Wieder hinaus ins Grüne, wieder und wieder bei voller Sonne. Wir schreiben den zweiten Monat eines großen, weltumspannenden Gesundheitsexperiments. Nach wie vor ist es neu, und seine seine Dimensionen übersteigen die Vorstellungskraft .
Unterwegs zum Feldberg, um die Zeichen der Zeit zu deuten, die Hieroglyphen.
Vergleichen wir es mit einem planetarischen Waldbrand: ohne Schneisen greift das Feuer über. Gibt es kein Wasser, kann nicht gelöscht werden, fehlen Transportmittel für Wasser, hilft der schönste Waldsee nicht,etc . . Der Wald, das sind wir, der Virus ist wie Feuer, nur nicht so sichtbar, komplexer aber genauso ausnahmslos. Seine Unsichtbarkeit hilft, es zu unterschätzen, seine Omnipräsenz erzeugt diese diffuse Angst und die fast erratischen Reaktionen rundum. Gesundheit und Tod bleiben unbekannte Größen.
Jeder Vergleich hat Grenzen, aber in beiden Fällen entscheidet die gut organisierte Abwehr und das Vorhandensein von Reserven/Kapazitäten. Vom Feuer haben wir gelernt, für Brände wurde vorgesorgt bis in kleinste Gemeinden .
Die Techniken der Feuerbekämpfung sind seit hunderten von Jahren eingeübt, Techniken der Epidemiebekämpfung weniger. Die Impfpflicht war ein erster Schritt, aber nur ein vorläufiger und fast scheint vergessen, was die Menschheit damit gewann.
Wir stehen am Anfang. Die Globaliserung, die Verdichtung der Welt wird ebensowenig aufgehalten wie Gesetze einer Evolution, die uns mit immer neuen Ergebnissen konfrontiert. Es mag Impfgegner oder fundamentalresistente Kreationisten geben, die Übrigen kennen die Gesetzmäßigkeiten genug, um ihre Schlüsse zu ziehen. Der unsichtbare Gegner überrascht uns dennoch , weil er die Vorstellungskraft viel stärker fordert.
Nur Kriege haben in den vergangenen hundert Jahren zu ähnlichen Einschränkungen des Konsums geführt, wie die aktuellen Maßnahmen. Diese Phase, die in manchen Ländern mit Ausgangssperren einhergeht, dauert in Deutschland ein paar Wochen, in Frankreich und England Monate an. Für eine Generation, fast zweien, die in totaler Verfügbarkeit (bei entsprechender Zahlungsfähigkeit) aufgewachsen ist, ein Kulturschock.
Und schon nach einem Monat verschiebt sich die Berichterstattung. Fort von Statistiken über Ausbreitung der Pandemie geht es über zu Statistiken des Einzelhandels, oder der Industrie. Das Rennen um die Staatshilfen hat begonnen, bevor eine Dosis Impfstoff bezahlt ist.
Seitdem findet fernmündliche eine Debatte unter Bundesländern statt, wie, wann und wo der (schöne alte) Massenkonsum ohne Gefährdung der Gesundheit wieder stattfinden soll, auch wenn es mahnende Stimmen aus der Hauptstadt gibt. Bevor es ein Löschmittel gibt, wird über trade-offs diskutiert. Ist es dumm oder schon zynisch?
Handlungsfreiheit ist demnach Konsumfreiheit . Konsum beruhigt und wer nicht konsumiert, handelt nicht: buy nothing days hin oder her. Auch wenn es brennt, wir wollen zurück in den Wald. Daher die Dringlichkeit, Möbelmärkte zu öffnen. Der Echtholzsperrmüll steht derweil in den Dörfern herum.
Wahrscheinlich trifft zu, daß unsere „entwickeltesten“ Gesellschaften tatsächlich um die Achse eines totalen Konsumismus strukturiert sind, auch auf der Anbieterseite. Oder gerade da. Wie bei einem Tanker, kann die Maschine kann nicht in voller Fahrt gestoppt werden. Die Kessel würden platzen.
Parallel geführte, öffentliche Debatten zu Nachhaltigkeit, Ökologie und Klimaschutz (Feinstaub….) sind wie Gespenster aus dem öffenlichen Medienraum verschwunden. Nichts mehr – eraserhead. Als wäre das Dilemma von der Pandemie aufgelöst worden.
(Was dort gelb blüht ist Raps – eine Ölsaat).
Allein, es wird wiederkehren, und alle mit neuer Wucht treffen, genau wie es zu sehr häßlichen Folgen führt, wenn eine Verbesserung in der Versorgung von Alten und Kranken ausbleibt. Es ist eine gesellschaftliche Wahl, keine wirtschaftliche.
Meine Perspektive auf dem Rennrad ist natürlich eine eingeschränkte, aber würzige Frühlingsluft – das ist maximale Lebensqualität auf einem über 30 Jahre alten Rad. Es fliegt dahin, die Gänge rasten trocken ein, die nächste Steigung kann kommen.
(Was dort gelb blüht ist Ginster)
Denn hier draußen im Weiltal , auf dem Weg zum (großen) Feldberg ist der Himmel ungetrübt über Wanderern, Reitern und Motoristen – dieser Sonntag im Frühling ist einer der schönsten Tage des Jahres. Der Wind weht milde, der Weg nach Arkadien ist frei.
