Die Straßenkarten sollte ich einmal zusammensuchen, denn langsam wird es Zeit.
Den genauen Zeitpunkt des Starts bestimme ich selbst, denn ich bin allein unterwegs, angwiesen auf meine Muskeln und das alte SNEL. Raid Pyrénéen heißt das Jahresziel.
Der CCB (Cyclo Club Béarnais) hat mich mit ausreichend Informationen versorgt. Adressen und Telefonnummern gibt es reichlich, vielleicht sollte ich noch eine gute Plastikfolie finden, oder eine „echte“ Fotokopie machen: die verlaufen nicht bei Nässe.
Die gesamte Strecke passt auf drei große Michelinkarten. Auf ein GPS kann man verzichten, alles ist ausgeschildert – das ist das schöne an den Pyrenäen. Vielleicht auch noch, daß ich die letzten 300km ganz gut kenne.
Ich reise in die Zeit zurück. Da ich die Fahrt am Mittelmeer beginne, werde ich am ersten Tag verwunschene Orte wiedersehen, die ich zuletzt als Kind sah. Die Hitze in kleinen Reisebussen ohne Klimatisierung auf Serpentinen zu entlegenen Klöstern oder katharischen Trutzburgen. Wie damals werde ich viel kalte Orangina brauchen.
Dann geht über die großen, mythischen Pässen von Puymorens bis Tourmalet: zum kleinen Wegkreuz in Ste Marie de Campan, wo ich als 11jähriger den surrenden Maschinen hinterherblickte, die vom Paß hinunterrauschten. Der Moment, an dem ich mich infizierte. Radsport ist ein Virus und gleichzeitig seine eigene Therapie . . .
Die große Unbekannte ist die Kraft und wie ich sie einteile. Wie fühlt es sich am zweiten Tag, wie am Dritten an, wenn man Steigungen in Angriff nimmt, die man ausgeruht nur als milde Übung wahrnimmt? Und die Wetterbedingungen. Es kann sehr heiß und drückend sein und plötzlich in heftigste Gewitter umschlagen.
Die Hosen meiner Wahl trocknen. In den letzten Wochen habe ich meine Lieblinge ausgewählt. Bei den Hosen sollte man besser nicht auf einen Typ schwören – meine Meinung. Jedes Polster hat seine Druckstellen und Nähte an anderer Stelle: keine Hose, die ich nicht über zehn Stunden tragen kann.
Trikots müssen sich nach der Witterung richten. Von ganz leicht und kurz bis lang wird alles dabei sein. Nachts werde ich nur fahren, wenn es durch zivile Gegenden geht, am Ende vielleicht, wenn ich den kleinen Col d’Osquich hinter mir habe. Aber das ist noch weit hin
Gleich stöbere ich noch auf der Transcontinental Seite herum. Einige Teilnehmer schreiben ganz gute Berichte, die nützliche Hinweise geben: vor allem auf die Zwergenhaftigkeit der eigenen Unternehmung. Freitag, 22h geht es los zu der monumentalen Wettfahrt bis Galipolli, Schlachtendenkmal des ersten Weltkriegs – die Türkei war seinerzeit mit Deutschland verbündet, ein dort eingesetzter General trug sogar meinen Namen – sein Vorname war Liman, . – sonst nichts mit ihm zu tun. Das osmanische Reich ist zu weit weg.
Mein Zielort heißt Hendaye, ein ziviles Seebad, das sehr viele Spanier besuchen. Es beginnt mit einem langen, glatten Strand, der Platz für Zehntausende hat. Palmen stehen auf dem Boulevard. Mal sehen, wann ich dort bin. Ende August kann ich dann berichten.
Traumhafte Strecke, Wunderbares Abenteuer für Dich! Durch die Pyrenäen – wahrhaftig kein Zwergenabenteuer! Nicht allein die Distanz ist das Entscheidende! Saug es auf, genieße es, berichte! Ich freue mich drauf.
Viel Glück und tolle Erlebnisse!
Danke, Glück wird es brauchen!