wort gehalten: halbtrocken im Wortsinn. für Diese tolle Runde, eine der schönsten weit und breit braucht noch einen richtig guten Namen. So long.
Nachwort: die 200er Taufe des champion mondial.
Auch wenn man ein Rad schon oft gefahren ist, so richtig vertraut wird es erst jenseits der 200km. War es der Rahmen oder waren es die Reifen? Was mir bei diesem Ritt über die Hügel, Dörfer und verstecketen Feldwege gefallen hat, war der Komfort des Rades. Nie wurde ich hart durchgeschüttelt, es waren immer good vibrations wenn es über die schönen, aber rauheren Passagen unseres Landes ging. Kein Kribbeln in den Händen, keine Sitzschmerzen, einfach eine gute Position. Die Suntour cyclone Bj 1978 ist eine sehr hübsche und sehr leichte Schaltung, ganz leicht macht sie es einem aber nicht, da die Schaltabstände sehr eng sind. Das parallelogramm reagiert also sehr empfindlich auf Hebelverstellungen, verlangt einige Übung, dafür geht es sehr schnell en Kranz rauf oder runter, was wohl auch der Sinn einer Rennschaltung ist.
Das gebe ich den eroica Limburg Teilnehmern (75 Euro Startgeld) auf den Weg, falls sie auf dem Teilemarkt eine cyclone erworben haben.
Herrlich! Du hast mich entführt in Hunsrück und Moseltal, in die Weinberge, die knackigen Anstiege… Und das Wetter: halbtrocken – schmeckt aber wohl auch ganz gut, wie ich lese, und die Gazelle federt wie sie soll. Das können die alten Stahlteile unvergleichlich gut. Mein Colnago beweist mir das immer wieder.
Wie immer Dank fürs Mitlesen. Ich freue mich dagegen auf die Sage vom Tausender im hohen Norden, die Krönung der Randonneurssison. Viel Glück allen (Groß)Berlinern.
Heute habe ich die Kollegen beim Sturmritt 1000er nur auf dem ersten Teil begleitet. Nächste Woche wird es ernst bei der DCT – Dutch Capitals Tour, 1425 km. In der Heimat der Gazelle-Räder.
oha!
Gutes Gelingen wünsche ich. Es wird warm, aber eher mild. Windig immer (Nordwest).
75 Euro wäre mir die Limburger Veranstaltung durchaus wert gewesen, nicht aber, mir eigens für die Bezahlung noch ein PayPal-Konto zu erstellen. Es wäre letztlich auch mit Presseticket gegangen, aber dann war der Mitfahrer verhindert, und das Wetter lockte auch nicht wirklich, so gab ich dann doch dem Familienprogramm den Vorzug.
Für Dein Pyrenäen-Vorhaben war der Marathon rund um Koblenz sicher die bessere Vorbereitung.
Jede RTF in einer schönen Umgebung wäre ein besseres Vorhaben. Sosehr ich die Toskana und ihre gelebte RadKultur genießen konnte, sowenig Verständnis habe ich für eine fake-retro veranstaltung, die mir allenfalls als Markt für Ersatzteile und/oder showcase anderer alter Räder dienen würde. Völlig kostenfrei.
Da unterstütze ich lieber die rührigen Radvereine in 100km Umgebung, die mit viel personellem Aufwand mehr Sport bieten. Die sind es, die den Zuspruch brauchen, da sollen die alten Räder rollen!
Ich würde RTFs und die Eroica-Ableger nicht grundsätztlich gegeneinander ausspielen, das hat m.E. beides seine Berechtigung. Die alten Räder sollen rollen, wo sie wollen, und ich sehe (hier zumindest) nicht, das sich die Szene total separiert mit der Folge, dass gar keine Stahlradler mehr bei RTFs mitfahren. Soweit ich das hier sehe, ziehen die Retro-Runden auch nicht zu knapp Leute, die ansonsten keine RTF fahren würden, aber vielleicht kommt mancher, die mal die Klassikerausfahrt oder ähnliches ancheckt, mal auf die Idee, sich auf einer RTF zu erproben.
