Ein Auto für den Präsidenten

b opel„Monsieur le Président! –  – Attendez!“  Zu spät, Macron hat sich vom Opel Stand (jetzt : Peugeot) verabschiedet und ist schon unterwegs in eine andere Ecke seines Imperiums.

Die profanen Sorgen seiner Deutschen Nachbarn, was sie denn nun für Fahrzeuge auf der IAA noch zeigen dürfen ohne ausgelacht zu werden, teilt er nicht. Er braucht kein Elektromobil als Feigenblatt über die Unreinheit des dreckigen Verbrennungsmotors. Wie sie alle nur zittern! Den lustigen Kabinenroller Twizy bauen sie (die Gallier) doch schon seit 7 Jahren!

b pallasDe Gaulle hatte es noch leicht. Fortschritt war möglich, Fortschritt war erwünscht. Es gab neue Materialien, exotische Techniken und ungeahnte Möglichkeiten des Komforts. Kosten spielten keine Rolle. Die Ausführung Pallas, also die Göttin Athene, war seine Wahl  von Beginn bis zum Ende der Amtszeit.

Auch sein nachfolger Pompidou blieb dem Modell treu, wie auch seine Frau, wenn auch auf tragische Weise: ihr Chauffeur verschätzte sich in einer Kurve zwischen Urrugne und Hendaye…

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Der Citroen DS verkörperte wie kein anderes Auto die fünfte Republik Frankreichs. Der neue, junge Präsident (etwas älter als Christian Lindner, Kandidat der FDP) beruft sich ausdrücklich auf den General de Gaulle als präsidiales Vorbild. Für die älteren unter den jungen Franzosen ist das nicht ohne Ambivalenz – die paternalistische Autokratie war eben das Feindbild 1968. Und es heißt für den jungen macron längst nicht, im DS chauffiert zu werden.

Die Wahl des präsidialen Autos war denn auch ein Thema direkt im Anschluß an den WahlCoup und dem Aufstieg seiner Partei aus dem Nichts.

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Eine der wichtigsten Fragen zur Amtseinführung war dann auch: welche Marke? . . die sozialistischen Vorgänger haben keine Wahl gehabt, sie mußten wegen der staatlichen Beteiligung einen Renault nehmen . Der Nachfolger könnte schon deshalb diese Marke nicht wählen, weil das eine Anerkennung der Vorgängerreigierung bedeutete, die er ja schnöde verlassen hatte.

Blieb also nur noch der andere Konzern, PSA, bekannter unter dem Namen seiner Kernmarke Peugeot, wiederum der Familienname der Haupteigentümer.

PSA ist inzwischen so etwas wie ein französisches GM, daher  Opel (s.o) gut ins Portfolio passt .  Aber ein Peugeot, das ist immer auch ein solides Auto, etwas bieder, also wirklich nichts, womit ein (französischer) Präsident Glanz verbreiten könnte. Also doch Citroen?b ami2

Nun, auch das ist ein Citroen. …. Macron ist nicht immer zu beneiden. Zum Amtsantritt hat  er dann ein neueres Modell genommen, das eben auf der IAA präsentiert wird, ein PSA Plattformauto mit präsidialen Extras. Weder volk noch Elite, Management eben.

Aber wenn er gewollt hätte, vor allem wenn er gekonnt hätte – dann hätte er ein Zeichen gesetzt. Ein Zeichen der französischen Moderne.

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Er hätte dafür einen HK 500 genommen, der letzte Versuch des après guerre, einen französischen Supercar zu bauen.

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Die Firma Facel war der eigenwillige Versuch einer Handvoll französicher Industrieller , so etwas wie den Bugatti der 50er herzustellen, eine Über-Marke, der nicht nur Frankreich nachtrauerte. Diese Automobile Trauer mußte beendet werden.  Sie bestellten also bei Chrysler einen 6Liter Motor, der mehr  Drehmoment lieferte als jeder italienische Sportwagen. Dann konzentrierten sie sich aufs wesentliche: Stil und Komfort.

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Die ArtDeco Rücklichter sahen wir bereits. Hier der Innenraum, ein einziges Lederboudoir in rot. Heizungsregler, Automatikgetriebe und ein integriertes Autoradio von his masters voice. Ein 6 Liter V8 ist bei 100kmh auf einer Landstraße fast unhörbar, und die europäischen Landstraßen hatten keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Dank Napoleon (die erste Republik) verliefen sie schnurgerade. Straßen für den Facel Vega.

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Hier nun der Platz von Madame,  denn trotz Servolenkung (hatte Ferrari die? ), saß eher Monsieur am Steuer , das war der anstrengende Teil am Auto . Und direkt vor Madame befand sich ein ausklappbarer kleiner Spiegel, breit genug  allerdings um das ganze gesicht in Augenschein nehmen zu können. Ein Auto für Herrn und Frau Macron.

