BRM 600 – davon 200

Und wieder ist es ein milder, sonniger Morgen am Waldsportplatz , und wieder glänzt der Tau auf dem Rasen. „W007“ erwacht und in einigen Minuten wird für ihn die Reise beginnen. a01

Das, was uns ab 600h bevorsteht könnte auch  „Rund ums Rheinische Schiefergebirge“ heißen. Westerwald, Mosel, Eifel.  Die Sonne wartet im Osten auf uns, von West kommt eine ansehnliche Wolkenwand näher. Es ist schwül und jeder hier weiß: er fährt dem Gewitter davon.

a02Eine kurze Ansprache, der Veranstalter startet aus der Boxengasse, sein Schaltseil streikt.

Sieg

Wir sind bald hinter Troisdorf an der Siegbrücke und schlagen die Uferwege ein. Der Sieg folgen wir von hier bis zur Quelle, oben im Rothaargebirge. a04 Erst geht es für W007 und die 30 anderen durch Vororte und Schlafsiedlungen, an denen wir uns leise rauschend  vorbeidrücken. der Tag wird sehr lang, die Sonne geht erst in 15h unter. DSCF4305

Bald hat sich eine munter kurbelnde Gruppe gefunden und gemeinsam mit einem Schwarzwälder stellen wir fest: der Wind kommt aus Süd -Südwest, also doch seitlich. Das ist zwar für das Tempo nicht das beste, aber so wird uns mit der Schlechtwetterfront (aus West) vielleicht noch eine Schonfrist gewährt.  Nordwest wäre fatal, aber Nordwest wird es nicht – ein halber Pluspunkt. a05Es ist Feiertag und je nach  Konfession sind die Gemeinden für ihre Fronleichnalmsprozession  bewimpelt und mit Straßenaltären versehen. Erste Motorräder rücken aus. Auf der Straße sind unsere natürlichen Freunde an solchen Tagen sehr gern unterwegs. Gegenüber Wetterberichten sind sie allerdings wesentlich empfindlicher als wir. Schauen wir also mal. Halber Pluspunkt.

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Die ersten Anstiege sind genommen, die Gruppe hält zusammen. Die Dörfer werden kleiner, grauer  und wechseln die Konfession: dort plötzlich taucht der Kirchenschmuck wieder auf,

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Und dort wünscht man Glück. Glück ist auch ein Teil des Brevets, ein geringer vielleicht, aber ein wichtiger. Wir bewegen uns auf Straßen, die Minenfelder des trivialen sind. Ein Dorffest? Achtung, Glas auf allen Wegen. Frische Schlaglöcher, deplazierte Gullis, ein plötzlicher Spurwechsel – ganz schnell ist es hin. Nichts besseres also als ein ruhiger morgen, an dem keiner eiligst zum Termin muß und wir in aller Ruhe die Ideallinie einer Kreisstraße finden können oder sorgfältig den Brückenanker anfahren.

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Wenn die erste Kontrolle erreicht ist, freut sich fast jeder auf frisches Koffein und auch für Gerolsteiner Medium sollte es ein guter Tag werden. Nach rund hundert Kilometern muß sich noch niemand infrage stellen, man ist gut eingerollt, die morgendlich unwilligen Körper haben sich längst in ihre Aufgabe gefügt. Doch wie immer zerfällt hier die Gruppe: einige genießen die Pause länger, andere greifen nur schnell nach der Brevetkarte und einem Getränk, wie der schmale Zeitfahrer mit dem full-carbon Gerät.

Ich fühle mich ordentlich, die Konstellation Taschen plus  Rad ist gut, die neue kleine Rahmentasche sitzt so, als hätte sie immer schon dazugehört und beim fahren spüre ich sie nicht; damit ist die Entscheidung für das große Brevetgepäck gefallen, der zuhause liegende Ortlieb katalog nur noch Dekoration –  ich muß nicht mehr gramzerfurcht über die irrwitzigen Preise  darin blättern. Es geht weiter. W007 ist uns schon vorausgefahren, die Kopfkugel von Peter ist gleichfalls entschwunden und mit der Bergziege aus dem Schwarzwald mache ich mich auf, langsam aber sicher ins Rothaargebirge zu vorzudringen.

a06In Kirchen erklimmen wir unter wohlwollenden Blicken eine Steigung, dann kündigen weitere Fabrikgebäude und Siedlungen das Nahen der Metropole an.

