Hinter den 7 Bergen: Yalu

DSCF7516Genosse Mao und Gefährten, 1949

Unangenehmes Säbelrasseln tönt immer wieder in unsere behaglichen Wahlkampf. Während Fingerhakeleien über die Rente mit 67 oder 70 ausgetauscht werden, Emissionsübungen und Reinheitswettbewerbe in Eurostufen ausgetragen, gibt es von der anderen Seite der Welt häßliche Zwischentöne, die unsere demokratischen Gefechte tunlichst nicht kontaminieren sollten.

Zwischentöne, die an die angestaubte Welt des kalten Krieges gemahnen. War es nicht der japanstämmige US-Historiker Francis Fukuyama der uns schon ans Ende der Geschichte gewöhnen wollte? Vielleicht sollte er den Blick zurück auf seine Wurzeln lenken. In der Tat findet vor Japans Küste nichts anderes als die Fortsetzung einer Geschichte statt, die mit der Invasion der Mandschurei am 18. September 1931 durch Japan begann. Einen (vorläufigen) Abschluß fand sie erst 1953, dem Ende des Koreakrieges.

a yaluUm ein genaueres Bild über diesen Krieg, seine Ursachen und seine Folgen zu gewinnen, empfehle ich das schon vor einigen Jahren erschienene Buch Yalu aus dem Propyläen Verlag. Es hat sich nur schleppend verkauft, Restbestände der 1. Auflage von 2007  sind noch greifbar. ISBN 978-3-549-07338-4.

Der Autor jörg Friedrich wurde durch sein Werk zum Alliiierten Bombenkrieg in Europa bekannt. Es heißt „der Brand“ und rückte Thema und Autor ins Rampenlicht. Wurde dieses Erfolgswerk gut rezipiert, gab es bei Yalu schon mehr Kritik, vor allem von wissenschaftlicher Seite. Nicht wegen Unwissenschaftlichkeit sondern stilistische Kritik. Sicher ist eine dramatische Geschichtsprosa für Wissenschaftler nicht das Mittel zum Zweck. Friedrich aber ist Autor: er selbst sagte der taz er wolle Leser und keinen Lehrstuhl.

David Douglas Duncan, magnum, This is war, Korea 1950

Für den Leser, der über 500 Seiten bewältigen will ist  das ein Vorzug. Von der Entwicklung der Atombombe, der strategischen Planung der USA , der Berlin Blockade (und ihrer Auflösung) führt der Bogen zum Koreakrieg. Hochinteressant sind nicht nur die Planspiele zur neuen Weltordnung, der Aufstieg Maos (Bild oben)  und Kim des Älteren; hochinteressant sind  – mit Blick auf die heutigen Konstellationen –  die Schwierigkeiten, die die USA haben, den Konflikt zu ihren Gunsten zu wenden. Gewonnen haben sie am Ende nur die Stabilisierung Südkoreas und eine Verringerung der militärischen Bedrohung  Japans. Der Waffenstillstand wurde von Südkorea nicht ratifiziert.

David  Douglas Duncan, Magnum, this is war,  Korea 1950

Mit der Evidenz des nordkoreanischen Atomarsenals aber verschiebt sich derzeit (genaugenommen seit über 10 Jahren) das strategische Gleichgewicht. Diese Karte wurde ausgespielt und stellt die Vereinigten Staaten ziemlich genau in die Situation von 1950, vor den nordkoreanischen Überfall auf  Südkorea.

DSCF7510Was Friedrichs Bericht über den KoreaKrieg eindringlich beschreibt,  sind die Schwierigkeiten einer materiell, technisch und wohl auch taktisch überlegenen Armee , in Nordkorea vorzudringen. Es gelang im Grunde nicht oder nur unter unglaublichem Materialeinsatz, gegen die Tunnelsysteme und Bunkerstellungen des Landes vorzudringen. Jedenfalls nicht, ohne gleichzeitig die Zivilbevölkerung mit Napalm und die Reisfelder mit Pflanzengiften zu bombardieren. Grauenhaft.

Photo: David Douglas Duncan, magnum, this is war – Seoul 1950

Ein Krieg in diesem Land wäre also auch jetzt, erst recht wenn er atomar geführt würde, ein Krieg, der die Zivilbevölkerung einbezöge. gerade letztereOption, die nukleare, wäre, wie schon im historischen Koreakrieg, nur eine hypothetische, wenn man denn nicht den Verbündeten japan mit seiner enormen Bevölkerungsdichte dem Untergang preisgeben wollte. Geschichtlich gesehen hat Nordkorea dazu mehr als nur frivole Gründe.

a mao2Was man aus Yalu noch lernen kann, ist, daß Blut dicker als Wasser ist. Nordkorea führte den  Krieg nicht allein, es waren die chinesischen Nachbarn, die schätzungsweise 700.000 sogenannter Volksfreiwilliger dem Konflikt opferten. China war, ist und bleibt der natürliche Verbündete der Kim Dynastie. China ist der heimlicheTeilhaber,  der die japanischen Bunkersysteme, Brücken und Staudämme übernahm und sein Nuklearprogramm (möglicherweise) exportierte . Diese Teilhabe wird nach wie vor über den Yalu physisch abgewickelt: die Mandschurei ist reich an Bodenschätzen.

a kom1Das weiß sowohl unser Außenminister, der voreallem nach Peking reist, um sich dem Wahlvolk als  Noch- Minister zu empfehlen, als auch das Pentagon. Während Kim den Atompoker spielt bietet er, wie sein Ahne, erneut sein Land als Spielfeld und sein Volk als Pfand an, auf das sich die Kräfte der alten und neuen Supermächte messen.  Ein Volk, das sein Land kaum nährt ist Verfügungsmasse,  ein Diktator nach nuklearem Bodybuilding nicht.

Aus dem Bildband: Die totale erinnerung, Kim Jong Il-s Nordkorea, Kracht, Munz, Nikol RuB 2006.

 

 

 

 

 

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4 Antworten zu Hinter den 7 Bergen: Yalu

  1. randonneurdidier schreibt:

    hallo Christoph, neben der Radelei gibt es noch andere Bereiche, in die man gründlich eintauchen sollte. Leider nicht so lustvoll und unschädlich für das Gemeinwohl. Mit schmerzhaftem Bauchgrimmen sehe ich die Entwicklung, die Kim und den unsäglichen Donald als Machos gegenüber sieht. Ich schaue mal, ob ich das Friedrich-Buch bekommen kann. Danke für die Empfehlung.

  2. crispsanders schreibt:

    Dank für den Zuspruch und ein einträgliches Lesen! Ich denke , daß die Bestände trotz Aktualität nicht erschöpft sind. Der US Präsident lernt hoffentlich täglich dazu. Nur schade, daß wir zur Zeit von der eigenen Position (geschweige denn einer europäischen) wenig erfahren. Wenn China plötzlich keine deutschen Maschinen mehr kaufte, würden wir es schon am nächsten Tag wissen . . .

  3. alex schreibt:

    Warum heben die Führer unserer Nationen blos immer die rechte Hand ?

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