La longue route – TCR 2016

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Moitessier, Bernard, 1927-1994

Der Vendée Globe ist unterwegs. Alle vier Jahr startet die Umseglung der Welt  in les Sables d’Olonnes. Dieses Rennen der Einhandsegler ist eine französische Tradition geworden. Die Gewinner sind auf Ihre Art Volkshelden  und in diesem Jahr war es wieder so weit: die Umrundung des Globus als Einzelzeitfahren hat begonnen.

Die Tradition haben die Franzosen , erfunden hat dieses Rennen aber die Sunday Times . 1968 schrieben sie ein Weltumrundungs- Rennen für Einhandsegler auf Segelbooten in offener Klasse aus (jede Konstruktion war gestattet) 5000 britische Pfund warteten auf den Sieger des Golden Globe.  Von 9 Startern kam nur einer ins Ziel.

Bernard Moitessier hat aus dieser Wettfahrt um die Kaps ein Buch gemacht, das seinen Ruhm unter Insidern nachhaltig ausweitetete:  heute noch als Taschenbuch  (j’ai lu 3738)  unter dem Titel „la longue route“ verkauft, also beinahe 50 Jahre später.

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Moitessier schreibt darin kaum mehr als seine täglichen Beobachtungen  Navigationsergebnisse, Wetterbeobachtungen und Überlegungen zur weiteren Fahrt auf. Unvorstellbar primitiv muten uns  heute seine Navigationsbedingungen an: kein Funk (Verständigung über Lichtsignale), kein Radar, nur ein kleiner Sextant und ein Haufen Seekarten für die wichtigsten Passagen der Fahrt um die Erde. Seine Aufzeichnungen und seine belichteten Filme  – die Sunday Times hatte ihm eine Kamera gestellt – warf er auf passierende Schiffe oder schickte sie per Flaschenpost aus, wenn er in Landnähe kam.

Moitessier führte mit einigen Tagen Vorsprung nachdem er das letzte Kap, das Kap Hoorn umrundet hatte und entschloß sich zu etwas, womit niemand rechnen konnte: er segelte einfach weiter, nicht ins Ziel Southampton, sondern nach Tahiti….

a-josh2Viele jahre danach, 1987,  wurde Moitessier zum Paten der ersten Ausgabe des Vendée Globe. Seine Fahrten und Bücher wurden zum Traum einer ganzen generation von Seglern und anderen Eskapisten.

Die Langstreckenradler sind neben den Seglern  nur ein kleinerer Orden des Eskapismus, Minoriten sozusagen. Fest mit zwei Rädern der Erde verbunden, droht ihnen kein Kentern, kein Verschwinden im Nirgendwo. Und doch  bewegen sich die Teilnehmer des Transconrace fast schlafwandlerisch  durch die Länder, die sie von Belgien bis zum Bosporus durchqueren. Nur selten steigen sie ab, so selten wie möglich.

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Und mehr als einmal fühlte ich mich bei der Lektüre der Gedanken von Moitessier erinnert an Kristof Allegaert, dem dreifachen Sieger des TCR : eine Zielstrebigkeit und Versunkenheit in der Sache . . .

Allegaert, das ist ein 40jähriger Mathematiklehrer aus Flandern (Kortrijk), der einfach das Radfahren liebt. In den vergangenen Jahren entdeckte er die Langstrecke mit ihren verschiedenen Distanzen doch mittlerweile sind Brevets für ihn Trainingseinheiten.  Für einen der längsten Brevets,  den „Tour de France des Randonneurs“ hält er den Rekord , bevor er sich 2013  zur ersten Ausgabe des Transcontinental Race einschreibt.

photo-norbert-mu%cc%88nchDieses „Einhandradeln“, bei dem nur die 3 oder vier kontrollpunkte der Fahrt vorgeschrieben sind, verlangt vom Sportler drei Fähigkeiten. Extreme Ausdauerleistung, mentale Stärke und großes Organisationstalent. Da das Rennen (wie die Weltumseglung) „unsupported“ ist, trägt der Fahrer die Verantwortung für Navigation, Mechanik, Ernährung und Streckeneinteilung. Jeder, der dieses Rennen bewältigt hat eine sportliche Höchstleistung vollbracht. Nach seinem zweiten Sieg 2014 frug sich Allegaert schon, ob er es ein drittes mal versuchen sollte.  Er nahm sich ein Jahr Zeit – – und gewann im August zum dritten mal.

