Der willkommene Motor

Manche fühlen sich getäuscht, wenn sie auf dem Lande Ruhe und abgeschiedene Stille suchen. Ab Mai, wenn die Sonne um 5 in der Frühe aufgeht beginnt in Wald und Flur ein sehr intensives Reviersingen unter den Vögeln.  Menschen mit leichtem Schlaf  werden kaum wieder zur Ruhe kommen. Sie sollten auf den Herbst warten.

Der Herbst ist um, die Blätter fort und jetzt geht es auf den kürzesten Tag des Jahres zu. Wenn ich mein Winterrad abstelle, dann höre ich im Erbachtal nur noch ganz vereinzelt Vögel rufen: Kolkraben mit eigenartigen Lauten, die erst einmal gar nicht einzuordnen sind. Spechte, wie sie blöde kieksend von Waldstück zu Waldstück wechseln; ein schwarzer war neulich wieder dabei. Und die üblichen Finken – ein Völkchen – : das scheuche ich im Vorbeifahren aus einem Busch. Aber das wars schon zwischen Niedererbach und Obererbach auf der kleinen Allee, die sich um den Hügel windet und an der ich im Sommer wilde Kirschen fand.

Eine gute halbe Stunde habe ich noch um den Ranzen mit Äpfeln zu füllen und die beute heimzubringen. Den schwachen Frost haben sie überstanden, ich muß nur den Dreck abwischen – ab in den Sack zu Nuß und mandelkern.

Fast windstill  hier und erst gerade kam es mir so vor,  als hörte ich oben die Kleinbahn: ich warte, um das Schauspiel zu genießen.  . .Umsonst; denn es war nicht der brummelnde Dieseltriebwagen, sondern das monotone Rauschen der Autobahn, die  2km Luftlinie entfernt ist. Die Motorleistung der Fahrzeuge stieg inzwischen auf durchschnittliche 150 (sic!) PS oder um die 130kw. Das entspricht mal eben einem 1972’er Porsche 911 -: als es nur ein Drittel der heutigen Fahrzeuge gab. Dies nur zur Erinnerung an eine kleine, völlig surrealistische Umweltdebatte, die seit Jahr und Tag durchs Land zieht. ich aber sage euch : die Maut wird kommen, werdet bitte nicht weniger, ihr finanziert die Energiewende. Gute Motoren, schlechte Motoren.

I

Ich hole einmal tief Luft und will wieder los, als ein einzelner Motor ruft. Ein willkommener Motor.

Es ist das Tuckern eines Traktors, das regelmäßige Stakkato-Pochen eines kleinen Zweizylinders – ich warte ab, was da gleich um die Ecke biegt . Ein Relikt der 1950er, als Traktoren selten mehr als 20 PS hatten. Sie waren eine willkommene Revolution. Sie machten, eine Arbeit erträglicher, über die wir Enkel ungläubig staunen würden. Wiesen mähen, Ernten einholen, pflügen und jäten, Bäume aus dem Wald schleppen . . . . sich schinden, bis es einfach nicht mehr ging. Heute fährt er spazieren.

Dort zieht er hin, der Hanomag, fast 70 Jahre, nachdem sie ihn in Hannover zusammengesetzt haben. Eine teure Maschine damals: und mit Dach.  Die Zylinder klingen sauber, kein Getriebe zu hören, die Speichenräder ziehen an mir vorbei und bringen eine Christbaum nach Obererbach.

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6 Antworten zu Der willkommene Motor

  1. monnemer schreibt:

    Aus der surrealen Nutzfahrzeug-Mautwelt: die Halter der saubersten Euro6 40-Tonner werden zum 01.01. mit einer Mauterhöhung von 38,5% beglückt, während die Klassen 0 – 5 mit über 10% weniger erhöht werden (im Schitt so ca. 25% Erhöhung).
    Irre.

  2. crispsanders schreibt:

    Sehr schöner Beleg für eine Vermutung: die Highwaymen operieren digital – was dann damit letztlich finanziert werden soll, ist völlig schnuppe.
    Mit der Ökosteuer auf Sprit wurde seinerzeit einer Rentenlücke beigesprungen. Aber mei, wie der Preuße sagt,.. : solange Staumeldungen über 5km länger sind als die Nachrichten, haben alle alles richtig gemacht.

  3. monnemer schreibt:

    Die Zwickmühle, in die sich die Verkehrspolitik zwischen dem goldenen Kalb und den Feinstaublungen manövriert hat, beobachte ich eher amüsiert als betroffen.
    Nicht unüblich, dass jemand, der schon mal versucht hat, einen Güterwaggon bei der DB zu chartern, die Zuflucht in Sarkasmus sucht.

    Was die Tochter vom hektischen Aktionismus unter dem Damoklesschwert der Gerichte aus Wiesbaden berichtet, ist aber auch putzig.
    Neulich hab ich auch einen Bericht darüber gesehen (ab ca. Minute 9):
    https://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=77922

    Alle machen alles richtig, genau!

  4. crispsanders schreibt:

    Meschugge, aber auf hohem Niveau.
    Auch die Flughäfen funktionieren wieder mit voller taktzahl. Gar nicht auszudenken, wenn jetzt tausende sich nicht von ihrer Jahres-End-Depression erholen dürften.
    Leinen los meine Herren
    (A. de Montgolfier)

  5. Twobeers schreibt:

    Auch auf diesem Wege wünsche ich alles Gute für 2019! Bleib gesund, fahre Deine Touren und berichte darüber!

  6. crispsanders schreibt:

    Danke für die Treue!
    Allen meinen bekannten und Unbekannten Lesern. ich sollte mal einen Neujahrsgruß senden, muß aber endlich wieder aufs Rad . . .

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