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Das ist Siegen, viele viele Ampeln lang.  Ein Flixbus geht aus dieser Stadt hinaus, die eine beeindruckende Fülle an Nachkrisgsarchitektur aufweist. Es sind Variationen in Grau und ich wünsche allen die hier leben eine glückliche Zeit.  Doch auch hinter Siegen geht es gewerblich weiter, das ganze Tal hindurch, während uns irgendwo neben uns eine dunkle Wand deutlicher wird.

a11Als Beispiel unter vielen zeige ich dieses Unternehmen, das sich auf gigantische Eisenschalen spezialisiert hat: es sind Kesselböden. So geht es instruktiv den Radwanderweg entlang, bis das Zickzack mit Bahnschwelle ein Ende hat und der lange Anstieg beginnt. DSCF4347Und plötzlich ist W007 wieder in Sicht. a12Während es immer tiefer ins Grüne und immer höher den Rothaarkamm hinaufgeht blüht der Schwarzwälder Mitfahrer auf. Ich rufe W007 noch ein paar Grußworte zu – er verläßt die Erzählung an dieser Stelle. Bonne route.

a13Kaum zu glauben, daß Siegen nur eine handvoll Kilometer entfernt ist. Je näher der Kamm kommt, desto mehr fahrradbeladene Autos ziehen vorbei. Mit dem E-Mountain die letzten Meter zur Siegquelle sprinten – das hat schon was. Wundersam nur, daß die Motorräder so spärlich unterwegs sind. Nur hin und wieder brummt ein kleiner Korso vorbei, ganz zart. Der Nürburgring ist weit.

Dann noch eine Welle, noch ein Schwung und da sind sie alle: das schöne Wirtshaus quillt über von schwarzen Lederkutten und glitzernden Maschinen. Bleibt sitzen, gleich beginnt unsere Abfahrt.

a014Der Schwarzwälder genießt sichtlich den guten Belag und die völlige Verkehrsfreiheit. Sie speisen alle. Ich habe wirklich Mühe zu folgen, aus 30m werden 50 und bald 100, die Vögel zwitschern und ich muß bergab feste treten. Ab und zu sehe ich ihn um die Kurve huschen. Etwas zwitschert wie eine Bremsscheibe: das werden wohl Motorräder sein oder gar Wohnmobile.  Im Tal schließen wir wieder zusammen und rollen die paar kmchen zur zweiten Kontrolle an der

Lahn

entlang: Bad Laasphe.

a015Auf den letzten Metern vor der Kontrolle nehmen wir noch Peter mit und satteln ab zur Mittagspause. Ich möchte hier keine ausdrückliche Werbung für die Marke eines Mineralölkonzenrs machen, aber die Aral hat auf der ganzen Linie überzeugt. Sehr gute Baguette, akzeptbler Cappucino und Kakao, breites Warenangebot allgemein. Wir greifen zu und ich eröffne den Reigen  mit einem Lachs-Ei Baguette plus Nuss-Nougat Croissant.  Der Hunger ist da, die erste Müdigkeit auch, aber vor uns liegt das flache und harmonische Lahntal, ein sonniger Nachmittag  und (hoffentlich): viele geschenkte Meilen. Die einzigen Hindernisse sind die Glücklichen, die dort auch auf Rädern unterwegs sind. a016

Jetzt geht es südwärts die Lahn entlang, das wird die Wolken noch eine Zeitlang von uns und den Badegästen fernhalten. Übers Land und durchs Tal Richtung Marburg. a018

Jetzt ist das Zwitschern auch dem wackeren Schwarzwälder aufgefallen. Es ist nicht sein Rad (Entrüstung!), jenes von Peter ebensowenig also blieb nur noch : meins. Aber was könnte es sein, Scheibenbremsen habe ich nicht, nichts schleift, nichts reibt –  bis der Schiedsspruch des Chefmechanikers  fällt:

„Des isch e Lager. “

Wir halten. Untersuchen das Vorderrad. Es dreht nicht frei . Nehmen schwarzwälder Kettenöl und tränken das Lager vom Nabendynamo so gut es geht. Es dreht immer noch nicht frei, vielleicht etwas besser.

„Bis es frißt.“

Weiter gehts durch die lieblichen Auen. Und es zwitschert wieder. Zeit also für Plan B-  zieht weiter Gefährten und wünscht mir Glück. Ich rechne noch : 150km bis zu meiner Hütte. Siel liegt 20km ab vom Track, aber das würde den Brevet retten. Dort ein neues Vorderrad und ein Aufstecklicht. Das ist Plan B. Aber läßt mir der taiwanesische Nabendynamo –  superleicht, superklein aber leider nicht superlanglebig –  eine Chance?. .bis Marburg hoffentlich.

