Und nach Iserlohn sind wir Aus den Tälern langsam heraus. Die Werkssiedlungen bleiben im Hinterkopf. Sie zeigen gleichzeitig, was man von den Bewohnern hält. Keine hundert Meter weiter wird deutlich: Es wurde mit der Zeit nicht besser.
Rückblende in die erste Siedlung . .
Der Nullpunkt ist durchfahren. Richtung Westfalen liegt kein Schnee. Schon vor Menden wird es beinahe gemütlich. Wir sehen Spuren.
Salzspuren der voranfahrenden Randonneure. An den schmalen Reifen könnt ihr sie erkennen. Eine feuchte Spur: also nicht mehr weit vor uns. An der Kontrolle treffen wir einige wieder. Wir haben unseren Rückstand wettgemacht, geben die rote Laterne ab. Ein wenig Ehrgeiz muß sein, auch wenn es „nicht darum“ geht. Nicht nur, aber eben auch.
Nach der Mittagsrast überwinden wir den Ruhrgraben und kommen in die große Ebene.
Dieses Land zwischen den Autobahnen ist keine Gegend für längere Beschreibungen. Funktionalität : Zubringer, Umgehung, Siedlung, Hochregallager. Punktuell Schweinemast.
Eine deftige Pizza, zwei Bier und das nett mit italienischem Akzent serviert: hilft gut, die Kilometer abzuspulen. Der Wind (man sehe die Kühlturmwolken) ist ein gnädiger dreiviertel – Nordost. Dankbare Situation.
Mit Fröndenberg (home of the Rickert!) verließen wir die factory valleys fürs flache Westfalen und im ruhigen Gleiten genieße ich die Details an Roys Peugeot.
Es trägt das 80er-Design von Millionen Peugeot-genossen, mit Schrägstreifen, wie sie auch Tennisschläger Björn Borgs zierten – Donnay, Klassiker aus den belgischen Ardennen. Diese Tennisschläger aus Holz waren die letzten ihrer Art, bevor die Alu und Carbon-Bratpfannen kamen. Eine kuriose Parallele zu unseren Rädern. Alles am Perthus ist leicht und filigran. Und so schwebt Roy lautlos nach Norden über die langen Alleen.
Längst ist der Morgenfrost vergessen, der gemein die Fingerkuppen beißt. Der Körper gewöhnt sich schnell an die Dauerkälte, solange er genug Brennstoff hat und in Bewegung bleibt. Gerade trockene Kälte ist erträglich. Spezielle, polare Winterausrüstungen sind nicht erforderlich, die Beweglichkeit soll erhalten bleiben. Ich empfehle eine gute Mütze, die man über der Stirn umschlagen kann, ein paar Unterhandschuhe, zwei Paar Socken, am besten aus Wolle.
Die tiefe Wintersonne macht schmeichelhaftes Licht und weite Schatten – hier streift sie eine Krippe , die den Kreisverkehr religiös aufwertet. Die Buchstaben im Hintergrund unterstreichen den kultischen Charakter des Ortes.
Der nördliche Wendepunkt ist eine ruhige, saubere und sehr aufgeräumte Stadt namens Ascheberg, Kreis Warendorf, unweit von Münster. Etwas langweilig, aber nicht arm; die Glocken läuten, in Schwarz kommen sie uns zur Abendmesse entgegen, wir ziehen südwärts.
Besser könnte es kaum rollen, das Navi funktioniert mit Lithium Batterien noch besser, irgendwie gelingen mir trotzdem noch Lesefehler. Im letzten Licht plus Mond grüßen wir Nordkirchen, seinen Park und das verschneite Kopfsteinpflaster. Gegen 6 Uhr eine Aral in Lünen – halten für nen heißen Kakao und ein paar Energieriegel.
Bundesligaberichte, zunehmender Wochenendeverkehr, alles wird dichter, der Kakao ist großartig; man darf nicht vergessen, tief umzurühren . Wir wuseln weiter Dortmundwärts unter dichterem Verkehr: letzte Einkäufe in taghell leuchtenden Supermärkten, erste Verabredungen zum Essen in der Stadt.
Ich wußte es nicht, doch auch wir sind zum Essen verabredet: Roy schreit auf, als er an einer großen Kreuzung in Witten die Leuchtmasten aller Schnellrestaurants des Planeten sieht. Erst weiß er vor lauter Freude gar nicht wohin, aber dann ruft er etwas wie „Salsa“ und wir steuern auf unser kulinarisches Verhängnis zu.
So sehr ich Tankstellen bevorzuge (halten ihr Versprechen schnell und direkt) -, bin ich heute dankbar für diese Gelegenheit, die Bewohner von Schnellrestaurants zu studieren..
Diese scheinen einem Königreich oder einem geheimen Bund anzugehören, der sie offenbar verpflichtet, beim Essen Fahnen auszulegen. Eine Art Gebetsteppich?
Mich erstaunt, wieviele Welten es in diesem hohen Raum gibt, besser gesagt – geben soll. Die Zahl der auf großen Leuchttafeln angebotenen Speisen ist riesig, die Kombinationen mit Getränken zahllos und ich bitte Roy, mir einen Weg durch den Dschungel zwischen Steak-Saloons, Highways und High-Rise Welten zu weisen.
Das was ich esse ist warm und pampig und hat alles einen Geschmack, der zwischen würzig und salzig steckt, aber homogen ist. Der Kaffee ist eine gute Überraschung, eindeutig aus Bohnen gemacht.You’ve come a long way, babe. Wieder raus.
Mit einigen Navigations Holperern dann angekommen. Die dunkle Zwischenwelt genossen, die schwarzen natur-Löcher zwischen den Städten des Ruhrgebiets.
Style is important. It’s always been at the top of my list of things needin‘ attention. Cycling has fashion AND style. The former is for the little people. I’m inclined to channel a higher calling (Richard Sachs)