Es ist ein Wunsch-Morgen. Frisch, mild und menschenleer rollt es am Ufer der Mosel hin. Alles sehr übersichtlich und bekannt. Bessere Bedingungen gibt es nicht, wenn man die Schlammüberspülungen der Straße übersieht. Nur insgesamt frischer müßte man sein.
Dann kann so ein Morgen sich durchaus zäh anfühlen und wenn die kleinen Gänge nicht geschmeidig laufen wollen, wird die Hoffnung auf einen guten Café leicht zur Vision. Und da wir schon so gern über Tankstellen reden, möchte ich einfach mal auf den Unterschied von Aral zu Aral hinweisen.
Es gibt die Selbständigen und die Pächter hinter der Theke.
Früher, irgendwann als Helmut Kohl noch selber zum Steuer griff, waren die meisten Tankstellenbetreiber selbständig. Die Tankstelle war eher die Zweigstelle einer Autowerkstatt mit Waschgelegenheit. Man vereinbarte einen Liefervertrag mit dem Bochumer Verein, den Rest machte man unter dem Betondach mehr oder weniger wie man wollte. Natürlich gab es dafür ein Werbeschild, eine Preistafel, der Spritlieferant wollte ja gern, daß man an seinen Saft glaubte (Tiger im Tank).
Dann wurden Tankstellen zu Konzernangelegenheiten, die Standorte verlagerten sich an neue strategische Orte wie Gewerbebiete, Autobahnkreuze – unsere neuen Landschaften entstanden mit 20 Zapfsäulen und 400 Halogenscheinwerfern. Der 24h Stundentag war geboren.
Das waren nun Objekte die man verpachtete, wobei man gleichzeitig an den großen strategischen Punkten auf Beutezug ging und hoffte, der lukrative POS an der Weinstraße würde bald (Erbfolge) in den Schoß des Konzerns übergehen. Gefahren wird immer, gegessen und getrunken auch. Der Unterschied besteht darin, ob einem der Konzern den Kaffee spendiert oder ein Eigentümer. Daher die Kaffeefrage, darum mein Mißtrauen. Es ist nämlich wie in jeder Pizzeria – Geld bringen die Getränke, das weiß jeder, der ein Glas Sprudel bestellt und dann überlegt, was es im Handel gekostet hätte – ein zwanzigstel.
Das gleiche Spiel kann man mit dem Kaffee betreiben . Eine bonamat Aufbrühmaschine ist Standard unserer Kantinen: diese Dinger unter denen dann einen halben Tag lang eine warmgehaltene Kanne steht. Spülwasser. Leider machen viele Selbständige diesen Fehler, gerade am Koffein noch ein wenig mehr Spanne abzuquetschen und kaufen sich die falschen Geräte die sie mit dem falschen Bohnen befüllen und dann als „Pott Kaffe“ „günstig“ unter meine Nase halten.
Die Pächter haben es da nicht so leicht. haben sie nämlich den Vertrag mit der petit bistro Abteilung des Konzenrs abgeschlossen, stehen sie unter Abnahmezwang. Der Konzern kauft eine bessere maschine, liefert bessere Baguette und alles ist immer frisch und nicht vom letzten Wochenende noch übrig. Der Pächter stöhnt, denn er ist in diesem Spiel nur noch der Darreicher. Was er als Selbständiger tut finde ich aber an diesem morgen um halb 7 wesentlich nachteilhafter. Manchmal hat man keine Wahl und nicht soviel Glück wie einst in Bad Orb.
Und so habe ich denn dieses lustlos verkochte Gebräu welches mir lustlos überreicht wurde in Empfang genommen und nach zwei Schlücken in die Rabatten geworfen. Der genaue Standpunkt dieser versuchten Vergiftung ist Treis-Karden, OT Karden. Sie sollten eine schöne gelbe Ciao Agip dorthinsetzen bis zum nächsten Brevet.
Es ist also ein schöner, milder, irgendwie beschissener Morgen an der Mosel, während ich versuche die Reste des Cochemer Stadtfestes zu meiden (Wein vermutlich) und stoisch lahm an den herrlichen Lagen „Goldlay“ et al. vorbeischleiche und mein Schicksal namens Beilstein auf mich zukommen sehe. Es geht links hinauf. Nach der üblichen Treppenstufe kann ich noch einmal kurz bis zum Ortsschild Luft schnappen.
