Ein letztes mal : Einkaufen wie Gestern

ac2Das Jahr ist neu, die Welt dreht sich weiter, der letzte, große Jahresendverkauf ist erledigt. Nun ist es vorbei . Seit drei Jahren schon ist das Haus verkauft, jetzt heißt es besenrein übergeben, aufräumen, verramschen . Alles muß raus und das gilt nicht nur für Ware, sondern auch für das ganze Geschäft, Du willst es doch auch.

Die unsichtbaren Grenzen der Verfügbarkeit lösen sich auf. Was einst begehrenswert und unerreichbar schien, dessen Überreste liegen nun stapelweise herum. 60, 70, 80 % auf alles.

ac3Ein kleines Kind mit Schnuller steht gebannt vor dem Karton mit Spielfiguren, in denen es vielleicht seine vertrauten Freunde vom Monitor erkennt. Es gibt sie also wirklich, die Familie Peppa Pig, genau wie im Video, sie sind nur viel kleiner als gedacht.

ab100Eine Rauchwolke verhüllt die Gegenfahrbahn, sie ist dicht und schwarz,  irgendetwas brennt auf der A3, schmenhaft erkennt man auf dem Randstreifen ein Fahrzeug, auch den Schatten eines Menschen, der sich an der Leitplanke bewegt. Tausende Fahrzeuge bilden rote und weiße Lichtergirlanden, die Rauchwolke versperrt die Sicht wie ein Theeatervorhang.  Beim Passieren des brennenden SUV, der ein älteres deutsches Fabrikat zog, strahlt die Hitze durch unsere getönten Fensterscheiben. Keines der Autos, die hier stehen und auch nicht die Laster, werden in zehn Jahren über die A3 fahren.

ac6Das einzig Beständige an diesem Ort wird das sehr erfolgreiche, nur wenige hundert Meter entfernte Outlet center sein, dessen Markeninsignien deutlich von der Autobahn aus lesbar sind. Als Sinnbild und Wegweiser, sind meterhohe Pumps aus Abgüssen an den Kreisverkehren rund ums outlet aufgestellt. Mit schönen Grüßen vom aufblasbaren Nikolausmann.

ac7Man kann über die Ästhetik der Konsumparks denken wie man will, dieses Exemplar hat die kommunalen Finanzen der kleinen Stadt im Hintergrund förmlich gerettet .Die Trias aus Autobahn, Großparkplatz und Bahnanschluß macht es möglich. Je schneller die Verfügbarkeit, desto sicherer das Überleben, das ist unser Gesetz.

ac1Galeria aka Karstadt versinkt als letztes Warenhaus im Staub der Geschichte. Amazon hat gesiegt, der Mittelstand verrät seine alten Götter, die Neuen liefern frei Haus und gestatten Retouren. Die großen Warenpaläste in der Mitte unserer Städte – eine Epoche die vor 125 jahren begann – nimmt ihr Ende. Daß  Städte ihr Bild nach ihnen formten, wird zum Strukturproblem der Fußgängerzone ja ganzer Städte. Immerhin hatte unser Begehren nach Waren so eine eingehegte Form gefunden, die im leben der Städte aufging. Es war doch alles so gut eingerichtet. Fachhändler,  boutiquen, Wochenmärkte mit frischer Ware existieren noch hie und da, sind eher folkloristische Randerscheinung, denn sie versorgen nur noch eine Minderheit, die sich diesen Luxus leistet.

ab1Was größere Sorge macht, ist nicht die Entgrenzung oder die scheinbare endlose Gefräßigkeit der Konsumparks aller Art, es ist eher das Verschwinden einer gewissen Form befriedeter Zivilsation in den Innenstädten, in denen Kaufakte immer als persönliche Begegnung stattfanden, so oberflächlich diese sein mochte. Der Bedarf nach „folkloristischem“ Konsum mit Begrüßung und Beratung wird  bleiben, sich aber wie einst, sagen wir 1890, nur auf  die  Schichten beschränken, die die linke Spur der Autobahn als ihren Beritt sehen.

ab21So wächst die Zahl der unsichtbaren Kunden, die Masse ihrer elektronisch kontrollierten Accounts. Man wird sie gut im Auge behalten, doch ihre Beobachter (und damit Richter) bleiben unsichtbar, genauso wie niemand den Beobachteten wirklich ins Angesicht sieht. Die Endverbraucher werden zu Unberührbaren.

ac8Was kommt nach der Kurve ins Jahr 24? Das Bedürfnis nach nach kleinen, einsamen Landstraßen wächst weiter – Bäume wachsen nach, mein Rad rollt fast lautlos zwischen ihnen hindurch.

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