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Das Magazin „200“  -le vélo autrement,  hat sich in seiner Nische innerhalb von etwas über 2 Jahren gut eingelebt. Ganz bewußt läßt es den klassischen Radsport außen vor, ein Feld, das von einem halben dutzend konkurrierenden Blättern beackert wird. „200“, das ist zunächst eine Erkennungszahl für die Langstrecke: die kürzeste Distanz eines Brevets in km. Es ist aber auch die Geschichte der Selbsthilfewerkstätten, der französischen Provinz zu Rade, der alternativen Stadtbikeprojekte. Alain Puisieux, der radelnde Chefredakteur, verbringt mehr zeit im Sattel als im Werbekundengesprächen. Als Teilnehmer N°52 des TCR 2015 unterhielt er sich mit Kristof Allegaert auf Augenhöhe.

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Was tut also ein Mensch , um mit seinem Rad so schnell wie möglich Europa zu durchqueren?

Ich überlasse K. Allegaert das Wort:

„Als ich das Transconrace entdeckte,  hat mich die Einfachheit der Formel begeistert. Start, checkpoint,checkpoint und dazwischen machst du, was du willst. Vor dem ersten Transcontinental Start (2013) bin ich Brevets gefahren, LEL, die Mille Miglia, der Tour de France des US Métro (s.o) dessen Rekord ich halte. Das waren keine Rennen und ich bin sie auch nicht als Rennen gefahren. Radrennen schenke ich ohnehin keine Aufmerksamkeit. Kirchturmkriterien sprechen mich nicht an. “

„Beim ersten mal war es anders, ich wußte nicht, worauf ich mich einließ. In meiner Vorstellung war es einfach eine Fahrt nach Istanbul. Erst unterwegs verstand ich, daß es sich um ein Rennen handelte, daß ich immer schneller fahren mußte und so wenig Zeit wie möglich verlieren durfte.“

„Ich trainiere nicht wirklich, ich rolle! Freitag bin ich nach Reims gefahren und habe dort übernachtet. Samstag bin ich nach Paris gefahren, habe Patrick (Miette –  finisher 2015) getroffen und bin am nachmittag nach Hause gefahren. Ist das Training? Ich weiß es nicht.“

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(Seit dem ersten Januar ist er 26000 km gefahren, manchmal beginnt sein Tag um 4 Uhr morgens.)

„Es ist sehr schwierig, Schlafmangel zu trainieren. Natürlich schlafe ich so wenig wie möglich . Aber das Band ist sehr schmal. Schläfst du nicht genug, fährst du nicht gut. Im Lauf der Jahre gewannich eine vorstellung darüber, was für mich geht oder nicht geht . Dieses Jahr hatte ich vor der ersten durchgefahrenen nacht große Angst. Denn nach ein paar Tagen bekommst Du einen großen Schlag mit dem Hammer verpaßt. Davor hatte ich große Angst. Solange ich rollte ging es gut, aber danach….“

„Du weißt, daß du physisch eine gewisse Grenze nicht überschreiten darfst. Tust du es dennoch, wird es lange dauern, bis du dich wieder erholst. wenn du innerhalb der Grenze bleibst, kannst du sehr lange durchhalten. Man muß ständig konzentriert sein. “

„Da gibt es etwas, das nur wenige Leute verstehen. Wenn ich an einem Supermarkt halte und anfange mit der Inhaberin zu reden, ihr zu erzählen, was ich da mache . . . verliere ich nur Zeit. (Leiser) Am Ende ist es ihr sowieso egal. Tut mir leid! Du wirst ihr sowieso immer das selbe erzählen – wo du herkommst, wohin du fährst, was du da machst…. Und dieser mentale Aspekt ist härter als der körperliche. Die Einsamkeit ist schrecklich.“

„Die Grenze ist schwer abzuschätzen. man muß auf seinen Körper hören. Wenn du 24h fährst, spürst du irgendwann die Müdigkeit. Und auf einmal extreme Müdigkeit. Aber wenn du anfängst, auf dem Rad die Augen zu schließen, dann ist es gefährlich. Du  mußt dir sagen „Ich muß schlafen“, und dann schlafen, eine Stunde oder eine halbe….sogar ein Viertelstündchen kann sehr wirksam sein.Man muß auf seinen Körper hören – das ist es, was ich im Laufe der Jahre gelernt habe.“

„Auch ich habe meine Probleme gehabt, das ist vor allem eine Frage der Geisteshaltung. Zum Beispiel eine Reifenpanne. Die  kann jedem passieren. Was machst du? Du kannst dein Werkzeug und deine Pumpe rausholen und reparieren. Ein Platter kostet 7 minuten. merh nicht. oder Du sagst Dir: „Mist, ich hab einen Plattfuß, ich verliere Zeit, ich suche mir einen Radladen und trinke in der Zwischenzeit einen Café . . .“ Dann kann es zwei Stunden kosten.

