Die Lücke suchen I

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Manche finden, es sein ein milder Winter. Statistische Bemühungen. Kalt, warm, über dem Durchschnitt, unter dem Mittel – die bunten Silhouetten anderer Radfahrer sind im Landschaftsbild derzeit selten.

Eben ist noch ein Schneeschauer durch. Aber der Himmel hat dieses Licht-Quantum mehr. Dieses etwas mehr an Durchsischtigkeit, die Lücke für eine kleine Unternehmung.

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Ohne Schutzplastik, nackte Rennreifen: ein leichtes Rad ohne jedes Gepäck. Die Krähe flattert davon: viel Wind bläst ihr nicht entgegen, auch gut für mich. Ganz locker rollt es mit feinem Knistern: das ist das Salz, was noch nicht abgetaut ist, an den trockenen Stellen knistert es mehr.

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Asphalt Archäologie – : Wäre schön, wenn die Asphaltsorten Namen hätten, sie wechseln ständig. Die Landstraße rollt und in manchen Dörfern dann istnur noch Flickenteppich: zwischen den Ortsschildern ist die Kommune dran.

Frostschäden, Lastverkehr, Kanalisation 1978, Kanalisation1994, Telekom- kupferader 2004, Glasfaser 2010. Einmal auf, einmal zu.

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Weitere, ulkige Kirchen aus dem Kulturkampf. Diese hier wartet auf den Sonntag und die neuen Konfirmanden der Gemeinde. Die Konfirmanden überholen mich gerade mit dem Zweitwagen (der Andere ist nicht selten ein Dienstauto). Einkaufsberater/in am Steuer.

Auch sie wollen etwas vom Leben haben und gehen shoppen. Wie ich wollen sie nach Wetzlar, denn dort findet es statt, das Treffen der Jugend der Welt. Zwischen artifiziellen Springbrunnen und Hydrokulturen. Eiskugeln spiegeln sich in Smartphones .

Morgen  – in die Kirchenbank,

(Das Geläut der Kirche besteht aus drei Glocken: Maximinusglocke (Schlagton: fis, Gussstahlglocke, Gegossen in Bochum 1920) Die Glocke trägt die Umschrift: „Sancte Maximine, ora pro populo in Ellxx“ (Heiliger Maximinus, bete für die Bewohner Ellxxs) Marienglocke: (Schlagton: a, Gussstahlglocke, gegossen Bochum 1920) Die Glocke trägt die Umschrift: „Maria vocor, divina loquor, fugo daemonia“ (Ich heiße Maria, verkünde das Göttlich, fliehe das Teuflische) Josefglocke (Schlagton: h, Gegossen bei Rincker in Sinn 1953) Die Glocke trägt die Umschrift: „Sancte Joseph, ora pro nobis“ (Heiliger Josef bete für uns))

Mädchen und Jungs (aus den Augenwinkeln). Das Ausland liegt  hinter dem Hügel

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Die Straße wieder. Sanfte Schwünge flüssiger Tritt. Blaue Minute, schon gehts leichter. Duchamp (Marcel), Künstler,  begleitet mich heute auch. Je flüssiger die Bewegung auf dem Rad sich anfühlt, je verschmolzener Körper und Umwelt, desto mehr gelangt der Radfahrer in einen Bereich des „inframince“ der maximalen Annäherung an den leblosen, mechanischen Gegenstand. Inframince: ein Begriff, der  dem Schachspieler, Pfeifenraucher und Treppenabsteiger Marcel Duchamp entwendet ist  –  Urvater aller Konzeptkunst.

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Die kleinen Ausflüge hier sind natürlich keine Konzeptkunstwerke. Oder doch?  – wenn ich nur die Krähen fragen könnte.

Der alte Duchamp ahnte eben nicht, daß sein Begriff mit unbeabsichtigter Exaktheit beschreibt, wie ein Radfahrer das Verschwinden jeder Distanz zwischen sich, dem Rad und der Welt verspürt. Manchmal.

Langsam schweben wir an der big sky ranch vorbei, runter ins Lahntal. Fortsetzung folgt.

 

 

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