Helge Achenbach und die Anderen – über Geld redet man besser nicht
In einer kurzen , wohlverdienten Pause nach 2h Wintertraining .
Da lese ich gern Zeitung – das hat etwas mit Parallelität zu tun. Manchmal finden sich Dinge auf der Vorderseite, die plötzlich mit Artikeln ein paar Seiten weiter in Zusammenhang treten. Das Papier verbindet sie, das Gehirn verknüpft, das Gehirn arbeitet. Mit Mausklicks geht das nicht so leicht, denn jede neue Seite im Netz läßt die vorige verschwinden und mein Bildschirm ist zu klein, drei Fenster gleichzeitig zu öffnen. Drei Fenster: Achenbach: Gursky: Middelhoff. Jetzt sind sie hier vereint.
Middelhoff der gestürtzte Kronprinz, Achenbach der Erbenpreller und Gursky der Künstler als Handelsobjekt. Zur Erinnerung: Wir sind Anfang der 1990er, also schon eine Ewigkeit her. Im Folkwangmuseum sehe ich mir eine regionale Fotausstelleung an. Organisiert hat Sie Ute Eskildsen. Brohm, Adler, Gursky, das waren die drei Namen, die bei mir hängen blieben. Solche Bilder, solche Fotografien hatte ich nie gesehen. Brohm, das war wie ein Blick der Amerikaner auf das Ruhrgebiet. Adler, das war das triste grau der „Berliner Schule“, der extreme Standpunkt auf die Zumutungen der Alltagswelt. Gursky das waren riesige Farbabzüge (für damalige Verhältnisse) durch die Sichtblenden von Autobahnbrücken, eine Schafherde unter Brückenpfeilern, kleine Dinge in sehr großen Abzügen . . .
Middelhoff war um die gleiche Zeit ein Wirtschaftskomet, strahlend führte er Bertelsmann in die Zukunft des Global Players. Seine Darstellungen waren alternativlos, würde man heute sagen, die Wirtschaftsteile der Zeitungen lasen sie Middelhoff von den Lippen. Bis die Eigentümer ins Spiel traten und den gierig gewordenen Kronprinzen vom Hof jagten. Die Eigentümer sind jene Leute, von denen man in Deutschland nicht viel hört, öffentlich . Es sind Menschen, die Middelhoff für ihr Kapital und Achenbach für Ihre Kapitalanlage oder auch nur Ihre Eitelkeit brauchen.
Tu Gutes und schweige darüber. Aber was ist gut? Achenbach ist Kenner des Guten in zeitgenösssicsher Kunst und ein geschickter Redner. Er wollte nur helfen, denn Kunst und Kapital, das sind ja so unterschiedliche Welten, die einander irgendwie brauchen. Die Eigentümer, die Mxxxs, Albrechts oder auch Boehringers, die brauchten Achenbach. Denn Achenbach konnte im wilden Klondike der Kunst die Nuggets aufspüren. Achenbach war und bleibt Düsseldorfer, das war sein Revier. Und Düsseldorf hat eine Kunstakademie mit einer Fotografieklasse, der Becher Schule.
Gursky, Sohn eines Werbefotografen in Düsseldorf, das war einer der Schüler der Bechers. Er ist die dritte Figur in der gleichen Ausgabe meiner Tageszeitung. Er wird 60, er muß nicht vor Gericht, man gratuliert und dennoch ist er vielleicht die traurigste der drei Gestalten.
Ein Künstler, erst recht ein Fotograf, der von seiner Kunst gut leben will (was in unseren Breiten ein Verdienst von ca 2000 1000 brutto darstellt), der muß nicht nur viel Talent&Glück haben. Er braucht Menschen, die an ihn glauben und Menschen die diesen Glauben mit Geld aufwiegen. Er braucht Achenbach und Middelhoff gleichzeitig. Der erste, weil er seinen Namen ins Gespräch bringt und verbreitet, der Zweite, weil er die chief executive Korridore der neuen Konzerndependance, sagen wir in Boston, mit Gurskys ausstaffiert. Er weiß irgendwann, das er ein Handelsobjekt ist, daß sich besser nicht als solches bezeichnet – dann könnte es mit dem „davon leben“ klappen.