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„Wenn ich an einem laden stoppe nehme ich ein Mars ein Snickers und weiter gehts. Für einen Café halte ich nicht. Ich nehm ihn mit aufs Rad und trinke ihn dort.  Und das sieht niemand. Ich esse auf dem Rad. Jede Minute zählt. Ich verbrauche pro Tag 20000 Kalorien. Maximal nehme ich 2 bis 3000 pro Tag auf. Mehr nicht, es kostet zuviel Zeit. “

„Während des Rennens habe ich drei warme Mahlzeiten eingenommen. Alle am letzten Wochenende. “

„Es gibt viele Radsportler, die körperlich sehr stark sind. Aber sie können das TCR nicht bestreiten. Es ist die Kombination so vieler Faktoren. Wenn Du ein Problem hast, mußt Du es lösen, wenn du nichts zu essen findest, mußt du weiter fahren.Wenn du anfängst dich selbst zu bedauern, bist du entweder sehr müde oder du bist nicht in der richtigen mentalen Verfassung. “

„Nur ein Satz Wechselwäsche, wenn ich schlafe, zieh ich alles übereinander. Eine Stunde Tiefschlaf können reichen. Und wenn es zu gemütlich wird, dann verlierst du Zeit…. ja, auf den Paßhöhen ist es kalt, aber wie lange ist man oben? -eine Minute? – ine halte ich oben an, nie. Ich fahre den Paß hinab und weiter. “

„Die GPS Tracks sind das Ergebnis  von Berechnungen. Manchmal ist es besser einen Paß zu fahren, manchmal ihn zu meiden. Nach dem Giau Paß bin ich nach Norden Richtung Österreich gefahren, während alle übrigen nach Süden fuhren . . ich habe von Freunden Nachrichten empfangen . . „Hey, bist Du Dir sicher? . . .“

„Meine Routen habe ich Monate vor dem rennen festgelegt . Den Wind einzuberechnen ist unmöglich. Immerhin gibt es ein paar einfache Dinge. An der Küste kommt der Wind vom Meer,  in einem großen Tal entweder Gegenwind oder Rückenwind. Wenn man seine Route ausarbeitet hat man ein Auge darauf. Aber den Wind einzuberechnen ist sinnlos.“

„Keine Sekunde beneide ich die Profis vom Giro oder der Tour . Etappenrennen sind so anders als das TCR. . Dies ist ein Abenteuer. Du bist frei, du entscheidest. Und das brauche ich.“

„Je näher du dem Ziel kommst, je mehr verschwimmt alles Vorherige. Es bleibt nur dies: „Ich hab’s geschafft“. Und gleich danach brichst du zusammen, du brichst zusammen, das ist alles. Nach Hause zurückgekehrt  bist du wieder in Sicherheit. Du hast zu Essen, du schläfst besser.  . . aber mental arbeitet es in dir weiter, sehr sogar.“

Soweit Allegaert, der Mann , der zum dritten mal das Transconrace gewann.

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2 Antworten zu La longue route – TCR 2016

  1. randonneurdidier schreibt:

    Hallo Christoph, der Vergleich von „Einhand um die Erde segeln“ und TCR ist hoch interessant. Ganz offensichtlich gibt es da Verbindungen. Klaus Erdmann, der Randonneur, den ich überaus schätze und der mit 67 Jahren 2011 PBP in 60 h absolvierte, hat einen bekannteren Bruder: Wilfried. Und der ist wohl der erfolgreichste Einhandsegler Deutschlands. Schau mal hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_Erdmann. Die Brüder wohnen mittlerweile wieder in Karstädt in der Prignitz. „Jwd“. Offensichtlich ist beiden eine erstaunliche mentale Stärke zu eigen. Beiden hat sie auf zu unterschiedlichen Extremleistungen verholfen. Und Kristof Allegaert bringt die Dinge wunderbar einfach auf den Punkt. Unspektakulär und klar. Chapeau!

  2. crispsanders schreibt:

    Ahoi Dietmar!
    vielen dank für die information zum „anderen“ Erdmann. Der Moitessier Verehrer Winfried war mir bekannt. Sein Buch „1000 tage Robinson“ habe ich noch zu empfehlen: der Bericht über seine Hochzeitsreise rund um die Erde. Ein Berliner Ehepaar hat es ihnen dann ebenfalls gleichgetan, der Name ist mir gerade entfallen – das (gute) Buch habe ich weiterverschenkt : sie hatte den Bericht geschrieben und war dann in den Berliner Schuldienst „eingekehrt“. Sollte heute pensioniert sein. Vielleicht hat jemand von ihr gehört. . . .
    Aber zurück zum Rad: freut mich, wenn die Parallele durch die Erdmann Brüder irgendwie fundiert wird: als (überzeugte) Landratte stelle ich nur Vermutungen an.

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