Frühling – Hans Makart
Die Pflanzen wissen, was sie tun. Mehr Sonne, mehr Licht, schon wachsen sie und senden Signale in die Welt. Der Frühling kommt und reicht der Natur seine Gaben. Sie sind mehr als nur Dekoration am Wegesrand – sie sind meine treuen Zeugen, die Blütenblätter liegen irgendwann als Konfetti auf der Straße, wenn ich bei der Stange bleibe.
Es geht nicht nur weiter, sondern aufwärts. Die dunkelsten Runden liegen seit dem 23 März hinter uns, die großen Herausforderungen noch vor mir. Wieder die Frage: wie sich nähern, was ist der nächste Schritt? Wie kann es noch leichter werden, noch besser gelingen. Die immergleiche Frage nach dem nächsten Frühling.
Jens Voigt, der Mann, der ganze 17 mal die Tour de France fuhr, lässt uns Sterblichen keinen Ausreden, denn er kennt den Weg. Den Fleiß der Bienen. Auch wenn wir nie 800 Kilometer in einer Woche fahren können – selbst wenn wir wollten. Er gibt allen recht, die sich den Winter nicht nur auf der Rolle vor einem Bildschirm fit halten. Der Radfahrer braucht die frische Luft, den Sauerstoff; der Körper darf das Holpern der Straße unter dem Sattel nicht vergessen, muß sich im Wind klein machen, muß aus dem Sattel gehen, darf sich nicht verschalten.
Also nicht tausende Kilometer, vielleicht nur hunderte – jeder nach seiner Zeit und seiner Form. (die Form ist eine Maya Pyramide, mit Stufen). Hauptsache Du fährst, Hauptsache aber auch, Du erholst Dich von einem 200 Kilometer Ritt, wie dem neulich über den Feldberg. Es gibt keinen zweiten Schritt vor dem Ersten. Auch wenn nicht die Pulsuhr am Leib trage und keinen Wattmesser trete– ich lasse mich vom Körper rückversichern. Die Ritzel sagen mir schon, was ich gerade leiste, vor allem, was ich gerade nicht mehr machen kann. Der Körper spricht eine klare Sprache. Es geht auch so.
Der Form kommt langsam, mit jedem Lebensjahrzehnt langsamer und wird weniger. Das ist die Wahrheit – aber sie kommt, das ist die andere Wahrheit. Sie verläuft streng nach dem Gesetz abnehmender Erträge. Ein Sprung von 30 auf 60 Kilometer ist groß, der über 100 eine Basis ,aus der sich alles entwickeln kann. Es kommt darauf an, von welchem Plateau ausgegangen wird. Die längsten Rennen im Amateursport sind kaum 200 Kilometer lang – dafür aber von hoher Intensität über 4 oder 5 Stunden. Intensitäten die ab 40 jahren illusorisch sind.
Ein Fehlschluß aber ist zu glauben, die längeren Brevets mit ihren bescheidenen Stundenmitteln erforderten keine Intensität. Die Intensität muß auf den kurzen Runden zwischendurch praktiziert werden, als Training. Dann fällt es immer leichter, über die Distanz ein gemächliches Tempo zu halten, dann erlebt man ein Brevet, statt es zu überleben.
Die Bibeln des Spitzensports spenden keinen Trost: für die nächsten 10 % mußt Du (mindestens!) doppelt so viel tun. Und dann kann es eines Tages leicht und mühelos wirken. Wie ein warmer Frühlingswind.
Meinen ersten 600 Kilometer Brevet bin ich 2014 gefahren. Bis auf Eifeltäler war es eine flache Tour – auf dem Navigationsgerät Minus 4 Meter zu lesen ist eine bleibende Erinnerung. Aber es waren 600 Kilometer, eine gelungene Premiere. Was ich aber jetzt vorbereite, hat mit dieser Kulturreise durch den Westen wenig zu tun.
Der Rheingold 600 Brevet wird so etwas wie die Summe der Routen, die ich in den letzten Jahren gefahren bin. Meiner Wege durch die mittleren Berge rund um Lahn, Rhein und Mosel. Der Soonwald im Hunsrück ist dabei absolutes Neuland. Einige Passagen werden (vielleicht) ein freudiges Wiedersehen mit Wegen aus den letzten Jahren. Mayen, Koblenz, Spich – Marathons und Brevets.
Wie Voigt es anspricht, muß die Distanz des Wettbewerbs im Training zurückgelegt werden. Für die 600 Kilometer werde ich sie aufteilen, also zweimal 300 Kilometer, denn die Regeneration von einem vollen 600km Brevet dauert Tage, 300 dagegen bedeuten einen vollen Arbeitstag im Sattel – am nächsten morgen lassen sich daraus Schlüsse ziehen.
Drei Kettenblätter für die Maschine. Nach 200 Kilometern geht es nicht mehr mit Druck den Hang hoch –und wenn man es versucht, wird man schnell abgestraft. Das sagt die Erfahrung und sagen die kommenden 10000 Höhenmeter. 30 Zähne ganz innen – die Möglichkeit, plötzlich einen ganz leichten Tritt zu haben ist wertvoll. Neuere Räder lösen das Problem über die Zahl der Ritzel : 11 Ritzel in großer Stufung. Ich bevorzuge die ältere Methode, ich bin auf der alten Seite, da ist nichts mehr zu machen.