Das ist dann gut für alle, denn Kunstwerke sind steuermindernd für den Konzern, erlösen ihn gleichzeitig vom Fluch, nur als Zahlenmaschine zu funktionieren. Für Achenbach ist es gut weil sein Wort pekuniäres Gewicht erhält , denn ihm ist inzwischen etwas großartiges eingefallen. Er ist kein windiger impresario mehr, kein Partylöwe, nein, er hat die Berenberg Bank überzeugt, daß Kunst ein Geschäft ist, das den Geschäftszweig einer Bank erfordert, eine bänkisch legitimierte Kunstberatung mit Achenbach als Vorsitzendem. Jetzt hat A. einen Titel und Kredit gleichzeitig. Er ist die BAA und kann jetzt richtig loslegen.
Darüber freuen sich eigentlich auch alle: denn beides schafft Vertrauen und Zuversicht in gelungene Geschäfte. Denn ein gelungenes Geschäft ist auch ein günstiges Geschäft. Gerade das ist es, was Achenbach verspricht : nämlich günstige, diskrete geschäfte mit Kunstwerken. Beinahe zum Einkaufspreis. Warum diskret?
Wenn der Erbe eines oberfränkischen Präzisionsgerätehersteller (Name geändert)die Sammlung seiner Eltern abrunden will, oder um einige intellektuelle Herausforderungen ergänzen, dann käme ein Gursky beispielsweise 1999 ganz zupaß. Schlecht ist nur, wenn der dann Erbe beispielsweise persönlich auftritt: dann gilt nämlich in der Sekunde, wo sein Klarname in der Galerie fällt, die aufgehobene Preisbindung gegen ihn. Und das mögen Vermögensmilliardäre genausowenig wie die Schnäppchenjäger vor Albrechts Toren.
Tritt aber Achenbach auf, dann wird das Geschäft unter Freunden abgewickelt, sollen doch die Russen, die Amis oder die Chinesen das Doppelte zahlen. Schließlich tritt nur Achenbach – der großzügige alte Freund – in Erscheinung und nicht (von der Redaktion geändert) der reiche Oberfranke oder die Middelhoff corp.
Da waren nur zwei Haken – Achenbach bediente sich wegen „Geschäftsanbahnung“ üppig in der Firmenkasse und kassierte zudem oft auf eigene Rechnung, weil er sich beim „Vermitteln“ als unsichtbarer Zwischenhändler einschaltete. Die hohen Betriebskosten und hohen Schnäppchenpreise haben dann irgendwann alle bemerkt (es war nicht so günstig wie gedacht) und wenn es um Millionen geht, dann läßt auch der gutmütigste Franke seine Anonymität fallen und zieht vor Gericht. Dort wird dann viel Wäsche gewaschen ,bei der dann nebenher auch ein Schnupftuch mit dem Namen Gursky herausfällt. Nicht derselbe, nein, seine Frau. Die nämlich saß in Achenbachs kreditwürdigen Firma, die für Transparenz, faire Preise und gute Renditeziele auf dem Kunstmarkt sorgen sollte. Gurskys frau als rechte Hand des Achenbach? Ein Schatten.
Middelhoff ist aus dem Saal getürmt, Middelhoff wurde die goldene Uhr abgenommen, jetzt sitzt er: in bürgerlichen Maßen (Ich Chef, du nix) ist seine Fallhöhe die Größte. Der Mann der Zahlen ist ohne Zahl ein nichts – man wird ihm nie verzeihen, sich einige Jahre für einen oberfränkischen Milliardär gehalten zu haben.
Anders bei Achenbach – er entstammt der Welt der Fabel. Die Geschichte muß stimmen, selbst wenn sie nicht wahr ist. Achenbach wird weiterzocken, wird Memoiren schreiben können und Interviews geben, selbst pleite oder gepfändet, I once had a girl an than she had me.
Wie lustig es auf dem 60ten von Gursky zugeht, ahnt man nicht , denn er wohnt mit seinem hochwertigen Werk in der dünnen Luft der hohen Kunst. Künstler sind unsere Märchenprinzen, sie verkörpern das Ideal der reinen Schöpfung. Da ist es nicht gut, unter Dopingverdacht zu geraten.
Ich schließe die Zeitung und denke an Düsseldorf. Schicke Mütze noch mal!