Die früheren Berichte über die Distanz sind ferne Erinnerung. Der Körper erinnert sich undeutlich. Ein 400km Brevet ist keine logische Fortsetzung des vorigen Brevets, kein verlängerter 200er Espresso. Ein 400km Brevet bringt eine neue Dimension: die Dimension der 24h, die Dimension der Nacht. Sind kürzere Brevets noch Tagesangelegenheiten, paßt der 400er nicht mehr in das Tag/Nacht Schema des Alltags.
Der Körper muß dazu eine neue Stufe bewältigen, Mahlzeiten überspringen, seinen Biorhythmus überlisten und dazu größere Temperaturunterschiede bewältigen.
Der Gießener 400er vom Vorjahr – 2017- war schwierig, die Bedingungen feindselig: Kälte, auf die Regen folgte und dann die Ausfahrt. Das Wetter ist ein erheblicher Faktor, von ihm hängt ab, wieviel Kraft der Körper nur zur Fortbewegung braucht und wieviel, um nur seine Temperatur konstant zu halten – man kann nich genug mit dem Wetter rechnen. Dementsprechend gehören am Rad mindestens 500 Gramm Wechselkleidung hinzu.
Und dieses Rad muß stimmen, no jokes, kein Mechaniker am Wegesrand : unverändert das lagoon-blue Competition. Alles nochmal überprüft, Schaltauge gerichtet, Schutzbleche festgezogen und neue Bremsbeläge montiert. Frisches 38er Kettenblatt von TA, damit habe ich 13-26 hinten und 50/38 vorn. Es muß leise laufen und harmonisch, gerade nachts zerren Fehlgeräusche an den Nerven. Der Nabendynamo leuchtet vorn und hinten das AAA-Klemmlicht, das strahlt 8 Stunden zuverlässig rot ab. Rot sieht man nachts unglaublich weit.
Die Ortlieb Tasche mit der robusten Sattelstützenklemmung fasst exakt : den Reserveschlauch, das Notwerkzeug und die Zusatzkleidung für die Nachtfahrt.
Die Vordertasche hält auch nach drei Jahren noch, die Klettverschlüsse sind gut – also keine Bedenken, darin alles für unterwegs einzupacken: Magnesiumtabletten, 2Mettwürste, 3 fett bestrichene Vollkornbrote, Messer von Opinel (leichter als jedes Taschenmesser) und medizinische Nothilfe. Die Wegbeschreibung obendrauf, sollte das Navigationsinstrument streiken.
Pedale: die guten alten Universalpedale mit dem Käfig (für ungeklickte Notfälle) müssen runter, das rechte Lager hat zuviel Spiel: kein Risiko zuviel, ein kaputtes Pedal ist das Ende des brevets, darum 105er Renn-SPD drangemacht. Die Schuhe : wie beim 300er, Shimano sp-d Tourenschuhe, die nicht drücken und deren Hartgummisohle mir eine feste aber drucklose Pedalbewegung ermöglichen.
Ein 400er Brevet , die Welt des overnighters ist der Beginn der Superlangstrecke. Auch für die trainiertesten Radsportler vom TCR ein Tagesmaximum. Es ist die Welt, in der die körperliche Verfassung nur noch ein Teil der Gleichung ist. Der Körper wurde über die kürzeren Brevets an die Belastbarkeit herangeführt, die Psyche nicht.
Die bleibt ein unsichtbares Hindernis, das jeder auf einem 400er überwinden muß. Mentale Ansprüche, aus Energieverbrauch, Schlafentzug und anspruchsvollen Streckenstücken summieren sich zu unbekannten Steilstücke, unsichtbare Knüppel, die vors Rad geworfen werden, wenn es am wenigsten erwartet wurde.
Vor einem (plus) 400er versuche ich mir immer eine „mentale Landkarte“ zu verschaffen, mit der ich mich auf mein Ziel hin bewege. Eine Mischung aus Wetterspekulation, erinnerten Streckenabschnitten und allerlei phantastischen Einbildungen, die den Steuermann an Deck hält. Eine Büchse voller mentaler Ersatzteile und Belohnungen, die noch während des Brevets nachgefüllt wird.
Jetzt kann er kommen.
Ja Mettwürste sind wichtig!