Mythen und Marketing auf meine Kappe

Düsseldorf erwartet einen Troß von 5000 Journalisten, Düsseldorf erwartet eine Million Zuschauer. Düsseldorf  nimmt 6 Millionen in die Hand, vielleicht auch mehr. Am 1 Juli wird das alles sein und Buchhandlungen richten  bereits kleine Altäre ein.

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Düsseldorf hat Glück, denn mit  Tour de France haben sie beim Veranstalter sicher die nötige kulturelle/ lokale  Kompetenz bewiesen, den Mythos in Würde fortzuschreiben. Wenigstens das Trikot dürfte in der Abschlußbilanz positiv abschneiden. Düsseldorf bemüht sich,  auch sportferne Elemente zu integrieren: das ist weit vorausgedacht.

b02 Bislang jedenfalls galten die Ableger des Pingu oder der  (sic!) Milchschnitte unter Sportlern nicht unbedingt als begehrte Energiequelle. Ab dem 1 juli könnte sich das ändern, wenn man den vertraulichen Informationen der Mitarbeiter glauben darf.

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Inzwischen übt das Publikum bereits das busweise Anfahren der Prologstrecke. Man will sich als Stadt nicht lumpen lassen und hat sich bei den Mannschaftsbussen für ein  ins mauve abdriftendes pink entschieden, das an die gute alte Zeit erinnert:

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– in der die Tour de France noch in Staatshand befand. Mangels Porträt des Mythenlieferanten Jan U hier  eins der eminentesten Gebäude des (ehemaligen) Radsprotunternehmens T.

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Mythen und Symbole sind eine nicht immer einfache Sache und auch der Ausstellungswirksame Eddy (bild ganz oben) scheint skeptisch zu sein. Aus einer Nation, die dem Doping abschwor und wegen Chancengleichheit zum e-bike wechselte  ein Volk von einigen Radsportlern zu machen ist auch für eine brillante Stadt wie Düsseldorf keine leichte Sache.

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Immerhin gibt es mutige Unternehmen wie  die „Schicke Mütze„, die dem reinen Radsport die Stange halten. Hier findet jeder für den D-Day etwas passendes, wobei die Mütze zum markanten Accessoire der Saison vorrücken dürfte.

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Jeder der in die Materie einsteigen will oder mit ihr lebt ist hier gut aufgehoben. Bei mir als bekennendem Mützenträger wurden offene Türen eingerannt.

Denn vor dem Helm kam die Mütze.

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Die Mütze, die ja eher eine Kappe ist, erfüllt im Radsport mehrere Funktionen und ist darum ewig im Gebrauch. Einerseits verliert der Körper über den Kopf die meiste Wärme, nützlich bei Fahrtluft,  und bei Hitze  ist sie ein wirksamer Schutz vor Hitzschlag oder Sonnenstich – läßt sich im Juli leicht nachvollziehen. Viele Fahrer der Tour trugen sie auch „verkehrtrum“, weil sich so der Nacken besser vor  direkter UV Einstrahlung schützen ließ.

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Der Helm schien die  Kappe obsolet gemacht zu haben, die Kombination aus Sonnenbrille und Helm hat sich durchgesetzt. Nicht zuletzt hat man damit zwei Produkte eingeführt, die sich mit guten Margen verkaufen lassen, da bleibt dem Profi keine Wahl.

Die Kappe empfiehlt sich dennoch. Sie saugt  Schweiß auf,  der dann gleichmäßig verdunstet,  das Visier schont die Augen. Fahrtwind bleibt aus dem Gesicht und die Nase ebenfalls im Schatten, beim Helm kann das nur ein Visier leisten, welches stets höher als bei der Kappe sitzt. Vorteil Kappe.

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Unter dem Helm getragen schützt sie immer noch vor der  Sonne, die durch die Belüftungslöcher dringt und bei starker Hitze wirkt eine nasse Kappe für eine Weile als natürliche Klimaanlage.

Meine größte Empfindlichkeit ist endlich der Schweiß: auch die leichteste Brille der Welt sammelt ihn auf  und er rinnt dann unweigerlich irgendwo hinunter. Man muß keinen Glaubenskrieg daraus machen, aber vielleicht ist es gut, an die praktischen Seiten eines uralten Accessoires zu erinnern. . . .

b01Zurück nach Düsseldorf,  Stadt der Tour . Wer weiß ob einer der Kraftwerk-musiker im eigenen trikot zu sehen sein wird. Wer weiß, ob sich die Kinder noch in Jahrzehnten an einen Tag erinnern werden, der so schnell nicht wiederkehrt. Ob daraus „ein Mythos“ wird ? bei 500 neuen Radsport Lizenzen im Jugendbereich ist es zweifelhaft, daß der Mythentransfer wirklich geklappt hat. Lieb Eddy magst ruhig sein Deine Enkel suchen zum Ruhm  womöglich andere Wege.

a6Große Worte gehen halt leicht von den Lippen aber in unserem bunten Alltag ist darunter wohl keine Aufmerksamkeit zu kriegen .  Düsseldorf  ist gespannt, derweil andere Mythen unter anonymen Schuppen einen hundertjährigen Schlaf träumen.

