Miniaturen an der B8 – Die Tankstelle, an der der Wind sich dreht

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Vielleicht stand hier mal eine Pferdetränke oder eine Poststation. Gegenüber der Tankstelle ein alter Gasthof, der lange schon geschlossen hat und ganz nah, an der Kreuzung der B8 stehen alte, analoge Verkehrsschilder. Wir sind auf halbem Weg zwischen Frankfurt und Köln, Dies ist die alte Römerstraße, sie führt in langen Wellen über den Westerwald, von Limburg/Lahn bis Köln. 2000 Jahre bevor es eine Autobahn gab.

Mein rotes Rad ruht in der späten Märzsonne neben der Eingangstüre. Es ist wieder frisch geworden, ich habe es durch die Wollsocken gespürt. Drinnen ein kleiner Shop, eine brauchbare Kaffeemaschine, viele Zeitungen (ganz oben: Hausfrauen ab 50), Snacckxx, das, was der Reisende so braucht.

Die Stele mit dem großen Aral –Logo wurde nach einem Unfall entfernt. 100 Jahre Aral steht auf einem Flyer an der Kasse, wer weiß, wer da feiert? Hundert Jahre ARomate und ALiphate vom Bochumer Verein. Die Bergwerksgesellschaft, die Kohle zu Benzin synthetisierte. Es ist nicht mehr wichtig, das zu wissen. Der Kampf um Energie wird nicht mehr von Bochum aus geführt, Aral ist eine Marke der BP; weniges ist so, wie es scheint.

a5Manchmal hört man einen Traktor und noch lange riecht man in der Luft seine Fährte. Die Luft ist klar, im März kann man sehr weit sehen, die großen Weiher der Seenplatte, die als Wasserspeicher und Fischreservat dienen sind von den Regenfällen gefüllt. Von weitem wilde Schreie, das sind Gänse. Zugvögel sind zurück.

Es ist die zeit des Übergangs, für die Tiere beginnt das neue jahr ungefähr jetzt, für Touristen später.

Noch sind die Kordons der Motorräder nicht unterwegs und die Wohnmobile sind noch eingemottet, nur hin und wieder kommt ein Amazon Fahrer herein, oder einer von GLS, oder einer von DPD. Keiner von DHL, die sieht man Samstagsabends seltener. Neben einer Obstwiese stand einer der weißen Lieferwagen, davor kniete ein Mann und faltete die Hände. Er verbeugte sich zur offenen Beifahrertür und stand wieder auf. Es ist Ramadan.

a4Ich tauche das marzipancroissant in einen dünnen Kakao, dessen Zusammensetzung ich lieber nicht erfrage, weil ich weiß, daß es heißes Wasser ist. Dann rausche ich ab, der Wind ist jetzt mit mir. Erst war es ein schrecklicher Nachmittag auf dem Rad, nach einem Kilometer wäre ich beinahe umgedreht. Irgendeine Müdigkeit und falsche Wärme. Nicht die gute Wärme, wenn man bergauf  fährt. Ich wußte aber, daß wieder etwas neues auf mich wartete, ich wieder etwas sehen würde, was ich noch nicht kannte

a1Nach einerStunde, nach der großen Brücke und den Wäldern wollten die Beine wieder, lief es endlich rund. – warum auch immer.

a7Man muß Geduld haben, jetzt auf den letzten Kilometern läuten die Glocken, es ist also 6 Uhr, Vesper, Heimkehr mit Wind. Die Tankstelle irgendwo weit hinter mir ist jetzt noch drei Stunden geöffnet. Drei Stunden, in dem ein Kid aus dem kleinen Dorf sich am Wochenende etwas Geld verdienen kann. Für den Führerschein, für die Kaution der ersten WG oder nur ein Auto.

a81Ziemlich genau auf halbem Weg zwischen Frankfurt und Köln

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