Champagner für die Saison

Während ein weiterer kalter Novemberschauer mit ersten Schneeandeutungen meine Abfahrt verzögert,  habe ich Zeit, kurz auf das Rad der Saison zu blicken – das Rad der Wintersaison.

agt1Es ist ein nippo-niederländisches Erzeugnis, dieses Koga Miyata gents –touring. Über die Farbe, die im Katalog von 1983 als Y 88 Champagne Metallic bezeichnet wird, lassen sich Baujahr und Ausstattung leicht definieren, denn die Farben der vielen Modellvarianten wurden meist nur ein Jahr beibehalten. Eine Ausnahme bilden die Rennrahmen, die ab 1980 in der Farbe teamblouw 103 augeliefert wurden.

Zurück zum Alltagsrad. Kenner sehen, daß hier vieles nicht mehr dem Katalog entspricht. Rennräder um 1980 lassen sich sehr einfach zu sogenannten „restomods“ umstricken, zu Zeiten von 6 bis 7 Ritzeln an der Hinterachse war eine große, wunderbare Vielfalt an Anbietern auf dem Markt. Als ich das Rad erwarb, wollte ich nach dem Unfall möglichst viel vom fabelhaften, lagoon blue Raleigh Competition hinüberretten. Schutzbleche, Sattel, Lenker, Bremsen. Schutzplaste sind die wohl entscheidende Komponente eines Winterrades. Es läßt sich noch ein wenig verbessern: mit den „Fahrer“ Spritzlappen tauchte in den letzten Jahren ein feines Produkt auf. Es ist der i – Tupfer, der Stiefel und Antrieb wirkungsvoll vor Nässe schützt.

agt2Ein Detail: Ursprünglich war das Rad für recht spezielle 6fach Hebel auf Aerosockel gebaut. Aero und Touring? Das liegt vermutlich daran, daß zur gleichen Zeit einige „Aero“ Modelle von Koga am Markt waren. So interessant es war, 6fach Rasterhebel (historisch!) aus der 600er Baureihe zu finden, schaffen sie eben nur 6 Gänge und diese nicht ganz so geschmeidig wie folgende 7 fach Generationen. Also ließ ich die interessanten „tricolor“ Schellen-Schalthebel dran, die schon beim Kauf aufgefallen waren. Gerasterte Schellenschalthebel sind nicht häufig und in diesem Fall einen Champagner wert. 7 fach schaltet auch 6 und so können fast alle Hinterräder der Kellers an dieses Rad .

agt3Brevets haben manchmal die Eigenschaft, viele Höhenmeter zu sammeln, machen fast einen Wettbewerb daraus. Höhenmeter werden mit der Dauer der Fahrt nicht nur anstrengend, manche wirken wie kleine Charakterprüfungen. Unbezwingbare Rampen im Parcours bei km 390, für die man absteigt – oder eben sehr kleine Übersetzung wählt und an den Veranstalter denkt. Für kleine Übersetzungen gibt es einen Königsweg, der noch lange in den 1990er beschritten wurde: die 3fach Kurbel. Aus der Nische der Reisefahrer entstanden, erlebte diese Kurbelform an Mountainbikes Ende der 80er einen wahren Boom. Das Argument war sehr alt: je mehr Gänge desto leichter, je mehr Gänge desto besser. 3×7, 3×8, 3×9 – sogar 3×10, wie es letzte Campaschöpfungen erreichten. Danach war Schluß und jetzt fangen wir wieder bei 1×13 an und machen das kleine Ritzel vorn an die Kurbel. Warum nicht.

3×7 bedeuten an diesem Rad eine eng gestufte Spanne von unter 2 bis zu 8 Metern pro Kurbelumdrehung. Die Kurbel ist eine frühe Shimano Variante, zusammen mit einem historischen  48er biopace HG Blatt – eine Spielerei. Reicht in einer Abfahrt für 60kmh bei flottem Tritt. Auf Reifen bis zu 28mm ist der Komfort gut, ohne das Gefühl für die Straße zu verlieren. Ein Stahlrahmen mit guter Gabelvorbiegung und einem Brooks Sattel hat den Komfort eingebaut. Franzosen nennen es eine Randonneuse.

agt4Nichts am gents touring ist flashy, auch wenn die Verchromungen sauber blitzen und Farbe Champagner genannt wird. Die Wirklichkeit sieht es als einen neutralen bronzeton Es ist ein ideales Schlechtwetterrad, das sich noch wie ein Rennrad anfühlt. Wer diese Bauart gebraucht findet, gibt sie nicht so schnell her und wird viele sorglose Kilometer machen. Wer sie als Neurad sucht, kommt um eine Einzelanfertigung kaum herum.

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