 

 

 

 

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8 Antworten zu Mythen und Marketing auf meine Kappe

  1. randonneurdidier schreibt:

    macht Lust auf Mützen und den Grand Depart. Meine erste war eine Peugeot und aktuell bin ich bei Colnago-Baumwolle und noch funktioneller bei Rapha-Hightech-Poly-Cotton. Welch herrliche Mützeninnovation! Nur noch einige Mützen Schlaf bis zum D-Day

  2. mark793 schreibt:

    Ah, sehr schön eingefangen, das steigende Tour-Fieber in der Stadt.

    Ich selber bin mir noch nicht schlüssig, was ich von dem ganzen Trubel halten soll. Vielleicht flüchte ich für ein paar Tage nach Bayern, wenn es so weit ist.

  3. crispsanders schreibt:

    Das Ereignis selbst kann man (oder auch nicht) medial verfolgen, dem muß man sich ja auch als Neigschmeckter nicht aussetzen. Die Vorbereitungen, der Hype, der Größenwahn sind für mich das Interessanteste. Was dann draus wurde oder nicht sieht man ja . . .
    Halte es insgesamt nicht für so gefährlich, daß man fliehen müßte.

    • mark793 schreibt:

      Gefährlich sicher nicht, aber ich kriege in Massenveranstaltungen eh leicht Beklemmungen. Mein angestammtes Revier ist blockiert von den Profis, ich denke, ich kann meine Zeit andernorts sinnvoller nutzen.

  4. crispsanders schreibt:

    Sicher, die Aussicht von Profis beim Fortkommen blockiert zu werden ist gräulich . . . und bei gegebenen Temperaturen sind Bergseen auf jeden Fall der bessere Aufenthaltsort !

  5. monnemer schreibt:

    Wenn ich mich auf den Radwegen in diesem Jahr so umschaue, bin ich fast versucht zu sagen, dass der Industrieverband zur Herstellung der Chancengleichheit Vollzug melden kann.
    Vielleicht gibt es auch eine Richtlinie, von der ich nichts mitbekommen habe, wonach von körperlicher Anstrengung außerhalb geschlossener Räume und außerhalb der Reichweite von einem Großgebinde Sagr*tan abgeraten wird.
    Jedenfalls habe ich in diesem Jahr die ersten Kinder auf E-Bikes gesehen. Kann aber auch sein, dass ich vorher nicht drauf geachtet habe.

    Die Mütze unterm Helm ist für mich ein muss, gerade im Sommer und gerade bei den jetzigen Temperaturen. Wer mag schon Schweiß in den Augen? Und zu den Vorzügen des Odenwaldes gehört, dass an vielen Stellen Quellen und Brunnen sprudeln. So behält man wenigstens einen kühlen Kopf, wenn der Körper streikt.

    Die Tour vor der Haustüre, auch wenn ich in Massenveranstaltungen zu ähnlichen mentalen Abwehrreaktionen neige, das würde ich mir nicht entgehen lassen, Herr mark.
    Ich habe vor 2 Jahren im Urlaub eine Bergetappe der Vuelta im Baskenland besucht – das war toll! War allerdings eine Bergetappe, da hat man wohl deutlich mehr von den Fahrern.

  6. crispsanders schreibt:

    Man darf durchaus respektieren, wenn sich nicht jeder der Mythenmaschine unterwirft. Hat ja etwas vom verordneten Sonntag wenn eine Million Zuschauer dann 6 Euro ausgeben sollen, um die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der kleinen Hauptstadt zu schönen.
    Aber man darf die Sache vielleicht auch nehmen wie ein Kind – buntes Treiben, euphorische Erwachsene und Männer in Zeitfahranzügen – gibt es sonst nur zu Karneval.

    • mark793 schreibt:

      @monnemer: Ich sag ja nicht, das mich da gar nichts reizt, aber wenn ich in der Zeit selber fahren kann in einer schönen Gegend, wo ich auch nicht alle paar Wochen hinkomme, geht das vor. Frau und Tochter wollen sich den Trubel jedenfalls angucken, insofern ist die Familienehre gerettet.

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