Für die frühen Vögel Wild Westerwald Ways 280221

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Der 28 te Februar ist ein besonderer Tag. Es ist der Tag der meisten Geburtstage – hier feiern auch alle, die im Schaltjahr geboren sind. Für den ersten Geburtstag des  200 Kilometer „brevet“ Wild Westerwald Ways ein guter Termin: mit Vollmond! Und eine Sonne, die zuverlässig am Horzizont aufgeht. Die Himmelskörper stehen also in der richtigen Position.

Und so fand die Jungfernfahrt der Westerwald Runde von Monduntergang bis Mondaufgang statt. Ende Februar ist es anfangs recht frisch, aber die steigende  Sonne wird es gleich richten, die Vorhersage der vergangenen Tage trifft ein.

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Noch über die Lahn setzen und dem Eisvogel hinterherstaunen: das bringt Glück. Vom weitläufigen, absolut coronasicheren Parkplatz in der kleinen Stadt geht es  los .

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Es müssen nur die Räder schnell aufgebaut werden. An der Wahl von drei Kettenblättern erkennt man: es werden Höhenmeter erwartet – zu recht. Etwas mehr als  2500 sinds, alle gut verteilt. Das typische Profil eines kleinen Mittelgebirges.

Zwei Mitfahrer hatten sich definitiv angesagt, drei wurden es  –  den Verwegenen, die dem Ruf in den Westerwald folgten, winkte ein kleines Startgeschenk. Es ist eine gutes Prinzip, Gelegenheiten nie verstreichen zu lassen . . .

8h – auf gehts, immer der Lahn entlang, südlicher Grenzfluß des Westerwalds,

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über dem ein bekannter Dom liegt.

Wer in den Westerwald will, muß den Weg nach oben  finden. Über dem Nebel wartet die Sonne, die den Reif bald verscheucht haben wird. Es ist ein recht sanfter Anstieg und stetig ist er auch. Lange habe ich gebraucht, um ihn in dieser talreichen Gegend auszumachen,  der Einstieg in die kommenden 200 Kilometer soll nicht entmutigen.

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Ganz  allmählich lassen wir den Taunus hinter uns und folgen nordöstlich dem Lasterbach, ein kleiner Fließ der sich durch die Wiesen schlängelt.  Diese Strecke bin ich unter allen erdenklichen Wolkendichten entlanggefahren, heute sind die Verhältnisse kristallklar, die Rotoren der Windräder auf dem Kamm grüßen.

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Über zehn Kilometer geht es  immer ein Stückchen höher, immer etwas weiter  in die Ruhe dieses Samstagmorgens auf dem Land. Aber nicht alles läuft harmonisch. Schon an der ersten Steigung reißt es die kleine Gruppe auseinander.  Koffeinmangel? Wir tanken nach.

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Keine Besserung beim Mannheimer und als wir nur wenige hundert Meter vor dem „Paß“an der Krombachtalsperre sind , wird klar, daß es nicht so weitergeht. Ich ermutige, wenigstens noch diese Höhe zu nehmen, denn er will schon umkehren. In der Sonne Rat halten . Sobald der Puls wieder unten ist,  kommt die Luft auch zurück.

Dahinter rollt es sanft weiter nach Rennerod. Das geht im Standgas, vielleicht fängt der Mannheimer sich.  Aber vergeblich – sobald die Straße sich neigt, zeigt ihm das System die rote Flagge.  Was nach Einrollschwierigkeiten aussah ist wohl ein tieferes Problem.  Bitter für ihn und für uns.

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Vor Rennerod prüfen wir noch ein gutes Stück vereisten Waldweg; auch 23mm Reifen bewältigen solche Abschnitte, wenn die Steuerkünste stimmen. Und beim Frankfurter Bub stimmen sie.  Es geht über den letzten Schneerest.

Schon ist die frisch aufgefüllte Krombachtalsperre (Campingflaggen, Wochenendhäuser) umrundet und wir bremsen erst am Café Mühlenbäcker. Nicht um zu genießen, sondern um Abschied zu nehmen.

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Kurzes Gruppenfoto, denn gleich zieht der Mannheimer heim. Das 66cm Koga-Prologue dreht ab nach Süden. Solche Unternehmungen gelingen nur, wenn der Körper völlig fit ist. Bleiben nur noch drei, der Frankfurter Bub, der Letzeburger und ich. Der Letzeburger, das ist Boris .

Er macht aus seinem Trainingsrückstand keinen Hehl, warum auch. Aber er hat vorgesorgt. Sein Brevet –allzweckrad, das schon den eisigen Transcimbrica 1200er bewältigt hat, ist eine perfekte Autarkiemaschine. Wo wir nur leichtes Zeug dabei haben, führt der Letzeburger sein Haus  mit sich. Anders wir, aber die Sonne kompensiert die leichtere Ausrüstung mehrfach.

