Eigentlich wissen wir ja, wie die Dinge unseres Alltags entstehen. Schön finden wir es nicht, aber es ist halt der Lauf der Zeit. Produkte sind fast ausnahmslos industriell- wie sollte es auch anders gehen. Ausnahmen bestätigen diese Regel nur.
Wie allzuvieles, umgibt auch das Fahrrad diese gewisse Obskurität globaler Herkunft, seit der europäische Kontinent nur noch Versandkartons öffnet. Rahmen und Komponenten entspringen der Magie eines Konfigurators, den Rest erledigen Vertriebsorganisationen in hübschen showrooms – wenns etwas mehr sein darf. Trotz der leuchtenden Oberfläche unserer Bildschirme, die jedes winzige Detail einer Schraube erhellen, bleibt die Herkunft der Dinge recht dunkel.
Wir sind gespalten: Einerseits beten wir Kreativität, Handwerk, Genie an, andererseits besitzt die Leuchtkraft eines globalen Markenlogos die viel höhere Potenz– die Umsätze der Branche sprechen eine harte Sprache. Einerseits geloben wir Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und erhöhtes Bewußtsein – und tun am Ende wir nicht viel mehr, als Müll zu trennen. Es ist doch das Lohngefälle, Dummilein . . .
Manchmal gibt es einen kleinen Lichtstrahl und spezialisierte Zeitschriften erwähnen noch die Helden und Ritter der individuellen Fertigung, die letzten ihrer Zunft: die Rahmenbauer. Irgendwo sitzen sie am wärmenden Feuer ihrer Lötlampen, geschwärzt vom Ruß harter, ehrlicher Stahlarbeit.
Doch sie sind kaum mehr als ein dekoratives Element im Meer des neuen Fahrradbooms. Randfiguren, an denen sich hin und wieder unsere Technostalgie erfreut . . .
Wir happy few, das affine Publikum, das eine Wahl hat, sehnen uns auf allen Gebieten nach Haptik, dem Authentischem und guter analoger Arbeit. Aber unverdrossen stecken wir dann tausende in (zu mehr als zweifelhaften Umweltbedingungen erzeugte, schnell alternde) Carbonteile, statt in die verehrte, solide und äußerst nachhaltige Schöpfung eines Rahmenbauers. Denn wenn es darum geht, schnell auszusehen, nicht schnell zu sein gibt es keine Tech-Nostalgie mehr. Bei ihren Spielzeugen machen die neuen Biedermeier ernst mit dem Fortschritt.
Das ist die Wirklichkeit und sie boomt. Ein Spielverderber, wer da die Trauben zu sauer findet. Unsere Technostalgie ist ein Lippenbekenntnis.
Gleichzeitig sind ausgerechnet jene, die unsere höchste Achtung verdienen auch die, die am härtesten dafür kämpfen. Die Meister ihres Fachs, keine austauschbaren Lohnknechte, echte Könner arbeiten oft unter Mindestlohn, wenn man genau rechnet. Denn ein guter Rahmenbauer zu sein ist ein sehr harter, langer und riskanter Weg sein Leben zu bestreiten – für das Mittelmaß ist schon lange kein Platz mehr. Die anderen stehen im Überlebenskampf des Lohngefälles, auch wenn ihre Maßarbeit kaum mehr als ein konfiguriertes Plastikspielzeug kostet. Die Frage nach der Würde überlasse ich dem Leser.
Aus den Staaten finde ich eine etwas ältere Quelle (Rivendell Bike Works ) , die das ganz gut zeigt. Der Interviewschnipsel , den ich hier übersetzt habe, macht die mikroskopischen Größenordnungen deutlich, in dnene auch einer der renommiertesten amerikanischen Rahmenbauer arbeitet. Mark Nobilette. . .
Auszug aus einem Interview der kalifornischen Marke Rivendell (2014)
Mark Nobilette
Rahmenbauer aus Colorado Jahrgang 1953, antwortet auf die Fragen von Rivendell zur Herstellung von Rahmen
Wie lang dauert es, bis ein Rahmen fertig ist?
M.N. : Für einen TIG/WIG geschweissten Rahmen mit ein paar zusätzlichen Lötstellen brauche ich 16 bis 17 Stunden. Ich mach keine reinen TIG Aufbauten, die wären noch viel schneller fertig. Ein Fillet brazed Rahmen (das Lötzeug fließt in die Verbindungen) braucht ungefähr 20 Stunden und ein gemuffter Rahmen 24. Für eine Gabelkrone kommen noch einmal 3 bis 4 Stunden hinzu .
Meine höchste Jahresproduktion waren 100 Rahmen.
Worauf achtest Du bei einem gemufften Rahmen?
M.N.: Bei einem gemufften Rahmen achte ich auf saubere Linien, scharfe, gleichmäßige Abschlüsse, bei einem TIG Rahmen ist es die Gleichmäßigkeit der Schweißnaht und die Sauberkeit ihrer Ausführung ohne Nachbesserung . Das Gesamtbild muß stimmen, alles sollte am richtigen Platz sein.
Irgendein Rat für Anfänger?
Lern Dein Handwerk, bevor du Tausende in Ausrüstung versenkst. . . .
Lass uns die berühmten Männer preisen. therichardsachs.com