Etymologie : seinerzeit nannten Römer die Stämme auf niederländischem Gebiet Bataven. Die Niederländer (die wir auch Holländer nennen) übernahmen diese Bezeichnung für die Hauptstadt ihrer niederländisch-indischen Handelgesellschaft auf Java, Batavia. Genauso wurden aber auch Salatsorten oder Schiffe getauft .
Batavus schließlich nannte und nennt sich seit 1904 eine traditionsbewußte Fahrradmarke, deren Hauptgeschäft naheliegenderweise Hollandräder waren. Die Stadt Batavia ging nach dem Krieg verloren und heißt seitdem Djakarta.
Batavus aber lebte weiter und war neben Gazelle und Sparta der dritte große Name, dessen Verbreitung in den flachen Teilen Deutschlands – besonders im Münsterland – mit dem langsamen Siechtum der Deutschen Radmarken anwuchs. Gegen die robusten, wartungsarmen Stahlrösser mit den vollverkleideten Kettenkästen und dem integrierten Schloß gab es kaum Konkurrenz.
Weniger Ruhm erntete Holland in unserem Land mit seinen Rennrädern. Wenn ich mich recht erinnere, hatte der großversender Brügelmann lediglich Gazelle anfangs in seinem umfangreichen Programm, und das nie an prominenter Stelle. Vielleicht ist das auch heute noch ein Grund, weshalb niemand mir diesen eher günstigen Rahmen wegschnappte. Ein italienischer Name dagegen . . .
Für alle, die also die Gelegenheit verpasst haben ein batavus Professional zu erwerben, unterbreche ich einmal meine Reiseberichte und stelle ausführlich das perlmuttfarbene Stück vor. So schnell wird kaum eins wieder auftauchen. Einer der Gründe für diesen irrationalen Kauf war sicher die silberne Gazelle in exakt gleicher Größe RH60, die ich mit sehr viel Genuß bewege. Ein Vergleich wird folgen und es wird sicher interessant zu ermitteln, ob einer dieser zweieiigen Zwillinge den anderen überflüssig macht. Aber zunächst zum Batavus, Modell professional aus R 531, alle Rohre konifiziert.
Was haben wir vor uns? ein absolut klassisches Rennrad, wahrscheinlich der frühen 80er jahre. An den Ausfallenden messen wir 126mm Achsabstand: das Maß für 6/7fachen Ritzelpakete, ein Standard der zwischen 1976 und 1988 vorhält, bevor für 8fach schaltungen der Hinterbau auf 130mm anwächst.
Die aufgelöteten Ösen am Oberrohr weisen auf die frühen 1980er hin, bevor Bremszüge aus angeblich aerodynamischen Gründen ins Oberrohr verlegt wurden.
Die Bohrungen für die Bremsen sind schon für Inbusbefestigung vorgesehen, was nicht nur die Auswahl an Bremsen erweitert sondern auch auf knappe bis mittelhohe Durchläufe hindeutet. Rennräder bei denen Bremsen mit Muttern gekontert werden haben fast immer die hohen Brücken, die auch 35er Reifenbreiten problemlos zulassen.
Hier plane ich nicht ganz so üppig und die SilberGazelle, die über eine identische Vitusgabel verfügt, gibt da Hinweise. Es macht Spaß, ein scheinbar identisches Rad zu variieren: denn damit Fahren ist immer noch etwas völlig anderes.
Perlmuttweiß ist eine sehr schöne grundfarbe auf schlanken Rohren – solange niht allzubeschädigt und vom Rost durchsetzt. Hier habe ich Glück gehabt, auch wenn der (oder die) Vorbesitzer das Rad mit großer Gründlichkeit geputzt haben müssen: an fast allen Kanten und Übergängen ist der Lack geradezu runterpoliert.
Nun kommt die Frage nach den passenden Komponenten und langsam habe ich eine Idee, was ich für ein Ergebnis will. ich stelle mir nun vor, was ein sparsamer batavischer Amateurfahrer sich an diesem Rahmen montiert hätte.
Eins weiß er seitdem er Räder aufbaut: die teuersten und seltensten Teile mögen Prestige haben, Freunde zu Neidern werden lassen, von der Funktion bringen sie keine Vorteile. Jedem, der sich ein wenig mit klassischen Rädern auskennt ahnt: der Batave braucht keine Gruppe von Campagnolo. Konsequent hätte er es so gemacht: Das Rad komplett gekauft, die werksmäßige Record (oder Super Record) runter und sofort NOS gewinnbringend verkauft. Teile, die in der Summe mehr einbringen als Gesamtpakete. Dann mit dem Geld eine andere Gruppe suchen und den Überschuß ins Verbrauchsmaterial investieren. Reifen und Ketten, trikots Schuhe und Shorts.