Schnell geht es über die Landtraße 255, die monoton über die Hochebene führt. Autos weichen uns aus, wir sind gut sichtbar. Schon in Höhn entschwinden wir der Rollbahn und tauchen erstmals ins Nistertal ab, um gleich wieder in den Gegenhang zu wechseln.

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Dann sehen wir ihn, den großen Viadukt. Noch ein paar Meter durch den Wald und wir sind da.

Drei Räder im vollen Sonnenlicht über der großen Nister. Manchmal weht eine Pollenwolke Haseln übers Tal oder die Rauchschwaden von einem Feuer.

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Es ist ein spezieller Moment, nur das Rauschen des Bachs und in der ferne der Motor eines kleinen Flugzeugs. Als würde man in der Luft schweben…  Auf der anderen Seite des Tals nehmen wir wieder Fahrt auf. Es geht aufwärts nach Hachenburg.

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um die 70 Km : Hachenburg

Wieder Beute an der roten Bücherzelle. Murakamis Epos namens Kafka am Strand. Die alten und billigen Bücher bleiben. Mit Murakami wiege ich 400 Gramm mehr, was sich verkraften lässt. Wichtiger ist jetzt konkrete Energie. Unter 10 grad braucht unser Körper erheblich mehr davon, allein um die Eigentemperatur zu regeln. Vor allem stehen jetzt ungefähr 70 kilometer ohne größere Versorgungsmöglichkeit an. Körpertank und Taschenfüllen angebracht.

Verkehrsgastronomie 1 – Die rote Tankstelle.

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Während wir in der Sonne cappuccino genießen halten wir Rat.  Ab hier teilen wir uns also auf, Boris hat volles Verständnis. Eine Fahrt Anfang Februar folgt auch bei Sonne anderen Gesetzen als ein Sommerausflug . Unter Randonneuren ist es ok, getrennt zu fahren, wenn die Geschwindigkeitsunterschiede zu groß sind. Wir haben alle unser navi dabei, niemand wird den Wölfen des Westerwalds anheimfallen.

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Nun also zu zweit. Den Frankfurter Bub (er heißt Klaus) kenne ich von zwei Treffen  – unser Tempo sollte harmonieren. Wer die 3fach Kurbel für eine Rentnerlösung hält, darf gern folgen. Klaus beherrscht meisterhaft die geschmeidigen Übergänge vom größten aufs kleinste Blatt. Denn jetzt geht es noch zwei , dreimal zur Nister hinunter, an Marienstatt und Kroppach vorbei, immer auf- und ab, nicht zweistellig, aber kurz davor. Das zehrt auf Dauer Kraft, ständig wechselt der Rhythmus.

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Klaus meint sogar , die Ecken zu erkennen – aus einem Besuch vor über 20 jahren. Seitdem hat sich hier auch nicht viel verändert .D

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Der heftigste Schnitt in die Landschaft ist das massive Fichtensterben. An allen Hängen hektarweise gerodete Plantagen: da wird sichtbar, wie klein der Anteil von „echtem“ Mischwald ist. Der Wald ist nackt, lieber Camper!

Hinter Kroppach werden die Flächen fruchtbarer – mehr Weiden , mehr Wind und wir arbeiten uns langsam zum Beulskopf hoch. Es zuckt und beinahe passiert es: Krämpfe in beiden Oberschenkeln kündigen sich wie Blitze an. Schnell trinke ich die Geroslteiner Flasche, bevor die Muskeln definitiv zumachen. Auch im Winter, wenn kaum Durst zu spüren ist, verlieren wir Mineralien. Es hilft. Große und weit breitet sich das Land in der Sonne aus, mein schneller Gast ist sehr zufrieden.

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100km oder so: Sehr kurze Rast mit Erinnerungsbild am Beulskopf, dann ein großer Bogen nördlich von Altenkirchen, den Birnbach hinab und bis zur Mündung des Puderbachs. 

Unsere  Maschinen laufen, die Gespräche laufen, die Sonne scheint mild in den späten Wintertag .. es macht glücklich und ein wenig stolz, den Westerwald von dieser Seite zu zeigen, dieses gebiet,das ich gerade erst erschlossen habe: eine sanfte, einsame, aber gar nicht öde Landschaft, in der  ein Dorf aufs nächste folgt Vom hohen sind wir in den milderen Teil gekommen. Traktoren beim Holztransport, Menschen beim Feuermachen. Das Leben an der Luft beginnt wieder.