Ich fahre gern die gleichen Routen – so zieht der Jahreskreis im Zeitraffer an mir vorbei. Die Wegmarken setzten erstes Grün an, blühen und verblühen schon. Das Jahr geht schnell voran. Die jetzt dominante Farbe ist Gelb, gefühlt zwei Wochen früher. Das schaumige Weiß in seinen Varianten tritt zurück. Und überall schließen sich die Blätterdächer.
Vermehrtes Auftauchen von EBikes auf offener Landstraße; Zahl und Reichweite steigen monatlich, Akkumulatoren nehmen das gesamte Rahmendreieck ein. Schön sie zu sehen, beruhigend, sie hinter sich zu lassen auf diesem schönen Landrücken zwischen Lahn und Weinbach.
Das „Moderne“ ist eine sehr späte Schöpfung der Raleigh Industries, beziehungsweise seiner seiner kleinen lightweight division. Was 1989 von der einst größten Fahrradfabrik der Welt blieb. Der Rahmen ist ein Gemisch aus dem sehr dünnen, leichten 753 Rohr mit dem bekannten 531 – er wiegt immer noch ein halbes Kilo weniger als ein „herkömmlicher“ Rahmen aus 531. Trotz moderater 73/74° Winkel und 100cm Radstand ist es ein trockenes Rennrad, direkt und lebendig. Das insgesamt eingesparte Kilo macht sich durchaus bemerkbar. Mit 11cm Vorbau habe ich für die Rennposition einige Zeit gebraucht, Jahre, die sich lohnen.
Hier blicke ich auf das Tal zwischen Schmitten und Oberreifenberg, Picknick am Bach. Hier beginnt eine Variante der Anstieg zum großen Feldberg, bisher nur von der Abfahrt bekannt. Bis Oberreifenberg ist die Steigung sehr gleichmäßig und moderat , am Ortsausgang dann wird es plötzlich ernst. Es geht einfach um die 10% geradewegs hinauf, wieder zurück in den Wald und dann links ab zum Gipfel.
Auf diesem Abschnitt stehen hohe Tannen in schönem Abstand, darunter ein kühler grüner Teppich. Nun Gang 2, vermutlich jeder Frankfurter Radsportler kennt diesen Anstieg – auch jeder Motorradfahrer. Der Verkehr hat zugenommen, es läßt sich aber heute gut miteinander leben. Nach einer weiten Kurve beginnt dann am Sockel der Gipfelkuppe die Zone der Parkplätze für alle, die nur ein wenig auf den Gipfel wandern wollen.
Dort bestaunen Männer – ja, es sind ausnahmslos Männer – ihre vierrädrigen Spielzeuge, die Kohlendampfer des 21.Jhdts; der Blick schweift gegenüber durch eine Baumlücke weit, weit über die Mainebene, die smogfrei ist . Die Luft ist klar und voll Sauerstoff. Unsere Zukunft wird dort unten geschrieben.
Deutlich sehe ich hinter der Stadt den Odenwald – für den Eintrag ins Geschichtsbuch.
Der Gipfel ist sehr selektiert für Autos befahrbar, für Motorräder gar nicht, das Rad ist seit Wochen König. Ich nehme die kleine Abzweigung, auf der es noch einmal kurz steiler wird und lege zur Prüfung Gang 3 auf. Wiegetritt und Zieldurchfahrt. Hinter dem Wendeplatz lasse ich ausrollen. Mein Rad lehnt am Holzgeländer an der große Wiese zu Fuß der Wetterstation.
Blütenpollen hat die Bremse eingestaubt. Menschen liegen in gemessenem Abstand auf der Wiese, Mountainbikes kommen von verschiedenen Seiten hinauf, andere stürzen über eine Lücke im Wald wieder herunter. Die Jungen sind gekommen und genießen diesen Ort. Ruhe, Frieden und Sicht in alle Himmelsrichtungen. In der Ferne 6 kleine Windräder, die den Berg markieren, unter dem ich gestartet bin . Dankbarkeit, ein guter Schluck und eine reife Banane. 7 Ritzel und eine gute Form – alles andere ist Marketing.
Die Hieroglyphen der Straße, Spuren vergangener Dramen, sinnloser Mikrokatastrophen. Überschüssige Energie vernichtet. Wir können daraus lernen, aus kleinen wie großen Katastrophen.
Und als Nachtrag noch die empfehlung einer 100-jährigen Schauererzählung, von einem kalifornischen Autor, der nicht mit Science Fiction seinen Weltruhm erlangte .
Du scheinst auf gutem Wege zum „Philosophen auf dem Rad“ zu sein. Hier dazu das passende Werk von Guillaume Martin:
Dank für die Empfehlung. Es ist leider so, daß wordpress Amazon Angebote blockt. Sollte Covadonga mich aber zu einer Übersetzung von Guillaume Martin nötigen, bin ich bereit.
Andererseits ist die Situation realpolitischer Natur; was man uns zur Zeit an möglichen Veränderungen raunt, wird in wenigen Monaten zur sehr konkreten Wirklichkeit.
Das Rad ist keine schlechte Basis, über sie nachzudenken.
Vielleicht aber sollte man zunächst hir hindurch
https://www.babelio.com/livres/Haralambon-Mes-coureurs-imaginaires/1145495
merci, dann weiß ich, welches Buch noch auf meine Leseliste kommt.