Und ich finde meine kleinen Teile. Aus den unendlichen Welten der Galaxie Shimano nehme ich die frühe „105“, Werkscode 1050. Sie hat alles was die großen Geschwister 600 und Dura Ace haben: Schrägparallelogramm am schaltwerk – indexfähig! – schrägführung des Umwerfers, Bremsen mit Rückholfeder (SLR genannt) und und und.
Bei einigen vitalen Teilen nehme ich allerdings doch lieber die 600. Die Bremsen sind einen Hauch straffer und robuster einzustellen. Und bei den Laufrädern gilt sie als noch etwas langlebiger. Laufräder sind wichtig, sehr wichtig.
Für den preisbewußten Bataven ist es gut, daß die Franzosen sich zu lange auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben. Auch wenn Hinault die Tour 1981 auf rein französischem Material gewinnt: Rennräder anderer Länder sind weder mit Simplex noch Spidel unterwegs. Das drückt die Preise und so kann ich als kluger Rechner zwei wunderbare französische Komponenten billig erwerben: den Steuersatz D9 von Stronglight, ein sehr leichtes und gutes Modell mit Nadellagern, und den sagenhaft geschmeidigen Simplex retrofriction Schalthebel mit der eingbauten Spannfeder. Nadellager und Spannfeder gibts anderswo weder für Geld noch gute Worte. Vive la France.
Voilà, und jetzt, um die italienischen Freunde nicht zu vergraulen noch eine klassische Lenkkerkombination: Giro d’Italia in 44cm Breite mit 11cm Vorbau. Beinahe hätte ich die Sattelstütze vergessen: ein schön langes und leichtes modell von Selcof, da kommt dieser Italia Sattel drauf, den Eddy le Merckx signiert hat. So sind alle zufrieden und ich kann die Saison mit ein paar Reserven angehen. Von Campagnolo habe ich jetzt virtuell noch 1000 Gulden übrig und ein wettbewerbsfähiges Rad für die Saisons 1983-1987.
Die Probefahrt erfüllt alle Erwartungen. Die 105 schaltet supergeschmeidig und retrofriction braucht erheblich weniger Kraft als ein indexierter Schalthebel von Shimano (oder Suntour) . Und anders als bei Campamodellen muß die Spannung auch nicht über eine Bügelmutter dauernd nachgestellt werden, weil der Schaltzug zerrt. Parfait und absolut klassisch.
Ich erklimme die knackige Steigung am Molsberger Schloß: nichts wackelt, nichts knackt, kein Gang springt heraus. Dann wieder hinunter: null Vibration. Top.
Gerade Bataven sind religiös tolerant: In der Niederländischen Provinz Limburg stehen solche Marienbilder an jeder Ecke. Und auch hier ist Limburg nicht weit und der König den die Nassauer uns vor 300 Jahren stellen, stammt auch von hier. Ein Kreis schließt sich.
So fahre ich in seinen Farben weiter. Blau, weiß und Orange/Rot.
Ich füge einmal ein paar Verwandte aus dem Netz hinzu:
Dieser hier ist verkauft. Bis auf die Zugführung am Tretlager (und eine verchromte Gabel) scheint er identisch. Das Blau ist ebenfalls gleich. Der name Piet Nizet klingt in meinen Ohren nach: dort kaufte mein Vater vor 40 Jahren einen Jugendkranz, Regina Extra, den ich vor der Montage hunderte mal an meinem Daumen kreisen ließ.
Aus der Zahl links vermute ich die die Datierung : also 2 für 1982, 3 (s.o.) für 1983. In der Mitte (das ist einfach) steht die Rahmenhöhe -59, 60 etc – also in 1cm Schritten. Rechts dann die Seriennummer. Nur die Initialien sind noch rätselhaft – sehr schön.
Javaanse Jongens, sieht nach Fahrspaß aus! Die Rahmenlackierung ist eh klasse.
Recht leicht ist es auch, mit Teilen, die funktionieren, statt zu glamourieren. Mütze ist ebenfalls da – alla hopp sagt man hier.
Den Steuersatz behalte ich mir mal im Hinterkopf, falls der vom Flema endgültig die Grätsche macht.
Der Steuersatz heißt in Wirklichkeit A9 und wird irgendwo seit 1979 produziert. Nach Brügelmann war er auch neu nicht billig aber Legende muß sein.
zu Javaanse Jongens fällt mir noch Drum und Van Nelle und Bison ein – das war die alternativ-korrekte Weise der Sucht. Inzwischen sind wir bei +5kg Eimern in Luxemburg angekommen. Auch Aldi hat hier nun eimerchen an der Kasse.
Da fand ich als Nichtraucher das heimelige Drehen rituell schon akzeptabel.
Zurück zum Rad, daß sich in der Tat sehr lebendig und straff anfühlt. Das ILGehäuse hat 28cm Bodenabstand, soviel sei hier vor dem großen Vergleich Champion Mondial vs. Professional schon verraten. . . .
Falls mal einer überflüssig wird….., nehm ich!
Fast alle meine Räder sind Fundstücke, Zufallsprodukte und Unikate. Keines war eigentlich „geplant…“