„Geschichte ist wichtig, doch die Geschichte der Technik ist am wichtigsten.“
Melvin Kranzberg war ein amerikanischer Historiker . Seine Existenz wurde mir erst durch ein Rundfunkfeature (eine Sendung) bewußt, das zum Thema Kochen ein Gerät Namens Thermomix umkreiste. Es wurde eine Dreiecksbeziehung aufgebaut zwischen Essen, Kochen, Thermomix.
Die Existenz des Thermomix war mir ebenfalls nicht bekannt, aber dafür kann ich nichts.
Dort, wo ich zu Essen einkaufe, gibt es ihn nicht. Dort, wo die weiße Ware steht gibt es ihn auch nicht. Solange kein Vorwerk=Thermomix Botschafter an der Tür klingelt, werde ich ihn nicht zu Gesicht bekommen. Die Existenz der Familie Vorwerk ist mir bekannt- sie wurde mit selbstklebenden Bodenbelägen reich. In meinem Leben tauchte sie mit doppelseitigem Klebeband auf, das den wiederlich beißenden Schlauchreifenkitt aus der Tube ersetzte. Damit war eine Ersatzschlauch schnell und sicher aufgezogen. Die Finger bleiben sauber und versauten nicht auch noch den Lenker.
Das war schon Geschichte der Technik. Ich liebe Technik, ich bin ein Mann, ich darf das. Darum habe ich mich an meine Schlauchreifen erinnert als ich das Wort Vorwerk las. Da habe ich vielleicht ein paar Dinge vermischt und den Ernst der Lage verkannt. Schluachreifen kleben, Carrerabahn: alles von gestern.
Der Thermomix gebietet in unseren Zeiten zu prüfen, wie das Verhältnis zur Technik denn in Deinem Hause ist.
In meinem Hause stelle ich eine extrem geringe bis sehr hohe Affinität fest. Es fängt bei der Mehrfachsteckdose an. Alte Modelle werden für gefährlich befunden, ich dagegen verzweifle an den Sicherungs-schiebeplättchen. Das Befüllen der Spülmaschine andererseits ist eine Sache, die nicht jedem gelingt. Auch jenen nicht, die Softwareeinstellungen reibungslos hinbekommen und riesigen Wissensvorsprung in Sachen Smartphone besitzen. Paradox.
Technik ist ein so komplexes Feld, Technik 1.0: Nagel in die Wand, Messer über die Kartoffel. Technik 2.0 : Schrauben und Dübeln, Birnen mit Bajonettfassungen austauschen, Gemüse pürieren. Technik 3.0 Maschinenbedienung, Nutzung, Pflege . Technik 4.0. : Roboterfreunde finden.
Seit einer Stunde kocht die Suppe. Sie steht auf einem Herd. der Herd läuft mit einer Technik, die Anfang der 80er Jahre eingeführt wurde: die Ceranplatte. Man sieht, wenn es heiß wird. Bei den Vorläufern, den gußeisernen Kochplatten sah man es erst im Endzustand, bei Gasherden sofort. Hitzeerzeugung so oder so, Gefährlich ist sie immer. Nun ist die Induktion auf breiter Front eingeführt und hat der Pfannen und Kesselindustrie ein neues Absatzfeld eröffnet. . . .
Also: die Bedienung des Herdes ist immer gleich, schwache Hitze, starke Hitze. Da hat sich in 50 jahren nichts geändert, Kranzberg hilft da nicht weiter.
Weihnachtsbäckerei: dito. Ist gerade sehr aktuell. Soviel zur technik 2.0 die für die Grundbedürfnisse gebraucht wird.
Nur sagt unser Rundfunk (oben): sie kochen nicht, sie wollen den Thermomix. Unser Volk kocht im EU Schnitt weniger als die Nachbarvölker. Zahl habe ich vergessen. Die Waschmaschine und die Spülmaschine haben der Hausfrau Lebenszeit geschenkt, der Kühlschrank den Lebensmitteln. Heute will die Hausfrau die Lebenszeit eher nicht zu Hause verbringen, es sei denn, diese wird besser bezahlt als eine Alternative außer Haus. Oder es findet sich ein Hausmann. Aber dann geht das Thema in Richtung Sozialtechnik. Die klammern wir einmal aus. Und das „Kochen mit Freunden“ Ding auch. „Technik kommt in Paketen“, sagt kranzberg2.
Aber alle mögen den Thermomix – er hat einen A Dur Dreiklang wenn er seine Arbeit beendet, der mich stark an den Lilifee Zauberstab erinnert, den mir meine Töchter nach einem 400km brevet ans Ohr hielten – als die Sonne wieder aufging. Die Thermomix User hatten keine Kinder und einen vierfach Toaster alter Schule brauchten sie auch nicht.. Sie hatten nicht einmal zwei Kinder, die wären mit einem thermomix nur in den ersten zwei Lebensjahren satt zu bekommen. Sozialtechnik.
„Es gibt keine gute und es gibt keine schlechte Technik.“ sagt Kranzberg – und der Untergang des Abendlandes findet nicht über Technik statt, es war nur kurz davor, Granaten und andere Munition war noch reichlich vorhanden.
Es ist anders gekommen.
– Technik frißt ihre Kinder. Denn es gibt eine sehr interessante historische Dimension die sich in den letzten zwanzig jahren verstärkt. Technik wird entwickelt – nicht unbedingt um unsere Probleme zu lösen (das waren die Stufen 1.0 bis 3.0), sondern um Technik abzulösen. Roboter suchen uns als Mitarbeiter um ihre Vorgänger zu vernichten.
Der technische Fortschritt kocht nicht besser, er will den vorhandenen Herd überflüssig machen. Er nennt ihn vielleicht Thermomix, verpaßt ihm einen Dreiklang.
und überzeugt seine Nutzer, vorhandene Maschinen abzulösen. (Für Fahrräder gilt ähnliches, die sollen hier aber nicht herhalten). Bei Kranzbergschen Gesetzen finde ich Kochen interessanter. Denn es ist eine sehr alte Technik und sie wird immer notwendig sein. Die benötigte Energie, einen Liter Wasser zu kochen ist unsere Maßeinheit. Sie wird immer gleich bleiben, genauso, wie wir alle nur mit Wasser kochen können. Daran beißt kranzberg keinen Faden ab.
Das technische Problem “ Wasser kochen“ ist gelöst :auf drei bis vier Arten. Das Problem, das ein Thermomix lösen soll, ist ein anderes.
Es geht davon aus: Kochen ist Zeitverschwendung mit zuviel Schmutz – Fehlerquelle Mensch nicht eingerechnet, denn deren unsicheres Wissen über Rezepte offenbart sich immer aufs neue. Lebensmittel gibt es in Fülle, Kochbücher gibt es in Fülle, Energie gibt es in Überfülle – ist (immernoch) lächerlich günstig.
Knapp und selten ist allein die Zeit. Es läuft auf eine Rührschüssel mit Heizelement und Chip hinaus. Am Ende ist es Technik, die sie uns stiehlt. ich plädiere für ein sechstes Kranzbergsches Gesetz.