Man frage nicht wie, und vielleicht werde ich eines Tages feststellen, daß dieser 4-kilometrige Anstieg eigentlich nicht so wild ist, wie ich ihn erlebt habe. .
Die Mettwurst schmeckt nach den Schweißbächen umso besser, langsam schneide ich mit dem Opinel N°8 Stück um Stück ab und bereite mich auf einige Wellen vor, von wo es zurück ins gelobte Tal nach Zell zurückgeht, an die Mosel: dort endlich wartet die Tankstelle eines Pächters von Format auf mich. Bitte einmal volltanken und danke Rewe to go. Joghurt, Mandlecroissant, Cappucino, Vollkornbaguette, Mineralwasser, eine weiße Ritter Sport mit Nüssen und noch ein schönes Laugenbrötchen mit Gouda, Schinken und Tomaten für unterwegs.
Zwei Mitfahrer, die gerade wieder aufbrechen haben mir all diese schönen Dinge übriggelassen und verabschieden sich. Wir sehen uns dann später. Jetzt ist der südwestliche Punkt erreicht, der Weg geht nun Nordost durch die Eifel bei leichtem aber gutem Wind. ich grüße die Mosel zum Abschied und frage mich, was die grauen Wolken für mich und die letzten 150km übrigbehalten.
Aber ersteinmal geschieht das Wunder der Kalorien. Der sanfte und stete Anstieg in die Vulkaneifel läuft rund und die breite Straße ist gut geteert. Schlammbraun kommt der kleine Wasserlauf an mir vorbei und wird weit unter mir die Mosel verfärben.
Bad Bertrich ist eine Kurstadt in der Nische, wie sie exakt in einem alten Roman hätte auftauchen können. Die Auslagen sind gefüllt, Busse fahren an, Holländer packen dutzendweise Motorräder aus Transporter (das Flachland . . . ) – das intakte , leicht künstliche Paradies.
Häuser und Grafikdesigns sind bestens konserviert, der Anstieg geht weiter. Bald bin ich auf der Höhe und es macht Spaß. Die Holländer schicken einen Voraustrupp potenter Maschinen Richtung Hocheifel – ich ziehe hinterher.
Ein prima Gebiet für TrÜbPl dachte ich eben noch, aber auch Hochregallager geben jeder Region ein interessantes Gepräge. Leider ist der Himmelsrahmen eindeutig. Die Richtung, in der ich unterwegs bin besteht aus einer Regenwand: daran ist nunmal kein Zwiefel. Regenjacke über, der Brevet beginnt.
Erst in kleinen Tropfen, dann allmählich stärker – die vorausgeeilten Motorräder halten an, das Schild Nürburgring werden sie schonnicht mehr erreichen. Dann schüttet es dicht und fest und in den Abfahrten piekst es auf den Wangen.
Aus den Augenwinkeln sehe ich zwei angelehnte Räder vor einem kleinen Dorfladen – vielleicht haben sie den leuchtorangenen Punkt vorbeiziehen sehen, der seinen Weg macht. Ich habe meinen Berg für heute gefunden, folge der magentafarbenen Spur auf dem Display, daß immer wieder freigewischt werden muß und weiß, das es kein Nachlassen geben wird. Dann verzehre genüßlich mein letztes durchgeweichtes Brötchen, bevor es hinunter in die nächste Schlammlawine geht.
So sieht das dann aus, und so geht es dann weiter, Tal um Tal, Ansiteg um Anstieg. Mayen, 12h: eine einzige Autokolonne flieht vor „Rock am Ring“. Mendig: es dürfen nochmal 12%sein. Brohl: gegen taube Finger hilft ein heißer Kakao. Bonn: ich mache einen Punkt Bismarckturm! Duftende Ahornbäume und Pappeln, feuchtes Wetter hat auch seine Freuden. Dann Troisdorf und kein Saft mehr auf dem Navi:man mag irgendwann diese vielen kleinen Bungalow und fragt freundliche Bewohner nach dem Weg. Geschafft.
und wie ich heute weiß: ohne gesundheitliche Schäden.
Und das ist fast alles, was man dazu braucht.