Wir erleben eine Welt der Phantastillarden und im Dschungel der großen Zahlen gehen Details schnell unter. Waren es 300 ? oder 350? Millionen sind gemeint, keine Millarden – Nicht wegen Pandemie, nicht wegen EU, nicht wegen Bundeswehr. Nur 350 Millionen als sofortiger Kapitalhilfe für Karstadt. Sonst können sie dicht machen.
Das Warenhaus.

L’immeuble des Trois-Quartiers dans sa configuration d’origine
Die ersten Paläste entstehen in Deutschland noch vor dem ersten Weltkrieg. Messel, Tietz, Schocken lassen grandiose Fronten in den besten Lagen der größten Städte errichten. Fünf bis sechs Etagen, Glaskuppeln, Aufzüge, riesige Lichthöfe und manchmal sogar eine Dachterasse mit Teesalon, wie hier das art déco Monument der trois quartiers.. Und manchmal würde ich gern meine Großeltern befragen können, wann sie in ihrem Leben zum ersten mal ein Warenhaus besuchten, mit welchen großen Wünschen (und wieviel ungläubigem Staunen) sie damals die Paläste des Konsums betraten.
Nun sind wir drei Schritte weiter – der große Boom des Wiederaufbaus, dem wir die große Zahl der städtischen Nachkriegsexperimente in Sichtbeton, Waschbeton und Fassadenblenden verdanken ist lange schon vorbei. Diese riesigen Gehäuse unserer potenzierten Wünsche und Träume – denn der opulente Reichtum ihres Inhalts war ja nichts anderes als die Summe der Kaufprojektionen seiner Besucher – hat sich zunehmend entkernt. Nur noch die Parkdecks arbeiten wirtschaftlich.
Und diese gute alte Traummaschine, die Titanic der Konsumwünsche ist ins Netz migriert, unwiderruflich, auch wenn man ein paar ausgesuchte Exemplare der alten Spezies hier und da noch für zahlende Besucher erhalten wird..
Das Rad ist eine Exkursionsmaschine der Nebenwege, der Nebengleise der autozentrierten Zivilisation. Wenn es von den Schnellbahnen nicht gleich ausgesperrt ist, meidet man als Fahrer gern die oft monotonen Umgehungsrouten, die Zubringer und „Schnellstraßen“. Unweigerlich ist man Experte für kurze, alte Wege: die Poststraße, die Hauptstraße, die Berliner, Mainzer, Frankfurter, Bonner, Kölner Straße: dem direkten Zugang ins Herz der Städte.
Das sind sie, die Dodge Cities und Nothing Gulchs unserer Warenwelt, in jeder kleinen Stadt entdecke ich die gestorbenen kleinen Träume.
Den Fachgeschäften
Den ersten Häusern am Platze. Immer mit der besten Qualität und vorzüglicher Beratung.
Sie waren die ersten Opfer. Sie starben lautlos und medienfern, ihre Eigentümer gingen aufs Altenteil oder hatten vermietet.
Sie alle starben für Karstadt – dabei weiß jeder, der schonmal online geshoppt hat, daß Karstadt ein Geisterhaus ist. Da nutzen auch 350 Millionen nichts mehr – Zahlen, die längst keine Empörung mehr auslösen, sie retten Einkommen, bezahlen Lieferanten, doch das Ende wird sein , wie die Plünderung des Hertie an der Turmstraße, Berlin Moabit. Einen ausgeträumten Traum kannst Du nicht zurückkaufen.
Und wenn der Preis für die kostbare Klimatisiserungs- und Antriebsenergie weiter steigt, dann weiß der Shopper auch, was aus den Hallen auf der grünen Wiese einst werden wird. Leere Gehäuse, aus denen die Träume vom schnellen kleinen Glück entwichen sind, als die Klimaanlage ausgeschaltet wurde.
Lieber auf die schönen Häuser aus Stein bauen, es war immer schon mehr Leben drin, mehr von dem , was wirklich Not tut: gesellschaftliches Potential.