9. August 2016, am Abend.
Meine Vorräte hätte ich also beisammen. Doppelt 15cm Pizza (eine für morgen früh) , Bananen, Orangensaft und eine schöne dicke Scheibe „pur Brebis“: legendärer Schafskäse von den legendären Schafen weiter oben . Mit einer Schinkenscheibe dazu wird das erste fette Baguette gebastelt . Es hilft genauso wie Cidre vom Fass aus dem bar les deux vallées, der schnell verdunstet.
Nachdem ich die Halle des Hotels l’Ardoisier (Schiefertafel) und ihre Ikonensammlung verlassen musste (es duftete so schön nach Abendessen), mache ich mich hinauf in den Paß, Richtung Gripp. Drei oder vier Kilometer schon mal abschneiden, denke ich mir. Die Paßstraße ist gesäumt von Herbergen und Ferienhäusern, umgerüsteten Scheunen und privaten Chambres d’Hôtes. Wird schon etwas dabei sein, jeder Meter zählt.
Ein alter Radsportknacker überholt mich mit einem knappen bonjour und markiert mit Wiegetritt seinen Distanzierungswunsch. Er hat sich heute den Falschen ausgesucht, denn ich fahre nur noch für einen Schlafplatz.
Etwas weiter hinauf, der kleine Weiler Gripp ist erreicht. Man bedauert allerdings , der August hat in mir ein Opfer gefunden. Ein weiterer umgebauter Hof, la Grange de Gilson. Ein Engländer und freundlich, aber Platz hat er auch keinen. Leiht mir sogar sein Mobiltelefon, weil mein durch und durch kondensiertes gerade nicht mitmacht. Zwecklos. Ich schwöre mir, nicht wieder ins Tal zurückzukehren, keinen Höhenmeter preiszugeben. Parallel zur Paßstrasse ein Bergbach, dahinter weitere Häuser.
davon 1 ein Ferienhotel: geschlossen. Hier: ein Hotel-Restaurant, vor dem gerade drei spanische Motorräder halten. Sie hatten reserviert >complet :jetzt schiebe ich mein Rad und klopfe einfach an die Fenster der privaten Ferienhäuser, in denen das Abendessen vorbereitet wird, während ein auffrischender Wind Wolken ins Tal drückt. Man ist freundlich, aber: nichts zu machen. Auch der Nachbar, der einmal Kommissar war, hat keinen Platz. Auch der alte Bauer nicht. Langsam habe ich Lust, irgendwo einzubrechen. Da steht ein Haus, dessen Dach noch nicht fertig gedeckt ist -leerstehend oder unbezogen. Davor ein Campingwagen mit Vorzelt und weiter hinten zwei nicht fahrbereite RangeRover.
Ein junger Mann auf einer orangenen Enduro hält neben dem Grundstück, das ich gerade inspiziere… ich spreche ihn an.
„Nein, ich schlafe mit meiner Frau im Wohnwagen – Sie sehen ja selbst, das Haus ist noch nicht fertig, wir arbeiten daran.“
„Ich brauche nur ein Dach über dem Kopf, sonst nichts, verstehen sie – morgen um7 fahre ich wieder los, mein Essen habe ich bei mir.“.
„Kommen Sie mit: ich stelle mein Motorrad im Schafstall unter. „
Es hat zu regnen begonnen, aber wir sind im trockenen. Ich lehne mein Snel gegen das Motorrad. Überall liegt Stroh, die Schafe sind draußen: es ist Sommer.
„Merveilleux“, sage ich, „wie heißen Sie?“
„Nicolas.“
Eine unsichtbare Woge der Dankbarkeit schlägt über Nicolas zusammen. Plötzlich sagt er:“ Auf dem Boden ist noch eine Matratze und wenn sie wollen, können sie diese kleine Sturmlampe nehmen.“
Er führt mich an einer kleinen Nische vorbei, die wacklige Holztreppe nach oben. In einer Ecke stehen MTB Rahmen, Reifen liegen daneben. „Sie haben auch Fahrräder!,“ sage ich, als gäbe es nichts wichtigeres auf der Welt. Da sind wir.
Die Bretter sind wacklig, Vor einem Strohhaufen liegt eine noch in Folie geschweißte Matratze, das letzte Abendlicht fällt durch eine offene Bodentüre, die als Strohluke dient. Ich bin glücklich.
Wir verabschieden uns und draußen bellen seine Hunde zur Begrüßung. Kurz danach bin ich häuslich eingerichtet, melde mein Überleben und trinke unter den Radklamotten , die zum Lüften aushängen, den Orangensaft. Dann genieße ich noch eine Avocado, bestreut mit Salz , beträufeltvon Zitronensaft . Nun packe ich den Wäfo aus, meinen Biwaksack, den ich nur zehn Minuten meines Lebens im warmen Wohnzimmer probegelegen habe und suche mir bei den Motorrädern einen leeren Ölkanister, der mir als Kopfkissen dient.
Boxershorts und das Merino Tshirt bilden mein Nachtgewand. Die dünnen Wollsocken, die ich seit dem Col de Port trage, sind der nächste Trumpf gegen die kalte Nacht. Mit Teebaumöl einbalsamiert lasse ich mich im Schneidersitz nieder und stelle den Wecker. 9 Stunden könnte ich schlafen. . .
Ich ziehe den Reißverschluß des Wäfo fast bis ans Kinn zu und höre die Windböen, die frischen Regen ins Tal tragen und das Blechdach prasseln lassen.
Gegen drei Uhr wache ich auf, denn ich träume, ich sei Arno Schmidt, der barfuß von Pfütze zu Pfütze durch das zerstörte Lauban läuft. In Wahrheit ist mir kalt, denn im Wäfo ist der Schweiß kondensiert und hüllt meinen Körper in eine sehr klamme Feuchtigkeit. Ich erinnere mich an ein Laken, daß ich nah an der Heuluke neben einem Luftgewehr liegen sah. Mit der kleinen Sturmlampe ist es bald gefunden und ich wickle meinen Körper darin ein, um als Teilmumie wieder in den Wäfo zu steigen.
Um 6h20 erwache ich und höre ein stetes Rauschen. Zuerst denke ich an Dauerregen, dann erinnere ich mich an den Bach, denn der Regen hat sich verzogen, das Tageslicht nimmt zu, es kann losgehen. In der Morgenluft wolkt mein Atem aus: ich ziehe alles an, was ich habe…
Deine Fotos gefallen mir wieder mal sehr gut. Die Farben! Das letzte Mal über den Aubisque ging es mit dem Wagen. Ich habe mich geschämt. Danke Dir fürs Fahren, wollte ich schon fast schreiben. Ich meinte: Danke, dass Du so von dieser Unternehmung erzählst. Ich hoffe, sie bleibt Dir sehr lange.
Die Komplimente für die Farben leite ich an Fuji weiter, die haben einen recht farbtreuen EXR Sensor entwickelt, der rot nicht zu doll pusht und bei grün seine Stäreken hat, obwohl es nur eine einfache, robuste Zoom Knipse ist.
Man muß die Feste feiern,wie sie fallen. Beim Schreiben kommen die kleinen und großen Erinnerungen wie doppelt nach und d halten lange vor, je länger dieDistanz.