Nix gegen die Klassiker Ausfahrten, das ist der richtige Appetizer. In NL/B gabs ja auch schon mehrfach het stalen ros mit Teilebörse, mithin einen etablierten Markt. Nur sehe ich den Einstieg in den Sport dann wirklich bei den traditionellen RTFs, die in NL glaube ich toertocht heißen. Wenn Veranstaltungen von lokalen Radsportvereinen ausgehen, gibt es auch gute Anschauungsbeispiele. Die Vereine werden unterstützt und man hat auch sportlich etwas davon. Bei den eroica Ablegern läuft das (s. nächster blog) eher anders: Sammlermärkte, die eben wie andere Sammelgebiete funktionieren
Jazz isn’t dead it just smells funny!
Ich weiß nicht, das klingt mir zu, wie soll ich sagen, verbittert. Wenns den Leuten in Limburg gefallen hat, kommen sie nächstes Jahr wieder, wenn sie die Veranstaltung als Abzocke oder als sonstwie nicht das Wahre erlebt haben, werden sie’s bleiben lassen. Bei allem, was die Teilnehmer und Interessierten da im Detail kritisieren, ich finde diese Sportromantik nach dem Motto, nur bei bodenständigen RTFs werde ehrlich geschwitzt, leicht übertrieben. Natürlich ist die Eroica mit ihren Ablegern irgendwo eine synthetische Veranstaltung, aber hey, das war die TdF seinerzeit auch.
Na klar, wer sich in seinen Erwartungen getäuscht sah, wird nicht wiederkommen. ich will nur nicht ,daß sich Leute falsche Hoffnungen machen – tun sie vielleicht auch gar nicht. Dem Carbon-Fred der Stahl-Fred, warum nicht.
Sollte man das Radfahren aber um des Radfahrens willen entdecken wollen, gebe ich hier gern Empfehlungen weiter, wo die Lernkurve funktioniert, bzw. bei mir funktioniert hat und wo nicht. Ehrlich schwitzen kann man auch im Spinning Studio und da bin ich gerne Sport-Romantiker. Ich bin sogar bekennender Sport Romantiker weil ich ja immer hoffe, es würden noch großartigere Dinge kommen. . . .
Unter der Prämisse „das funktioniert für mich und jenes eher nicht“ hast Du natürlich völlig recht, dass es eine Limburg-Eroica (für Dich) nicht braucht. Aber Du bist halt auch, wenn ich das mal so offen sagen darf, ein Spezialfall. In dem kleinen Teil meiner Timeline, der dort war, gab es allenfalls Kritik an ein paar Details, die Veranstaltung an sich wurde jedoch grundsätzlich bejaht. Die Leute merken schon, dass das ein etwas anderer Zirkus ist, und die wenigsten werden das in der Form jedes Wochenende haben wollen, aber so bisschen Phantasialand ist halt mal ne nette Abwechslung zu den Spielplätzen mit Schaukel, Wippe und Sandkasten in der Nachbarschaft.
Als Abwechslung zum DIN Spielplatz am Wochenende: verstanden. Aber wofür dann die Startgebühr zahlen. Als Holländer frage ich doch immer nach dem Gegenwert. Das würde mich dann interessieren, worin der für die „Timeline“ besteht.
Kann ich per Ferndiagnose nicht beantworten, aber aus der (erstaunlichen) Tatsache, dass die Höhe der Anmeldegebühr bei nur sehr wenigen Wortmeldungen ein Thema war, könnte man schließen, dass das nicht das Riesenproblem war. Ich hörte Beschwerden über das teilweise zu grobe Geläuf, das Bon-Procedere an der Pommesbude und so paar Sachen, aber ansonsten dominierte die Auffassung „gerne wieder“. Und das auch von Leuten, die het stalen ros, die Retro-Ronde und all die anderen Mittelaltermärkte der Region kennen.
Ich kann aber gerne nochmal genauer nachfragen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.