Der Start
Und dann ruft jemand laut Deinen Namen aus der Dunkelheit. Nummer 208 – Schon 7h 05.
Gerade noch Zeit gehabt für ein üppiges Stehfrühstück in der großen weißen Halle voller bunter Radtrikots, die in alle Richtungen laufen, oder gemütlich zu Tische sitzen. (Würstchen, Ei, 2 Müsli, Kaffee, das muß jetzt reichen). Das Bukett an Waschpulveraromen hinter mich lassen . Hier!
Oben dann die ersten Rücklichter, 5 minuten auf dem kleinen Blatt, dann auf den Deich. 7h10.
Dort der Nächste unter rosigem Dunst. Auch ihn passieren.
Schon über den Elbekanal – oder ist es die Elbe? Großes Blatt ist jetzt gut drauf, das Kettenöl aber noch zäh. Und wieder hinunter zur stillen landstraße.
Weitere Gruppe in Sicht. Der Einzelfahrer sieht sich kurz das Tempo an und passiert die Räder. Wo willst Du hin? Rufen sie – Nach Dömitz . . . Jetzt, nach 15km das eigene tempo finden. Noch kein Wind, erstmal gut. Sich nicht einlullen lassen, es kommen noch andere.
Hinter den erten Dörfern und dem nächsten Kanal: geht die Sonne auf. Weniger Nebel, auch nicht so kühl wie im Vorjahr. Sonst unverändert. Gute Erinnerungen und ein erster Riegel. Kaum Verkehr.
Im Pulk
Eine Gruppe, die erste Reifenprobleme behebt (während eine S Klasse die tankstelle verlässt). Kurzes Nicken. Herr, verschone mich.
Als der Track eine Alleebiegung nach Süd macht, ist der Wind zu spüren, ganz unmißverständlich. Unterlenker und kurz an 2013 erinnern, als der Regen immer üppiger fiel. An der Schwelle kurbeln. Etwas essen.
Dann wieder auf West – Jürgenstorf. Gerade sattelt eine Handvoll Fahrer nach Panne wieder auf. Anschluß gefunden.
Die gescheckten Trikots sind schnell erkannt – St. Pauli. Nur der Schlagmann trägt eine neutrale Montur. Reihe mich ein.
Neben uns ein Trabergespann beim Morgentraining – wir sind etwas schneller. Gute Stimmung.
Und plötzlich ein ganzer Pulk der uns wiederum aufrollt. Das Tempo wird nochmal etwas höher, die warme Wolke der Radtrikots tut gut –vorne flattert eine schwarze Windjacke, ich gehe ins Mittelfeld ringsum bunte, neue Räder – S Works scheint einen guten Vertrieb zu haben in Norddeutschland.
Abzweigung auf die Betonplatten von Alt- Garge, wo eine Baustelle seit dem letzten Jahr auf Vollendung wartet. Plötzlich dezimiert, die Trikots aus Kattenberg sind einen anderen Weg gefahren. Jetzt könnte gleich der erste Anstieg kommen, doch erst einmal die baustelle via Gehweg passieren. Keiner nimmt raus und statt rechts hoch geht’s gerade über den Waldweg, Pflastersteine und Schotter die Elbpromenade entlang. Speed -Graveln ohne Graveler.
Schon besser so, das macht 3, 4 Minuten Zeitgewinn. Als der Weg ziviler wird, kann ich die Kamera zücken. Keine Ausfälle, die Gazelle hält den Gang. Vorn flattert weiter der schwarze Windstopper eines großen Fahrers mit Auflieger. Da gehören drei zusammen. Vielleicht 60 Kilometer jetzt – es geht leicht abwärts in den Elbdünen. Das war erst die Vorspeise, gleich kommt noch eine mehrere Kilometer lange Serie. Das Tempo ist vielleicht zu hoch, ich spüre es, als es mich auf Position zwei spült. Dann sehe ich auf dem Navi die Abzweigung rechts. Andere scheren ebenfalls aus, Schreie: gerade! Nein ! Rechts. Auflösung. Ich folge drei Fahrern nach rechts fort von der welligen Dünenstrecke. So will es auch mein Track.