Bis Marburg sind es noch 15: auch wenn es frißt. Und danach der Zug. Caldern ist ein Dorf am Lahntalradweg. Der Radweg ist gut befahren heute, Familien, Kindergruppen, Rentnergruppen, der vereinzelte Sportler.Eben noch ein kleiner Fluch, jetzt ein halber Segen: Viele Reifen, viele Pannen. Vielleicht stehen deshalb zwei Radfahrer vor der Scheune von Fahrrad Groß?

a02085 Jahre lese ich, das könnte eine Menge alter Ersatzteile bedeuten. Fahrrad Groß, ich lege mein Schcksal in Deine Hände.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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2 Antworten zu BRM 600 – davon 200

  1. monnemer schreibt:

    Na wenn nicht mal alemannisches Kettenöl hilft, isch’s Lager perdu.

    Über wieviele km hat er denn gehalten, der Nady? Seit Monaten grüble ich über der Lichtfrage und kann mich nicht entscheiden.
    Wenn Dynamo + Lampe doppelt so teuer werden, wie der komplette Rest vom Koga Rando (incl. Rahmen) sträubt sich alles in mir gegen die als qualitativ hochwertig gepriesenen Lösungen.

    Ich teile übrigens nach anfänglicher Begeisterung die Einschätzung des Rahmen in puncto Fahrgefühl als träge und irgendwie taub.
    Macht prima, was er kann, aber nicht unbedingt immer, was ich will.

  2. crispsanders schreibt:

    Die zahl der Anbieter von Nadys ist nicht wesentlich angestiegen, die Preise für leichtgängige und leichte, die für uns also in Frage kämen schon. Bei Schmidt ON kann ich dem aufgrund Standort material und garantieleistung möglicherweise folgen, bei der fernöstlichen Produktion nicht. Einen andern Teil des Preises macht auch die spendable Kundschaft aus (nennt sich Preiselastizität), die ja meist nur bei Sonderwünschen einzelne Nadys kauft. Die übrigen haben solche sll incl. am Tourenrad erworben.
    Der SP aus Taiwan tut was er soll gut, baut aber meiner Meinung nach zu schmal, d.h . die lager sitzen zu weit in der Mitte der Achse. Möglicherweise ist das ein Teil des Lebensdauerproblems .Das andere ist die Wetterfestigkeit. Mein Gerät hat zwei Winter durchgehalten dieses Jahr kaum Regen gesehen und dan 400er anstandslos bewältigt. Ich tippe auf minderwertige Lagerr. In solch einem Fall rechtfertigt sich die Investition nicht, da hätte ich es mit Akkuleuchten leichter gehabt.
    Aternativ:. Ein gebrauchtes laufrad mit SON liegt bei 200plus, was zeigt, wie gering die Überschussmengen sein dürften .
    Im „modernen“ fahrbetrieb ist der nady als zentrale Stromquelle unverzichtbar geworden, weil er ja auch als ladestation dient für diverse endgeräte (möglicherweise gleichzeitig) . das hatte ich in meiner Preisfrage oben vergessen. Wer also einen braucht, zahlt ; das Smartphone et al. war ja auch nicht umsonst und beides sollten meist Anschaffungen für plusminus fünf Jahre sein. Für einen dauerbetrieb (mit dem rad zur Arbeit) ist das nicht unbedingt verkehrt. individueller wird es aber, wenn es um Dinge wie Brevets geht.
    Wie Du schreibst, ist man nicht einmal mit einem sehr hochwertigen Rad wie dem Koga Randonneur wirklich zufrieden. Gerade wenn man vom rennrad kommt, hat man ans Fahrverhalten andere Ansprüche entwickelt, die ich zB nur ungern missen möchte. für mich ist es ein Einkaufsrad oder Campingrad geworden, ein Gerät was Taschen vorn und hinten will und braucht. dann spielt es seine Vorteile aus.
    Deshalb ist es auch aus der Planung für BWB herausgefallen, weil ich mich ganz klar gegen ein „Biwak-Brevet“ entschiedne habe. Ein Rad, das 3kg schwerer ist und 2kg mehr Gepäck mitführt ist einfach nur kraftraubend, wenn das Zeitziel 90h heißt.

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