Überleben in der Pandemie – eine Tanke, 50 Biker und Du

Es ist , als wäre zur Zeit der Himmel noch etwas blauer, das Wetter noch etwas schöner, damit wir erkennen, wie schön ein Himmel ohne Flugzeuge sein kann. Farblich passend dazu das große blaue Rad für einen Ausflug durch ein paar Nachbartäler.

a02Lahntal, Aartal, Gelbachtal –  3 in dieser Reihenfolge.

Der Blick schweift über sanfte Höhenzüge, die vor mir liegen. Vom Wegrand duftet es frisch und neu. Es ist der Frühling des Jahrzehnts.

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Nach den Schlehen jetzt die Kirschen in jeder Form und zaghaft Andeutungen von Apfel und Birne. Ahorn in hellgrün, dazwischen melange, Erlen sind unauffällig.

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Auch mit einem geflickten Schlauch schaffen 25mm Reifen „gravelschotter“ Passagen mühelos, talkumieren hilft. So lassen sich weniger schöne Abschnitte der Strecke umfahren – Halden von Gebrauchtwagen beispielsweise, die auf ein großes Schiff warten. Sagte ich schon, wieviele dieser Autos rostfrei und kaum 10 Jahre alt sind?

b4Trotz der Resiebeschränkung ist Wandern kein Volkssport an diesem Osterwochende. Hie und da ein Menschen-Tupfer, dann und wann ein Fatbike, das wars schon, keine drängelnde Nervosität auf den Feld- und Waldwegen. Nervös sind eher die Motoren an der Bahnschranke am km 61.315. Wie beruhigend präzise die gute Bahn wirkt.

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Westwärts weiter,  im gleißenden Licht unter den Schattenbalken von Autobahnen hindurch, hoch über die Dörfer, abwärts an den Pferdeweiden vorbei: das Aartal empfängt mich, etwas mehr Blüte noch, ein Mikroklima des Friedens, aber dolce vita ist nicht – das Eiscafe nimmt nur telefonische Bestellungen entgegen. Ich habe gar kein Telefon.

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Aber der Sauerbrunnen sprudelt frisch in sein 500stes jahr hinein. Vom Flatterband distanziert nähern sich die Sportler ehrfürchtig der eisenhaltigen Naturkohlensäure. Das ganze Becken ist vom Eisenoxid fein überzogen. Nebenan führt der Radweg vorüber. Kinder auf Skates, Rädern, Waveboards fahren vor Eltern her, die mit gerötetem Gesicht dem schlingernden Kurs folgen.

Finde jetzt den schattigen Weg aus dem Aartal : – rüber nach Dörsdorf.

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Weißer Puderzucker über dem kühlen Grund. Gradient steigend. Oben warten  Felder unter riesenhaften Dreifüglern.  Vielleicht gibt es noch  Eis in Katzenelnbogen. Nordic- Walking Paare schweben über die Landstraße und werden vom nächsten Feld verschluckt.  In Katzenelnbogen ist die Straße ausgestorben, das Café geschlossen, die Landmaschinen warten auf die nächste Woche. Das Schweigen der Rasenmäher.

Nur Kartenzahlung an der automatischen Tankstelle, Kraftstoff kann man nicht trinken. Wieder hinaus, letzte Schilder alter Imperien (Agfa und Kodak) haben ihre eigenen Produkte überlebt. Schreibt Postkarten, ich muß hinüber ins nächste Tal.

Den Rupbach hinunter, aber nicht zur Lahn. Motorräder grollen links und rechts, sehen schräg mit Insektenaugen um die Kurven. Einen steilen Sonnenhang hinauf: was nutzt der schönste Asphalt, wenn der Magen leer ist. Endlich abwärts.

a05DORT  in einem offenen schwarzen Auto löffeln zwei Menschen an Eisbechern. Vor dem Lokal steht der Patron und raucht,  ich nähere mich. “ Kein Eis, Sie sind Radfahrer. Nur Autofahrer bekommen Eis, das sie dann im Auto verpeisen müssen“.

So sei es Vorschrift und die bitte allemal milder als drüben die hessische, die ja Eisläden ganz schließe, ja überhaupt weder Gastronomie noch Wirtschaften den Ausschank erlaube. Er nimmt einen Zug aus der Zigarette, sehr tief. Nein, Motorradfahrer auch nicht, die würden ebenfalls in Rudeln auftauchen und Risikocluster bilden, wenn sie sich gemeinsam hinhockten. Das Auto dagege sei ein geschützter Ort, auch ein offenes Auto, ist ein Immunitätsraum. Wanderer, tröstet er mich, werden auch nicht bedient. In Flugzeugen ist der Ausschank erlaubt.

ab1Das ganze Nest, ein Eldorado der Tortenmörder, ist völlig ausgestorben. Ich habe seit drei Stunden nichts gegessen, trinken allein reicht einfach nicht. Aber die 5 Kilometer bis Nassau, die werde ich schaffen und grüße den Mann, der auf bessere Zeiten hofft. Möge sein Campingplatz bald wieder öffnen.

In Nassau gibt es genau eine Tankstelle. Also genau eine, die Aral auf dem Hügel an der alten Landstraße ist letztes Jahr verstorben.Die Monopol Tankstelle  ist heute ein Wespennest ein- und ausfliegender Motorräder Dazwischen Automobile, am Rand ein paar scheue Radfahrer. Ihr wollt einen Cluster: hier habt ihr einen. Nummernschilder aus drei Bundesländern, die Tanks sind groß. Ich muß hinein, hinein in die Todeszone.

a5Nur notdürftig markiert stehen hier ausgedorrte und hungrige Menschen auf Abstand. An der Snack-theke erspähe ich noch letzte Reste. Diesmal gilt es und mit Todesverachtung reihe ich mich zwischen Männern ein, die unter ihren Protektoren und Lederhäuten schwitzen. Ich muß die 50 Biker meiden, die sich draußen als wahre Virenschleudern aufgereiht haben. Der Motorenlärm hört nicht auf, es ist ein Sausen und Brausen .

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Die Geschichte des Privatlebens (Ariès / Duby Hsg. ) muß nicht umgeschrieben werden. Dort: ein Kondensstreifen, ganz eindeutig. Lebbe geht weider. Und es ist Ostern.

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So ist das Gelbachtal, wenn man an einem Wochentag im Vorfrühling unterwegs ist. Aber diese schöne Verbindung von der A3 zu Lahn ist nicht nur eine Idylle der Abgeschiedenheit, der einsamen Schwarzspechte und des murmelnden Wassers. Hic sunt motores.

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Menschen sind entschlossen, ihre guten Gewohnheiten nicht so schnell aufzugeben, dafür haben sie schließlich etwas getan. Tagesausflüge auf dem Motorroß gehören dazu, Corona hin Corona her. Wer auch immer denkt, daß nach der überstanden Pandemie nichts mehr so sein wird wie zuvor, könnte sich täuschen. Eigentlich wollen alle genau das Leben zurück, das sie vor der Krise geführt haben und zwar so bald wie möglich. Auch mit der kleinen Klima-Fußfessel Kondensstreifen.

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Mein blaues Rad blickt auf die letzte Kehre, die mich aus dem wilden Tal , dem Echoraum der der tausend Motorräder herausführt. Der Himmel leuchtet, Vögel singen und hüpfen wild von Ast zu Ast. Zurück und hinter die Wälder.

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Sie blühen einfach weiter.

 

 

 

 

 

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