Die Dünen
Nach ein paar hundert Metern ist mir klar: das ist neu hier, die Route, die der biekrouter gewählt hat umgeht die steilen Passagen in den Dünen , kann aber kaum länger sein. Dafür geht es leicht auf und ab.
Sehr alte Bäume stehen massiv am Weg. Endlich das schöne Licht genießen, das die Felder streift. Göhrde steht auf einem gelben Schild, das nach Zonenrand anmutet. Die kleine Gruppe vor mir bleibt in Sichtweite, sie ist die neue Boje für mein Tempo. So hat sich das große Feld allmählich in Untergruppen aufgespalten – viele kleine Teams, die jetzt ihre individuelle Route fahren. Ich dazwischen – das ist auch praktisch.
In sehr sanften Wellen laufen die Elbdünen hier aus und erlauben einen guten Rhythmus. Selbst wenn ich ganz gut bergauf komme, sind die 8% Steigung auf der anderen Route immer eine Maximallast – und mit meinem „Gepäckrad“ bin ich gute 4 kg im Nachteil gegenüber den Mitfahrern. Da ist der alte Stahl eindeutig ein handicap.
Also besser in gleichmäßigem Tempo unterwegs sein und keine Körner raushauen. Ein paar Weiler, die Vordergruppe bei der Pinkelpause. Vorbei. Nun dreht der Kurs wieder nach West. Ich halte mein Tempo und bin gespannt, wie die Wette zwischen den beiden Routen ausgeht. In Hitzacker werden wir wieder aufeinanderstoßen – oder nicht.
Nur wenige Sekunden vor mir kommen sie auf die Straße geschossen. Vorn der Große mit der schwarzen Windjacke und den neongelben Überschuhen – da setze ich nach, doch ein schleichender Rentner auf Beutezug vor dem Supermarkt von Hitzacker bremst meine Bemühungen jäh: kein Hinterrad, aber drei Fahrer gerade noch in Sichtweite. Noch 15, 16 km bis zur Kontrolle in Dömitz. Jetzt lohnt es sich Gas zu geben und heranzukommen. Den Abzweig kenne ich noch – wir sind also auf derselben Strecke unterwegs.
Tauchen wieder auf, als es ins offene Feld geht – exakt auf meinem Track und nur 200 Meter vor mir, und plötzlich zu Dritt nebeneinander. Schon 50 Meter gutgemacht. Dann haben sie mich entdeckt. Hallo.
Sie kennen die Strecke nicht, haben die Route von St Paulianern aufs Navi übernommen. Sie sind Berliner auf dem Weg nach Berlin. Die Schlagzahl ist anspruchsvoll, aber machbar: zumindest bis Dönitz, der Kontrolle in 9km, wird es gut rollen. Der Wind schiebt uns die schöne gerade Bundesstraße zur Brücke und ehemaligen Grenze hinauf – alle sind zufrieden.
Dömitz
An der Kontrolle rufen wir dem Komitee die Startnummern laut zu: die Zwo Null Acht!
Kann zufrieden sein. Die Beine machen mit, das Rad spult lautlos die Kilometer herunter, der Körper muckt nicht auf. Nur noch 190km. Jetzt meinen Mojo nicht verlieren: „Wir sehen uns später“ rufe ich den drei Berlinern zu, die ein paar Minuten länger Pause machen. Die Trikottaschen sind vollgestopft, auch die kleine zweite Flasche für die Elektrolyte. Banane im Heck, den zweiten Marzipanriegel im Mund und fahre .
Dömitz, die gepflasterte Schönheit Uhrzeit passt.Meine Strecke führt jetzt 30 Kilometer nördlich der Elbe entlang, dann biegt sie Richtung Perleberg zur B5 hoch, da werde ich wenig Gesellschaft haben. So der track, so der Plan.