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Diese Luft bring schönen, frischen Sauerstoff, der Lungen und die Muskeln durchströmt. Wie es der Trainer sagte: Je mehr wir fahren, desto besser binden die Zellen den Sauerstoff, desto besser schöpfen wir die Kapazität unserer Lunge aus. Es ist nicht nur Sport, es ist auch eine Prävention gegen die dritte Welle. Hier, am 28. Februar ist sie nur eine statistische Möglichkeit – aber die Statistik hat uns in der Corona Krise nie  im Stich gelassen

Verkehrsgastronomie – Teil2 mit Feldstudien

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Die Tankstelle in Herschbach an km 150 gab es schon, bevor die Umgehungsstraße gebaut wurde. Es ist eine freie Tankstelle, was bedeutet ,sie gehört nicht zur Handvoll globaler Unternehmen, die sich den Markt aufgeteilt haben.  Solche Tankstellen sind ein Kosmos der Privatwirtschaft, der um eine Wohnhaus herum die Einheit von Werkstatt, Schankwirtschaft  und  Brennstoff bildet. Kurzer einen Stopp in der Nachmittagssonne, um schnell ein paar Kalorien zu finden. Im Verkaufsraum stapelt sich der Tabak bis an die Decke, türmen sich Energydrinks und Alkoholika. Ein kleiner Kühlschrank brummt vor sich hin. Wir klemmen uns zwischen die ein- und ausströmenden Kunden.

Die Sonne wärmt und wir dehnen uns. Autos kommen und rollen weiter -sie halten  für Sprit oder Zigaretten oder Alkohol oder alles zusammen. Ein frischgeduschter schwarzer Golf stoppt vor der Zapfsäule, darin ein junges Paar. Sie auf dem Beifahrersitz, blondes langes Haar leuchtet in der tiefen Sonne, vor der sie eine große Brille schützt. Er springt hinaus nachdem sie ein paar Worte gewechselt haben. Dann blickt sie.. gelangweilt vor sich hin. Gleich danach ein silberner kleiner Wagen mit der bunten Aufdruckfolie eines Physiotherapeuten. Eine junge Frau in Legging und Turnschuhen steppt heraus, ihr dunkles Haar schwingt, als sie zur Zapfsäule geht. Sie grüßt kurz. Ein halbes Snickers später hält etwas weiter ein  silberner Familienkombi.  Auch die Beine dieser Frau stecken in schwarzen Leggings, der riesige weiße  Pullover wölbt sich lose über die Figur, der ich ohne zu zögern dreißig Kilo Übergewicht zuschreibe. Sie wird mit zwei Packungen Zigaretten zurückkommen, von denen sie eine an den Beifahrer weiterreicht. Drei gleichalte Frauen, eine Tankstelle in der Provinz. 

Was sie wohl über zwei graue Männer denken, die frühen Vögel  im Westerwald? Als wir aufbrechen verschwindet hinter den Häusern eine Gruppe Kraniche nach Nordosten. Traktoren stoßen blaue Wolken in den Dorfhimmel.

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Nun folgt ein Hügel auf den anderen. Grobe Richtung Montabaur, alle Bachläufe liegen jetzt quer zum Kurs. Nach jeder Abfahrt heißt es kurz aufs kleinste Blatt und wieder Schwung holen, wieder den Rhythmus im Anstieg finden.

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Die Oberahrer Berge fordern uns und belohnen uns.

 . . . .

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Verkehrsgastronomie – Sterneverleihung bei Aral

Wir ziehen weiter in die immer tiefere, gelbe Sonne. Montabaur erreichen wir  in einer langen schnurgeraden Abfahrt kurz nach  Sonnenuntergang.  Bei Aral das fortgesetzte Schauspiel des Samstäglichen  Mobilitätsgipfels. Aber auch ein kulinarischer Höhepunkt. Dem Klaus überlasse ich das Lachsbagel mit Sesam und riskiere ein mediterranes Putenbaguette mit heißem Kakao. Nachdem der (tiefergelegte) schwarze AMGMercedes  die Spur seiner Reifen in den Beton gebrannt hat, verlassen wir  den Drei-Sterne ort der Verkehrsgastronomie. . .

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Kakao wirkt schnell. Die letzten 20 kilometer führen im gealopp durchs Gelbachtal, das wir ganz für uns haben. Dann noch ein Anstieg und zu allerletzt ins Lahntal bei aufgehendem Mond. Der Kreis schließt sich nach 200 Kilometern. .

In Balduinstein kommen wirwieder ans Lahnufer, der kleine Pfad knirscht unter den Reifen, der Vollmond ist so gut, auf den letzten einsamen Kilometern zusätzliches Licht zu geben.  Wir reisen von Mond zu mond und verabschieden uns : müde und mit der Welt zufrieden.  

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2 Antworten zu Für die frühen Vögel Wild Westerwald Ways 280221

  1. Andreas schreibt:

    Wahnsinn … tolle Leistung und fantastische Bilder!
    Gruß von Andreas aus Bonn

  2. crispsanders schreibt:

    vielen Dank! Wenn alles stimmt, geht einfach alles.

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