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Aber die Dinosaurier wurden von der Geschichte überholt. Facel hatte unter den happy few „son moment de gloire“ und dann war es nach einigen Jahren vorbei. Die Routes Nationales (und erst recht die Städtchen) ächzten unter dem Last – und -Ferienverkehr, erst die Geschwindigkeitsbegrenzung, dann die Umgehungsstraßen, dann die Autoroute du Soleil, dann die Saturierung der Luft im Europa der Pendler.

Herr Macron muß sich mit den ergebnissen und  Erzeugnissen der Gegenwart herumschlagen und wenn es  eine untermarke der PSA ist mit schönem Stammbaum. Wird er eines Tages, wie der General und sein Land, auch mit einem Auto in die Geschichte eingehen?

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Dieser Facel Vega jedenfalls hat seinen Platz in der Geschichte schon längst:  auf der Nationale 7 stirbt der Verleger Gaston Gallimard – wahrscheinlich bei einem riskanten Überholmanöver –   am 4.1. 1960 in seinem Facel.   Neben ihm saß Albert Camus, die Stimme des Existentialismus , Nobelpreis von 1957.

Es steht kaum zu befürchten, daß Président Macron, die selbsternannte Stimme der Effizienz, sich ans Steuer eines extravaganten Automobils begibt, um dem Rausch der eigenen Geschwindigkeit zu erliegen. Er wird schon weiterkommen.

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Wir allerdings, wir haben andere Probleme – wir wissen weder womit wir fahren noch wen wir wählen sollen. Ein Fahrrad vielleicht?

 

 

 

 

 

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4 Antworten zu Ein Auto für den Präsidenten

  1. mark793 schreibt:

    Sehr lehrreicher und schön bebilderter Beitrag! Ich hatte den Facel Vega noch nie bewusst von hinten und von der Seite gesehen, kannte nur die Frontansicht und wusste nicht einmal, dass das ein Franzose war. Wieder eine Bildungslücke geschlossen, danke dafür!

  2. crispsanders schreibt:

    Facel Vega sind ja nicht gerade häufige Gäste auf unseren Straßen, obgleich es über 100 in Deutschland geben soll. Meinen Ersten sah ich in Berlin auf dem Ku Damm 2009. Das gleiche rot im Innenraum. Die gleiche Aussage: eine Fahrt über die Nationale 7,von Paris nach Montelimar… der letzte Versuch ein Gefühl von Luxus auf einer Landstraße ohne Geschwindigkeitsbegrenzung zu produzieren.
    Französische Autotester erreichten damals auf Nationales Durchschnitte von 12okmh mit Limousinen, so wurden realistische Verbrauchswerte und Bremsleistungen ermittelt. Die Höchstgeschwindigkeit wurde auf dem Geschwindigkeitsoval von Montlhery gemessen, um über die Qualitäten des Fahrwerks Aussagen zu machen, ging es auf den anspruchsvollen Rundkurs.
    ich weiß nicht genau, was die heutigen Retroversammlungen sein wollen, an die 90% sind in meinen Augen automobiles Füllmaterial, recht fantasielose Gebrauchsware, denen damals wie heute nichts Außergewöhnliches anhaftet. Was sich doch geändert hat ist die Verkehrsdichte – und der sogenannte Sicherheitsbegriff. : Fangio fährt im Polohemd und mit Staubkappe, allenfalls Jet-Helm. Wichtiger sind die handschuhe, um beim Lenken keine Blasen zu bekommen.
    Ein anderer begriff von Raum, Zeit und bestimmt Luxus – der Facel ist ein Teil davon. . .

  3. mark793 schreibt:

    an die 90% sind in meinen Augen automobiles Füllmaterial, recht fantasielose Gebrauchsware, denen damals wie heute nichts Außergewöhnliches anhaftet
    Als jemand, der auch manchmal radelndender Weise auf solche Veranstltungen trifft, würde ich sagen, genau das trägt auch zum Reiz bei, dass da auch die Autos zu sehen sind, welche die eigenen Eltern oder deren Nachbarn fuhren und evtl. ein paar von denen, die man nur aus dem Autoquartett („mit Blitztrumpf!“) kannte. Exoten wie ein Facel Vega oder ein Monteverdi sind da nur die Sahnehaube auf der Torte. Das Außergewöhnliche an einer Ford 17 M-Badewanne in diesem Kontext ist, dass sie im Gegensatz zu ihren tausenden verschrotteten Art- und Zeitgenossen noch fährt, nicht mehr und nicht weniger.

  4. crispsanders schreibt:

    Das würde ja einen Ford 17M zum Kulturgut erhöhen! (was er eben auch ist) . Den einen kann es eine gute Erinnerung sein, den anderen ein Graus: vor den Stätten der eigenen Kindheit würde man sich verwundert grausen, ein wenig wie beim ersten Betreten der Ex-DDR aus westlicher Richtung. ich vermute beinahe, bei nicht wenigen Kindheiten die in lieber Erinnerung bleiben, würde heute das Jugendamt erwogen.
    Aus heuteiger Sicht gebührt dem 17M das lob der einfachheit , einem Focus 2017 der Fluch des Überkomplexen. Darin sehe ich einen Punkt – eher als im „memento“.

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