Alle Brücken abreissen

Es ist noch keinen Monat her. Unterwegs mit dem Lauer, neue Kurbel testen, den trockenen, späten Wintertag für ein paar Kadenzen nutzen,.

c2Irgendetwas brachte mich bis ans Ende der alten Bahnlinie . bis hinter den Bahnhof Westerburg. Westerburg, das ist eine ehemalige Kreisstadt der Region. Zwischen Hügeln ragt der alte Eisenbahnviadukt auf, eine Eisenträger-Fachwerk Konstruktion. Nach dem Gesetz der schöpferischen Zerstörung hätte man ihn abreissen müssen, als der Zug stoppte.

In der schwachen Abendsonne leuchten die Träger noch einmal auf.  Stillgelegt – aber er steht noch.

c3Heute, am 16 März  strahlt die Sonne wie noch nie in diesem Jahr und der Weißdorn macht um das Lauer einen Sternenkranz. Wir wissen es noch nicht, ohne es zu wollen sind wir auf Hamsterfahrt. Auf den Feldwegen, die ich üblicherweise in heroischer Einsamkeit überfliege sehe ich plötzlich Menschen und gleich mehrere. Kinder in Gruppen, oder mit Eltern, Wanderer. Jungs auf Mountainbikes. Schulen geschlossen – verordnete Freizeit.

Wer noch in Ruhe einkaufen will, braucht jetzt einen Supermarkt mit kleinem Parkplatz, leicht versteckt, verkehrstechnisch suboptimal gelegen. Also meinen Supermarkt. Alle sind unterwegs, die Schlangen lang, Parkplätze brummen wie ein Bienenstock. Deutschland fährt einkaufen.

c7Ich zeige noch dazu das Bild einer Tankstelle, damit mir der alte, teure Zustand vom letzten Monat überhaupt geglaubt wird.

Diesen Monat haben alle vollgetankt. Das Barrel liegt unter 30 Dollar. Die Osterferien werden mental schonmal gestrichen, oder inländisch verschoben. Geld fließt in die unteren Etagen der Bedürfnispyramide: Klopapier . Heute begann die zweite Hamsterwelle – nach uns der Notstand. Schmalzbezugsschein, Brotmarken und all das Zeug.

c4Das Lauer steht vor der Grillkohle anstelle der Briketts. Frühlingserwachen.

Drinnen erwartet mich ein fast gewöhnlich leerer Supermarkt.(Uff!) Gewöhnlich? Nicht ganz, denn es klaffen ein paar strategische Lücken in den Regalen. Klopapier wird flächig durch Küchenrollen substituiert. Die meisten günstigen Nudelsorten sind weg. Es bleiben die kleinen Packungen mit Edelnudeln. Beim Gemüse sieht es besser aus, alles absolut normal. Nicht so bei Reis und Tomatenmark. Futsch. Frühmorgendlich abgeräumt. Auch im Ketchupregal fällt Ausdünnung auf. Aber das suche ich alles nicht. Erwischt hats mich dann beim Frischkäse und der Milch. Nur die Bioqualitäten jenseits 1 Euro noch verfügbar – aber gerne. Leere Kartons. Im Laden wirds plötzlich voller. Nichts wie weg und einen schönen Tag noch .

c5Ich gab der bayrischen Milch einen Ehrenplatz am Lauer und fuhr durch die sonnigen Felder zurück.

c6Dann stieß ich auf den Besenwagen. Fast alle Busse in diesem Gewerbegebiet kommen aus dem Süden Frankreichs. Sie bleiben nicht lange, es ist ein kommen und gehen, aber immer aus dem Süden, wo diese Karosserien wenig leiden. Hier ist es der Besenwagen einer Jugendradsportveranstaltung im Tarn. Der tour du tarn cadets. Die Busse verschwinden aus der Provence, dem Roussillon und dem Tarn. Neulich noch ein Bus aus Manosque, dem Westerburg von Jean Giono.

Wie er da den ersten Bus nach dem Krieg beschreibt, der die Arbeiter über schmale, frostige Straßen in die Stadt bringt. Reißen die Franzosen die Brücken ab? Sie verramschen einstweilen Busse, vermutlich ist es der Feinstaub. Es gibt von allem zuviel.

DSCF5914Vor 70 Jahren eine Revolution, heute eine Umweltlast. Wie die Brücke in Westerburg. Sie ist einfach zu schön, um sie abzureißen. Aber man könnte auch wieder Gleise verlegen.

 

 

 

 

 

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3 Antworten zu Alle Brücken abreissen

  1. mark793 schreibt:

    Seltsam vertraut und doch fremd ist mir der Anblick dieser Brücke. Übrigens findet Google Maps den ehemaligen Standort der Wäller-Kaserne in der Langenhahner Straße nahe dem Ortsausgang Richtung Langenhahn.

  2. crispsanders schreibt:

    Aha!
    Da gehts also lang. Westerburg leigt ja rund um den Zusammenfluß zweier Bäche, die sich zum Elbach vereinen. Dasdurch das hügelige GEpräge der Stadt . Auch wer von oben schaut, kann die verborgene Lage der ehemaligen QRA Kaserne kaum erahnen. Auch nach heuteigen Gesichtspunkten ein sehr schwieriges Ziel.
    hiffen wir nur: these times are gone forever mit Steely Dan

    • mark793 schreibt:

      Yep! Manchmal träume ich ja, ich würde ein zweites Mal eingezogen, und gleichzeitig denke ich, das gibt’s doch gar nicht, das muss ein Irrtum sein…

      Aber abgesehen von der Brücke und der Kaserne und einer Disco in einem Hotel nahe der Kaserne habe ich keinerlei Erinnerungen an die Stadt Westerburg an sich. Da hat sich mir Montabaur, wo mein älterer Bruder stationiert war, komischerweise stärker eingeprägt, dort habe ich vieles wiedererkannt, als wir vor paar Jahren in der Gegend waren (Du erinnerst Dich).

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